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Schmähpreis "Plagiarius"
Die dreistesten Produktfälschungen des Jahres

Rund 60 Milliarden Euro - so hoch ist der alljährliche Schaden durch Produktpiraterie. Für Verbraucher sind Original und Fälschung bisweilen kaum zu unterscheiden, wie beim diesjährigen Gewinner des "Plagiarius"-Negativpreises. Und bei einem "Preisträger" besteht sogar Explosionsgefahr.

Von Mischa Ehrhardt | 07.02.2020
: Arnain Kaysar, Rechtsanwalt der Genius GmbH Limburg, präsentiert am Rande der Verleihung des Schmähpreises «Plagiarius» auf der Konsumgütermesse Ambiente das Original des Küchen-Schneidgeräts «Nicer Dicer Quick» (r) des Unternehmens, sowie die Fälschung des chinesischen Unternehmens Ninbo A-Bio Plastic Industry & Trade Co., Ltd.. Der seit 1977 auf der Ambiente vergebene Negativ-Preis soll besonders dreiste Fälle von Produktpiraterie anprangern.
Den "Plagiarius"-Schmähpreis für die dreisteste Produktfälschung bekam in diesem Jahr eine "Nicer Dicer"-Kopie aus China (Arne Dedert/dpa)
Ob Gaskapseln zum Sahne aufschlagen, Hundegeschirr, Taschen und Rucksäcke oder auch Schneidegeräte für die Küche – Produktfälscher lassen mit ihren Plagiaten kaum einen Bereich aus. "Wir haben diesmal eigentlich eine sehr bunte Mischung. Wir haben tatsächlich Plagiate und Fälschungen aus Deutschland, Niederlande, Polen, Italien und natürlich auch China. Das ist natürlich oft auch Herstellungsland, aber vertrieben werden viele Plagiate und Fälschungen auch hier. Und gerade in Europa oder Deutschland, wenn es mal darum geht, nur das Design oder nur eine innovative technische Lösung zu übernehmen, dann sind auch hier oft die Skrupel leider etwas geringer", sagt Christine Lacroix von der Aktion Plagiarius.
Der Negativpreis Plagiarius ist ein schwarzer Zwerg mit goldener Nase, denn die verdienen sich die Fälscher im Zweifel mit ihren illegalen Fälschungen. Der Gewinner in diesem Jahr ist die Kopie eines Küchenschneiders der Marke Genius aus Limburg. Besonders dreist: Die Produktpiraten haben nicht nur den Zerkleinerer kopiert, sondern die komplette Verpackung inklusive Firmenlogo gleich mit. Auch bei genauem Hinsehen ist für den Verbraucher kaum ein Unterschied zu bemerken. Beim Einsatz in der Küche dann allerdings schon, denn die Messer sind stumpfer als das Original, die Verarbeitung schlecht.
Explosionsgefahr bei gefälschten Sahnekapseln
Im Fall der gefälschten Kapseln zum Aufschäumen von Sahne besteht sogar akute Gefahr. "Das ist tatsächlich so, dass bei normalen Raumtemperaturen eine Sahnekapsel explodiert ist. Und dazu kommt, dass diese Sahnekapseln verunreinigt sind und dass sie auch innen verrostet sind. Richtig kriminell eigentlich schon, was hier passiert. Deswegen haben wir die auch hinter Acrylglas verschlossen: Damit wirklich jeder, der sich die anschauen möchte, auch geschützt ist".
Der Schmähpreis für die zehn dreistesten Fälschungen wird jedes Jahr verliehen. Und Verbraucher haben es zunehmend schwer, Produktfälschungen als solche zu erkennen, sagt Jens Greiner. Er ist Experte auf diesem Gebiet bei der Unternehmensberatung EY: "Die Qualität der Nachahmungen nimmt zu. Und auch die Nachahmungs-Prozesse sind weitaus schneller geworden. Sie können auch die Produkte schneller in Schwarzmärkte bringen. Also, das sind durch den technologischen Fortschritt natürlich Vorteile für den, der das illegal macht."
Schaden von rund 60 Milliarden Euro jährlich
Eine Studie des europäischen Amtes für geistiges Eigentum taxiert den wirtschaftlichen Schaden allein in elf untersuchten Branchen auf bis zu 60 Milliarden Euro jährlich. Fast eine halbe Million Arbeitsplätze gingen in Europa demnach durch Produktfälschungen verloren.
Betroffen ist auch die Cafè Cultura GmbH aus Düsseldorf und zwar gleich doppelt, sagt Geschäftsführer Cevdet Emec. "Bei dieser dreisten Fälschung haben die sogar den EAN-Code gefälscht. Und bei Kaffee speziell ist es so, dass 2,19 Euro Kaffeesteuer anfällt pro Kilo, wenn Sie das nach Deutschland einführen. Automatisch werden Stichproben gemacht aufgrund der EAN-Codes. Aufgrund der Händler, die dann die Produkte verkaufen, kommt irgendwann der Zoll dann auf uns zurück, und sagt, sie haben am Markt so und so viel Kaffee verkauft, aber haben diese Steuer dafür nicht angemeldet". Emec taxiert den entstandenen Schaden insgesamt auf mehr als eine Million Euro.
Der Negativpreis Plagiarius rückt solche Fälle ins Licht und erreicht damit im besten Fall, dass manche Fälscher im Vorfeld der Negativ-Auszeichnung ihre Produkte zurückziehen und eine Einigung mit den geschädigten Unternehmen suchen.