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Schmerzhafte Geschichte, späte Aufarbeitung

Ihre Väter waren deutsche Wehrmachtssoldaten, ihre Mütter Französinnen. Mochte auch die Regierung in Vichy ihren Bürgern ein striktes Fraternisierungsverbot verordnet haben: Im tagtäglichen Leben war dies kaum umsetzbar. Nach dem Krieg wurden die sogenannten Kinder der Schande beschimpft und ausgegrenzt - vor vier Jahren schlossen sie sich in einem Verein zusammen.

Von Suzanne Krause | 28.07.2009
    Die Place Michelet in Puy-en-Velay, im Tal unterhalb der riesigen Madonnenstatue gelegen, ist Ausgangspunkt für Führungen durch die mittelalterliche Oberstadt. Da säumen Steinhäuser mit pittoresken Fassaden und roten Schindeldächern die steilen kopfsteingepflasterten Straßen und Gässchen. Die Kleinstadt in der Auvergne ist ein Touristenmagnet: wichtige Etappe auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela.

    Auf ganz anderer Wallfahrt sind die dreißig Personen, die sich an einem hochsommerlichen Samstagmorgen um Fremdenführerin Jeannette scharen: junge Rentner, die meisten begleitet von ihrem Ehepartner. Leger und unauffällig gekleidet wirken sie wie x-beliebige Urlauber. Doch sie fühlen sich wie eine große Familie, eine Schicksalsgemeinschaft: sie wurden während des Zweiten Weltkriegs von deutschen Besatzersoldaten gezeugt. Und sie haben sich vor vier Jahren im "nationalen Freundeskreis der Kriegskinder" zusammengeschlossen.

    Jeanine Nivoix-Sevestre präsentiert der Fremdenführerin den Verein. Und warnt heiter vor: Von der deutschen Disziplin hätten sie allerdings nur eine halbe Portion mitbekommen. Die Fremdenführerin will wissen, ob die ganze Gruppe deutsches Blut in den Adern habe. Ja, alle!, schallt es ihr stolz entgegen.

    Es war ein weiter Weg zu diesem heiteren Selbstverständnis, das die Gruppe an diesem Wochenende in Puy-en-Velay an den Tag legt. Gekommen sind sie, neben weiteren hundert Mitgliedern, zur Jahresversammlung des Vereins. Berichtet dessen Präsidentin. Nivoix-Sevestre ist von eher kleiner, aber kräftiger Statur, trägt die blonden Haare kurz und das Herz auf der Hand:

    "Als ich nach unserer ersten Vollversammlung, im Sommer 2006, heimkam, fühlte und dachte ich nur eines: dass ein jeder, den ich getroffen hatte, von tiefstem Leid erfüllt war. Kaum einer brachte ein Lächeln zustande. Und mittlerweile sind wir alle einfach sehr entspannt. Gestern beim gemeinsamen Abendessen bin ich von Tisch zu Tisch gegangen und konnte hören, wie brüderlich und offen der Umgangston ist. Dass wir einen deutschen Vater haben, hat uns viel Leid gebracht. Nun ist dies für uns alltäglich und wir können darüber reden."
    Josiane Kruger hat ihre Geschichte schon im Fernsehen erzählt. Die schmale Frau kommt 1942 in einem kleinen Dorf in Nordfrankreich zur Welt, lebt mit Mutter und Oma in einem kleinen Haus. Als sie sieben ist, erfährt sie, dass ihr Vater ein Wehrmachtssoldat ist. Zwei Jahre lang sind er und Josianes Mutter ein Paar, doch kurz vor ihrer Geburt wird er an die russische Front versetzt. Nur einmal kommt er sie kurz besuchen. Erst mit Mitte vierzig wagt Josiane, ihn anzurufen: Am Telefon macht sie erste Bekanntschaft mit einem ihrer Halbbrüder. Der Vater ist schon tot. In einer sehr beliebten Diskussionssendung im französischen Fernsehen schildert Josiane Kruger ihre Kindheit:

    "Da berichte ich gerade, wie ich von Mitschülern beschimpft wurde. Die Nachbarskinder hatten ihre Eltern über meine Mutter sprechen hören, über ihr Verhältnis mit einem deutschen Besatzer. Ich spürte sehr wohl den Hass im Dorf gegen meine Mutter. Sie selbst hat das Haus fast nie verlassen. Und so bekam ich das alles ab."

    Ihr Schicksal hat Josiane Kruger auch in einer Autobiografie veröffentlicht. "Née d'amours interdites", Frucht verbotener Liebe, betitelt sie das Werk mit einem gewissen Trotz. Jahrzehnte leidet sie, wie fast alle Schicksalsgenossen, unter dem Eindruck, ein Kind der Schande zu sein. Und fühlt sich wie eine exotische Ausnahme.

    Falsch, korrigiert Fabrice Virgili. Der Pariser Historiker schätzt die Zahl von Josianes Schicksalsgenossen im Land auf bis zu 200.000 Personen. Virgili beackert das Thema Kriegskinder seit nunmehr sieben Jahren und steht Pate bei der allerersten Fernsehdokumentation zum Schicksal der Kinder von Wehrmachtssoldaten links des Rheins.

    Als die Sendung 2003 im französischen Fernsehen ausgestrahlt wird, löst dies eine Lawine aus: Unzählige Menschen mit dem gleichen Schicksal melden sich bei Virgili. Ein Netzwerk knüpft sich, das zur Gründung zweier Vereine führt: Coeur sans frontières sowie ANEG, das steht für: Nationaler Freundeskreis der Kriegskinder. Zum größten, dem ANEG, gehören heute 252 Kriegskinder, weitere 76 haben einen Aufnahmeantrag gestellt. Auf einen Schlag sind diese französischen Wehrmachtskinder ein gesellschaftliches Phänomen.

    Im vergangenen März veröffentlicht Fabrice Virgili "Naître ennemi", als Feind geboren, eine beeindruckende Dokumentation. Auf 376 Seiten schildert er sehr farbig den politisch-historischen Kontext der binationalen Beziehungen im Zweiten Weltkrieg. Mögen auch beide Regierungen, in Berlin und in Vichy, ihren Bürgern ein striktes Fraternisierungsverbot verordnen: im Alltag waren deutsch-französische Liebesgeschichten fast unumgänglich, schreibt Virgili:

    In zahlreichen Privatwohnungen im besetzten Teil Frankreichs wurden Zimmer beschlagnahmt, um deutsche Soldaten unterzubringen. Wie groß war die Zahl derjenigen, die auf einem Bauernhof einzogen, in einem Haus, einer Wohnung, in der schon eine französische Familie lebte? Wir wissen es nicht, aber diese sehr eigene Unterbringungsweise wird zum Sinnbild der deutschen Besatzung. Kaum irgendwo anders wird die Anwesenheit des Feindes stärker spürbar als im eigenen Badezimmer.

    Kein Wunder also, dass in diesem Alltagsleben aus dem Feind ein Kumpel wurde, teils gar ein Liebhaber. Zudem waren immerhin zwei Millionen Franzosen als Kriegsgefangene oder im Arbeitsdienst im Deutschen Reich. Die Französinnen, die dem Charme der deutschen Besatzer erlegen waren, wurden nach Kriegsende geschoren, halbnackt durch die Straßen getrieben, ausgegrenzt. Die aufgebrachte Menge verschonte zwar die Kinder, aber auch sie wurden Opfer, meint Fabrice Virgili:

    "Viele Kriegskinder erzählten mir dasselbe: Unter einer gesellschaftlichen, politischen Ausgrenzung hatten sie wenig zu leiden. Viel schlimmer war es, von der eigenen Mutter abgelehnt zu werden. Vom Stiefvater oder auch vom Opa, der im Ersten Weltkrieg war und nicht akzeptieren kann, dass es in der Familie ein Kind gibt, das vom Feind gezeugt wurde."

    Solche Ressentiments kennt Huguette Meddas nicht. 62 Jahre lang war sie offiziell die Tochter eines Franzosen. Nun sitzt die zierliche Rentnerin in der kleinen Pariser Wohnung mit ihrem Mann am Schreibtisch, hinter der Essecke, blättert in Unterlagen und surft durchs Internet. Sucht ihren wahren Vater. 64 ist Huguette nun, ihre Gesichtszüge sind jugendlich geblieben, ihr Lachen ist herzlich. Erst vor zwei Jahren, kurz vor deren Tod, hat sie ihrer Mutter ein Geständnis abgerungen: Sie entstammt einer Romanze mit einem deutschen Wehrmachtsangehörigen. Von ihrem Erzeuger weiß Huguette nur: Otto hieß er, kam wohl aus Norddeutschland und war ein schmucker Offizier.

    Doch damit ihr die WAST, das Berliner Archiv, das die Unterlagen aller Wehrmachtsangehörigen verwaltet, helfen kann, muss Huguette den Namen, den Geburtstag, den Geburtsort ihres Vaters herausfinden. Ihr Gatte Jacky hilft bei der mühsamen Spurensuche:

    "Deine Mutter hat doch erzählt, dass Dein Vater unten am linken Uniformärmel einen aufgenähten Doppelbalken trug. Ich habe beim Armeemuseum im Invalidendom nachgehakt, ob es sich dabei um ein Abzeichen für eine bestimmte Truppe oder einen Grad handelt. Laut dem Armeemuseum könnte es das Abzeichen einer Schützeneinheit sein."

    "Meine Mutter konnte mir nicht schildern, wie seine Uniform genau aussah. Sie wusste gerade noch, dass er eine Mütze trug. 91 war meine Mutter und bettlägerig. Da dachte ich mir: Ich muss es ihr nun endlich sagen. Das ganze Leben lang hatte ich das Gefühl, dass der Mann, mit dem sie Jahrzehnte zusammengelebt hat, nicht mein Vater sei. Ich habe mich immer zutiefst geschämt, so etwas zu denken. Doch eines Tages habe ich das meiner Mutter ins Gesicht gesagt. Du Dummkopf, antwortete sie nur. Aber in dieser Bemerkung steckte so viel Zärtlichkeit, dass ich beim nächsten Besuch nachhakte. Und da gab sie es dann zu, dass ihr Mann nicht mein Erzeuger ist. Und ich war einfach nur glücklich, dass meine innere Stimme mir die Wahrheit gesagt hat. Ich fragte sie: Hast du meinen Vater geliebt? Ja, ich habe ihn geliebt, antwortete sie. Und ich sagte: Dann war ich keine Last für Dich? Nein, meinte sie, im Gegenteil."

    In ihren Kindern sucht Huguette nun die Züge, das Erbe ihres eigenen leiblichen Vaters. Intelligent, schön, tatkräftig sei er gewesen, hat die Mutter ihr noch verraten.

    "Manchmal sagen mir die Leute: Und wenn Du nun herausfindest, dass Dein Vater ein SS-Mann war? Mama hat immer gesagt, er war nicht bei der SS. Aber selbst wenn sie sich getäuscht hätte oder wenn er sie getäuscht hätte: Es ist doch immer gut, seine Abstammung zu kennen. Ich bin auf alles gefasst. Auch darauf, sollten wir ihn wiederfinden, dass er sagt, er wolle mich nicht sehen. Natürlich wünsche ich mir, er würde mich mit offenen Armen empfangen."

    "Manchmal träume ich im tiefsten Inneren von dir. Und dann gehörst du ganz mir. Und ich bin glücklich. Doch wenn ich aufwache, gibt es dich nicht."

    Singt Noel. Ein Weihnachtsgeschenk an seine Mutter, ein Kriegskind auf der Suche nach dem Vater, wie Huguette, wie viele andere.

    "Ich möchte dich an meine Seele drücken, dir meine Kinder zeigen, mit dir lachen und weinen."

    Monique Cordier fand vor einem guten Jahr die Spur des Vaters. Genauer: dessen Tochter aus deutscher Ehe. Bilder des neuen grenzüberschreitenden Familienlebens hat die aufgeräumte, leicht mollige Blondine zum Jahrestreffen des Kriegskindervereins in die Auvergne mitgeschleppt. Zwei dicke Fotoalben, gebunden wie richtige Bücher. Monique sitzt im Saal vor dem Podium, das mit Fähnchen in den deutschen und französischen Nationalfarben geschmückt ist, ihren Souvenirschatz auf den Knien. Ein Band enthält die Photos von der Hochzeit der deutschen Nichte. Da hielt Monique vor allen Gästen eine Rede, wie stolz sie sei, eine deutsche Familie zu haben. Noch wichtiger ist ihr allerdings die Rede ihrer Schwester. Der Text klebt im Fotoalbum:

    "Da schreibt meine Schwester: Mancher gewinnt im Lotto, einer brachte es gar auf acht Millionen Euro. Aber mir hat das Leben einen anderen Lottogewinn beschert: mit 65 habe ich eine Schwester in Frankreich gefunden und eine neue Familie dazu."

    Bei der Vollversammlung beschließen die ANEG-Mitglieder mit großer Mehrheit: das nächste Treffen, im kommenden Jahr, wird in Deutschland stattfinden. Präsidentin Nivoix-Sevestre kommentiert vom Rednerpult:

    "Diese Entscheidung freut mich ungemein. Denn zum einen feiern wir im Juni 2010 den fünften Geburtstag unseres Vereins. Und zum anderen: Bis dahin wird wohl schon ein Gutteil unserer Mitglieder die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten haben. Und das können wir dann ganz zünftig in Deutschland feiern."

    Im vergangenen Februar kündigt die Regierung in Berlin an, den französischen Kriegskindern die deutsche Staatsangehörigkeit zu bewilligen. Insofern sie das Abstammungsverhältnis zu einem Deutschen zweifelsfrei nachweisen können. Eine Geste der Wiedergutmachung, die Kriegskindern aus anderen Ländern bisher verwehrt blieb.

    Denn längst nicht nur in Frankreich zeugten Wehrmachtssoldaten Nachwuchs. 1986 schon gründet sich der Kriegskinderverbund in Norwegen: Seine Mitglieder sagen, sie seien von der Gesellschaft systematisch diskriminiert worden. Es folgen ähnliche Initiativen in Dänemark und Frankreich. Das norwegische Sozialministerium nimmt sich der einheimischen Kriegskinder an und verspricht Entschädigungszahlungen. Davon ist in Frankreich keine Rede, auch nicht bei den ANEG-Mitgliedern.
    Anfang Mai haben sich einige unter ihnen in einem Straßencafé nahe dem Pariser Triumphbogen verabredet, einen Katzensprung vom Sitz des deutschen Konsulats entfernt. Dort sind gerade Jeanine Nivoix-Sevestre und drei Mitstreiter vorstellig: um die ersten Einbürgerungsanträge persönlich abzugeben. Ein historischer Augenblick. Zurück im Café, resümiert die Vereinspräsidentin:

    "Selbst wenn ich in zehn Jahren meinen Vater finden sollte, kann ich dann immer noch einen Antrag stellen. Aber nur ich und nicht etwa meine Kinder. Und vererbbar ist die deutsche Staatsangehörigkeit auch nicht."

    Erbrechte etwa erhält keiner über die deutsche Einbürgerung. Die doppelte Staatsangehörigkeit beschert den französischen Kriegskindern nichts als einen deutschen Reisepass. Und die Möglichkeit, beim Umzug in die Bundesrepublik gegebenenfalls Sozialhilfe beantragen zu können. Aber dennoch hat die deutsche Initiative hohen Symbolwert. Angestoßen hat das Ganze Bernard Kouchner, der französische Außenminister. Seine Mitarbeiterin, eine deutschen Austauschbeamtin, hat Nivoix-Sevestre am Vormittag empfangen:

    "Die Beamtin erklärte uns, warum Kouchner sich für uns einsetzt. Vor Jahren traf er auf einen Deutschen, Enkel eines überzeugten Nazis. Das war bei einer längeren Mission im Kosovo. Die beiden kamen miteinander ins Gespräch, sie klopften sogar Skat. Vor allem haben sie viel miteinander diskutiert. Ich weiß nicht, ob ich das erzählen darf: Kouchner hat einige Familienmitglieder in Auschwitz verloren. Kein Wunder, dass er die Deutschen keineswegs im Herzen trug. Aber die Begegnung im Kosovo, zwischen dem Nazi-Enkel und dem, dessen Familie deportiert wurde, der intensive gemeinsame Austausch brachte beide Männer zusammen. Als Kouchner dann von uns Kriegskindern hörte, war es ihm ein Anliegen, dass keiner von uns am Rande der Gesellschaft bleibe."

    Im Visier hat Kouchner laut der ANEG-Präsidentin auch die Kriegskinder auf der anderen Rheinseite. Die Deutschen mit einem französischen Elternteil. Sei es ein Kriegsgefangener, ein Arbeitsdienstler. Oder ein Angehöriger der französischen Besatzertruppe nach dem Krieg.

    "Aber die Kriegskinder in Deutschland sind bislang in keinster Weise so organisiert wie wir hier. Sie haben keinen Verein, keine offizielle Gruppe gegründet, sie haben bis heute keine Ansprüche angemeldet."

    Wie zahlreich die "Franzosenkinder" in Deutschland sind, weiß keiner. Manch einer wird sein wahres Schicksal selbst gar nicht kennen. Nach Kriegsende holt der französische Staat solche Kinder gezielt aus Deutschland "heim". Dafür ändert die Regierung in Paris sogar das Staatsangehörigkeitsgesetz. Früher konnte nur ein französischer Vater seine Staatsangehörigkeit vererben, seither gilt auch als gebürtiger Franzose, wer eine französische Mutter hat.

    Eine Änderung, die das Leben von Gérard Portier einschneidend prägte. Er ist der ANEG beigetreten, dem Verein der französischen Kriegskinder. Obgleich er keinen deutschen Vater hat. Gérards Mutter kommt im Zweiten Weltkrieg aus Frankreich nach Bayern, zum freiwilligen Arbeitsdienst. Sie verliebt sich in einen Kriegsgefangenen, einen Juden aus der Ukraine. Und wird schwanger. Den neugeborenen Sohn überlässt sie vor ihrer Heimkehr einer deutschen Familie, die ihn herzlich aufnimmt. Mit einem unehelichen Kind kann die Französin ihrer Familie nicht unter die Augen treten. Gérard berichtet:

    "Sie hat mich in Bayern zurückgelassen. Und später, ich war knapp fünf Jahre alt, wurde ich von den französischen Behörden rübergeholt. Das weiß ich aus den Akten, die ich einsehen konnte. 1947 haben die Besatzermächte, die Amerikaner und die Franzosen, alle Gemeinden in Deutschland aufgefordert, Listen der Kinder mit einem ausländischen Elternteil zu erstellen. Da ich im Krankenhaus in Miesbach zur Welt kam, konnten die Behörden später meine Mutter in Frankreich ausfindig machen. Und sie haben sie fast gezwungen, zu unterschreiben, dass sie mich zurückfordert. So holten sie mich nach Frankreich und brachten mich erstmal ins Waisenheim. Eigentlich hätte ich dann meine Mutter wiederfinden sollen, aber sie erkrankte an TBC und konnte sich nicht um mich kümmern. So landete ich Jahre später bei einer Adoptivfamilie."

    Seit Kurzem melden sich in Österreich Besatzerkinder zu Wort. Ihre Väter gehörten zu den französischen Truppeneinheiten aus den damaligen nord- und schwarzafrikanischen Kolonien. Die Suche nach dem Erzeuger ist mühselig: Die französischen Archive sind schwer zugänglich. Gérard Portier ist der deutsch-französische Brückenschlag gelungen, kürzlich, bei einer Reise nach Miesbach. Dorthin, wo er damals der kleine Gerdi war:

    "Meine Reise, meine Pilgertour, sechzig Jahre, nachdem ich Miesbach verlassen musste, hatte ich unternommen, um allen Leuten dort zu danken. Denn heute ist mir bewusst, welche Risiken sie auf sich nahmen, um mich als Sohn bei sich zu behalten. Und dafür hat ihnen bis heute niemand gedankt."