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Schmidt: Ärzte sind erleichtert über Entscheidung zur "Pille danach"

Rudolf Schmidt sagt, dass Ärzte seines Vereins über die Freigabe der "Pille danach" durch die deutschen Bischöfe erleichtert seien. Der Gynäkologe ergänzt, dass sicher weiterhin konservative Kollegen die Pille ablehnen werden. Dennoch sei mit der Erlaubnis der Kirche ein Signal gegeben worden.

Rudolf Schmidt im Gespräch mit Martin Zagatta | 23.02.2013
    Martin Zagatta: Nach heftiger Kritik haben die deutschen Bischöfe einen Kurswechsel vollzogen: Die Pille danach darf jetzt auch in katholischen Krankenhäusern an vergewaltigte Frauen abgegeben werden, wenn - so wurde betont -, wenn sie die Befruchtung verhindert und nicht abtreibt. So hat es die Deutsche Bischofskonferenz beschlossen. Was bedeutet das konkret? Wie gehen katholische Krankenhäuser ab sofort mit vergewaltigten Frauen um? Das können wir jetzt Rudolf Schmidt fragen, Gynäkologe im Vorstand des Vereins Katholische Ärztearbeit Deutschlands. Guten Morgen, Herr Schmidt!

    Rudolf Schmidt: Guten Morgen!

    Zagatta: Herr Schmidt, bisher mussten Ärzte in katholischen Krankenhäusern ja eine Bestrafung fürchten oder Konsequenzen fürchten, wenn sie die Pille danach verschrieben haben oder hätten. Sind Sie und Ihre Kollegen jetzt erleichtert, dass die katholischen Bischöfe mit diesem Kurswechsel diesen Druck von der Ärzteschaft genommen haben?

    Schmidt: Das sind sie sicher. Die Kollegen sind sicher erleichtert, dass sie jetzt in der Hand etwas freie Hand haben.

    Zagatta: Ist dieser Druck jetzt generell genommen, oder gibt es da noch Zweifel?

    Schmidt: Da gibt es eigentlich jetzt keine Zweifel mehr.

    Zagatta: Wie ist das mit dieser Pille? Da hat ja Bischof Zollitsch, das haben wir auch gehört, gesagt, das ist in dem Moment möglich, wenn diese Pille eine Befruchtung verhindert und wenn sie keine abtreibende Wirkung hat. Lässt sich das denn so genau unterscheiden? Da sind ja Experten offensichtlich unterschiedlicher Meinung.

    Schmidt: Nun, die Pille danach ist ja eine Zusammensetzung von einem Östrogen und einem Gelbkörperhormon. Das sind die gleichen Hormone, die auch in der Verhütungspille, also in der Pille, gegeben werden. Und diese Wirkung ist an verschiedenen Stellen, unter anderem auch in der, in dem sogenannten Zervixschleim, also in dem Schleim im Gebärmutterhals - dadurch wird dieser Schleim verändert und die Spermien können überhaupt nicht durch den Schleim durchwandern. Zweitens in einer Veränderung der Gebärmutterschleimhaut, drittens in einer Veränderung der Mobilität, der Beweglichkeit des Eileiters, in dem ja dann die Befruchtung erst stattfindet. Also können die Spermien dann überhaupt zu dem Ei, zu dem Follikel, kommen.

    Insofern ist das also eine Verhütung und keine Abtreibung. Erst, wenn der Follikel befruchtet ist, wenn also eine Schwangerschaft besteht, im frühesten Anfangsstadium, erst dann könnte man von einer Schwangerschaft sprechen und dann erst von einer Abtreibung. Also, die Pille hat so viele Wirkungen, die Pille danach hat so viele Wirkungsmöglichkeiten, dass man relativ sicher annehmen kann, dass es keine Abtreibung in dem Sinne und keine Schwangerschaft besteht, die dann abgetrieben wird. Außerdem sind die Hormone selbst kein Abtreibungsmittel. Sie können also, wenn eine Schwangerschaft bereits besteht, schon vorher, mit dieser Pille nicht abtreiben.

    Zagatta: Wie schnell muss da eine, nach dem, was Sie uns da sagen, wie schnell muss da eine vergewaltigte Frau in ein Krankenhaus kommen, diese Pille erhalten, damit eine Abtreibung dann erst gar nicht eintreten muss?

    Schmidt: Möglichst bald!

    Zagatta: Das ist klar. Aber was heißt das?

    Schmidt: Na ja, gut, das heißt, in den ersten drei, vier Stunden, mindestens. Man soll es also mindestens in den ersten zwölf Stunden geben, dann. Also je früher, desto besser.

    Zagatta: Danach, ab wann, ab welchem Zeitpunkt, sagen Sie, wäre dann mit einer abtreibenden Wirkung zu rechnen - oder dann gäbe es das gar nicht mehr?

    Schmidt: Wenn es überhaupt in dem Augenblick einen Eisprung gegeben hat. Das wäre ja zufällig, ja.

    Zagatta: Natürlich.

    Schmidt: Wenn es einen Eisprung gegeben hat, dann gibt es ja, dann kann es noch gar keine Schwangerschaft geben. Außerdem kommt jetzt noch dazu, dass diese Pille natürlich einen Eisprung in den nächsten Stunden verhütet. Der Eisprung findet dann nicht statt, verhindert den Eisprung. Damit kann natürlich auch keine Schwangerschaft eintreten. Wenn eine Schwangerschaft schon besteht, ich glaube, das habe ich eben schon mal gesagt, wenn eine Schwangerschaft schon besteht, dann besteht die weiter. Die Pille danach, die sogenannte Pille danach, wirkt dann nicht mehr.

    Zagatta: Dann kann sie aber auch keinen Schaden anrichten?

    Schmidt: Dann kann sie auch keinen Schaden einrichten.

    Zagatta: Das heißt, in der Praxis sieht es dann so aus, wenn eine vergewaltigte Frau, die zeitlichen Umstände sind ja dann manchmal etwas noch unklar unter Umständen, zu Ihnen kommt in katholische Krankenhäuser, dann verabreicht man der jetzt dann auch die Pille danach, dann hat man keine - das kann dann jeder Arzt machen und muss mit keinen Schwierigkeiten rechnen, und das ist dann auch sinnvoll?

    Schmidt: Ja, so würde ich das sehen, ja.

    Zagatta: Sehen das alle so? Wir haben gestern mit einer Organisation gesprochen, die sich Bund Katholischer Ärzte nennt, die haben da große Bedenken und sagen, Katholiken können das eigentlich nicht machen, das Leben gehe vor.

    Schmidt: Ja, erstens ist - wissen sie denn überhaupt, ob schon Leben besteht? Aber es gibt natürlich auch im Bereich der Ärzteschaft sehr konservative Kollegen, die das wahrscheinlich nach wie vor ablehnen. Aber wenn jetzt die Kirche ein Plazet gegeben hat, also die Erlaubnis gegeben hat, in der Einsicht der Wirkung dieser Pille danach, also dass sie auch schwangerschafts-, also ovulationsverhindernd wirkt, dann kann man eigentlich nichts mehr dagegen haben. Aber es gibt natürlich überall, wie in jeden Kreisen, ganz Strenge, die sich nicht an die, sogar an die Meinung der Kirche halten, noch strenger sind wie die offizielle katholische Kirche. Und da kann man halt nichts machen, die gibt es halt. Jeder hat so seine eigene Meinung.

    Zagatta: Heißt das dann in der Praxis, riskiert eine vergewaltigte Frau dann noch, an so einen Arzt zu kommen in katholischen Krankenhäusern oder gehen Sie jetzt davon aus, dass jetzt alle Krankenhäuser deutschlandweit das umsetzen und ihre Ärzte dann auch verpflichten? Und wer das nicht mitmachen will, der soll sich eben einen anderen Job suchen.

    Schmidt: Also, ich gehe davon aus, dass die Frauen, die zum Arzt gehen müssen in dem Fall, dass die überhaupt nicht zu einem solchen Kollegen kommen. Verstehen Sie? In den katholischen Krankenhäusern wird es solche Kollegen, die so streng, nach altem Maßstab handeln, werden die überhaupt nicht in den Krankenhäusern sein. Also, da hab ich gar keine Bedenken.

    Zagatta: Also Sie gehen davon aus, ein katholisches Krankenhaus, dort kann sich jetzt auch der einzelne Arzt nicht mehr weigern, bei einer Vergewaltigung der Frau die Pille danach zu verschreiben.

    Schmidt: Nein, das kann er eigentlich nicht. Konnte er meines Erachtens auch früher schon nicht.

    Zagatta: Ja, da gab es aber denn ja eben diese Streitfälle, nicht?

    Schmidt: Ja, ja, natürlich, aber ich muss noch was anderes dazu sagen: Viele Krankenhäuser sind überhaupt nicht in der Lage, eine Frau, die vergewaltigt worden ist, richtig zu untersuchen. Zu einer solchen Untersuchung - und ich habe selbst das jahrelang in der Universitätsfrauenklinik gemacht in Freiburg - ist ein ganzes Team notwendig. Es muss ja auch die kriminologische, die gerichtsmedizinische Dokumentation und Untersuchung, Spurensuche und so weiter, muss alles gemacht werden. Und dazu gibt es eigentlich in jeder Stadt - in jeder Stadt - ein Krankenhaus, das das vornimmt. Und dann - und die finden im Allgemeinen an großen städtischen Krankenhäusern oder an der Universität und nicht in den katholischen Krankenhäusern, die ja meistens kleiner sind.

    Zagatta: Das heißt, in der Praxis leisten Sie dann Erstversorgung und leiten die Frauen dann entsprechend weiter.

    Schmidt: Wenn Sie verletzt sind, Erstversorgung, ja.

    Zagatta: Aber dieser Streitfall, der die ganze Diskussion aufgeworfen hat, der wird jetzt mit der Entscheidung der Bischöfe, das können wir, glaube ich, festhalten nach diesem Gespräch mit Ihnen, der ist aus Ihrer Sicht jetzt ausgeräumt?

    Schmidt: Ja!

    Zagatta: Bestens. Dann bedanke ich mich für das Gespräch. Das war Rudolf Schmidt, Gynäkologe im Vorstand des Vereins Katholische Ärztearbeit Deutschlands. Herr Schmidt, ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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