Freitag, 29. März 2024

Archiv

Schmerzmittel-Missbrauch
Sportaussschuss will mehr Aufklärung

Ibuprofen, Paracetamol, Diclofenac: Schmerzmittel im Profi- und Amateursport sind ein Graubereich. Fakt ist aber, sie werden breitflächig und regelmäßig eingeworfen. Doch wie lässt sich das Problem beheben?

Von Mathias von Lieben | 27.01.2021
Ein Spieler wird während eines Spiels in der Hanball-Bundesliga auf dem Spielfeld von einem Arzt behandelt. Daneben stehen seine Mitspieler.
Missbrauch von Schmerzmitteln: Die Spielergewerkschaft Fifpro forderte konkrete Schutzmechanismen für Spieler und Spielerinnen, wie zum Beispiel verpflichtende Regenerationszeiten zwischen den Wettkampfbelastungen. (imago / RHR-Foto)
Sieben Sachverständigen waren geladen und sie waren sich bei der knapp zweistündigen Anhörung in einem Punkt einig. "Im Profi- und Leistungssport müssen wir davon ausgehen, dass ein missbräuchlicher Konsum von Schmerzmitteln stattfindet." So fasste es Dieter Leyk, Leiter der Forschungsgruppe Leistungsepidemiologie an der Deutschen Sporthochschule Köln, zusammen.
Bei der Frage, wie man das Problem beheben sollte – da war es mit den Gemeinsamkeiten dann aber recht schnell vorbei. Die vier geladenen Sportmediziner sagten: mit Aufklärung, Appellen, Transparenz und Prävention. Als zentrales Problem machten sie die freie, rezeptlose Verfügbarkeit von Schmerzmitteln aus – und damit eine schwer kontrollierbare Selbstmedikation. Zugleich betonten sie jedoch die Wichtigkeit eines durchaus sinnvollen, therapeutischen Einsatzes von Schmerzmitteln.
Schmerzmittel Ibuprofen
Warum der Fußball ein Schmerzmittelproblem hat
Profis und Amateure, die regelmäßig oder prophylaktisch Schmerzmittel einnehmen – bis zum Missbrauch: Das Rechercheprojekt "Pillenkick" zeigt eindrücklich, dass der Fußball ein Schmerzmittelproblem hat. Die Recherchen waren jedoch alles andere als einfach.
Der ehemalige Leichtathlet Thomas Wessinghage
Wessinghage:"Wir sind da in einer ganz schwierigen Situation"
Die Einnahme von Schmerzmitteln könne extrem gesundheitsschädlich wirken, sagte Mediziner und Ex-Leichtathlet Thomas Wessinghage im Dlf. Ein Problem sei, dass es zu viel Geld und Politik im Sport gebe.

Zwei Studien zum Konsum von Schmerzmitteln

Und Tim Meyer, der Mannschaftsarzt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, fügte hinzu: "Aus meiner Sicht sollten Schmerzmittel nicht auf die Dopingliste gesetzt werden." Zum einen ergäben sich durch die Einnahme von Schmerzmittel keine motorischen Vorteile, zum anderen sei der Verwaltungsaufwand riesig, wenn jede Kopfschmerztablette als Dopingmittel angegeben werden müsse.
Meyer bestätigte darüber hinaus, dass der DFB eine wissenschaftliche Studie zum Konsum von Schmerzmitteln im Amateurfußball auf den Weg gebracht habe. Die Nationale Anti Doping Agentur dürfte den Ergebnissen daraus schon in Kürze vorgreifen, wenn ihre Studie zum Schmerzmittelkonsum von Fußballern wie heute angekündigt publiziert wird. Pauschale Verbote nein, Prävention ja. Das war auch die Haltung der Nada-Vorstandsvorsitzenden Andrea Gotzmann.

Spielergewerkschaft fordert konkrete Schutzmechanismen

Nur Prävention, das sei ihm zu wenig, sagte hingegen Jonas Bär-Hoffmann, der Generalsekretär der Spielergewerkschaft Fifpro. Er forderte konkrete Schutzmechanismen für SpielerInnen - wie z.B. verpflichtende Regenerationszeiten zwischen den Wettkampfbelastungen. In der Verantwortung sieht er dabei auch die Organisatoren, die den Wettkampfkalender immer mehr verdichten würden: "Weil die kommerziellen Interessen der verschiedenen Organisatoren momentan keinen dazu bewegen, auch nur einen Spieltag abzugeben. So ehrlich muss man sein."

Abgeordnete Dassler: auch Schmerzmittel auf die Dopingliste

Britta Dassler, Obfrau der FDP im Sportausschuss, forderte angesichts der heute geschilderten Tragweite des Schmerzmittel-Missbrauchs gegenüber dem Deutschlandfunk: "Dann müssen eben auch Schmerzmittel auf die Dopingliste. Weil wenn wir von sauberem Sport reden, kann es nicht sein, dass um Leistungssteigerung zu erwirken, Schmerzmittel eingenommen werden, die aber nicht getestet werden." Eine Position, der sich auch die Sportausschussvorsitzende Dagmar Freitag von der SPD anschloss.