Mittwoch, 24. April 2024

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Deutschlandpremiere von Martin Puntigam
Schmutzige Details eines Scheidungskriegs

Getarnt als Lebensrückblick eines Glückspilzes macht der österreichische Kabarettist Martin Puntigam in seinem neuen Solo eine Unglücks-Bilanz auf. Doch die Mischung aus persönlichen Pech-Erfahrungen und globalen Katastrophen-Szenarien lässt das Abgründige vermissen.

Von Christoph Leibold | 07.11.2019
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Der österreichische Kabarettist Martin Puntigam mit "Glückskatze" (© Lukas Beck)
50 Jahre ist Martin Puntigam ist jetzt alt. Und seit 30 Jahren steht er auf der Kabarettbühne. Ein doppeltes Jubiläum, und als solches der willkommene Anlass, um im neuen Solo "Glückskatze" Rückschau zu halten.
"'Glückskatze', warum jetzt 'Glückskatze'? Das löse ich schnell noch auf. Natürlich, ganz die prosaische Mitteilung: Weil ich in der Bilanzierung gesehen habe, dass ich einfach Glück gehabt habe!"
Freilich: Wo alles eitel Sonnenschein ist, wird es im Kabarett schnell öde. Das weiß auch Martin Puntigam. Und so lässt er die Bilanz eines vermeintlichen Glückspilzes bald ins Gegenteil kippen – wobei sich die Perspektive im Verlauf des Abends sukzessive weitet: vom privaten Pech hin zu globalen Katastrophen. Puntigam beginnt mit einer Erzählung über das Glück aus Kindertagen, über das sich jedoch bald ein Schatten der Grausamkeiten legte.
"Für uns Buben: Spezial! Eierquetschen. Ausgreifen. Wahnsinn! In meiner Kindheit, was da ‚gesackelt‘ worden ist – irre! Also, wenn es da Nachwuchsförderung gegeben hätte, wenn das olympisch gewesen wäre!"
Es fehlt das Abgründige
Auch im Erwachsenen-Leben verkehrt sich Glück in Unglück: der Seitensprung mit der Putzfrau bedeutet das Ende einer einst harmonischen Ehe. Das ist eine Geschichte, bei der Martin Puntigam ja nun die Glückskatze aus dem Sack beziehungsweise die Sau raus lassen könnte, um sich in den schmutzigen Details eines Scheidungskriegs zu suhlen. Der gebürtige Grazer war immer schon einer, der seinem Publikum gern Dreck unter die Nase rieb. So wie man eine Katze mit der Schnauze in das Häuflein stößt, das sie nebens Katzenklo gemacht hat. Und tatsächlich zählen auch diesmal Fäkalhumor und schmuddelige Sexfantasien zu Puntigams bevorzugtem Terrain. Doch scheint es so, als würde er sich nur gewohnheitsmäßig dort tummeln. Puntigams Eheschlacht fehlt das Abgründige früherer Programme nahezu komplett.
"Ich möchte mich von meiner Frau ja nicht trennen, aber sie ist nicht mehr runtergestiegen, ist immer ärger geworden, bis hin zu abfälligen Beschimpfungen richtig. Wie sie gesagt hat: 'Aha! So weit ist es also schon gekommen. Jetzt reicht sogar schon die Putzfrau, jetzt bist Du sogar zu faul ins Puff zu gehen!' Also, ich weiß nicht, wie das in Deutschland gehandhabt wird, aber in Österreich wird in den Bordellen noch immer sehr viel geraucht. Und ich bin, wie gesagt, Asthmatiker."
Das große Unglück dieser Welt
Martin Puntigams "Glückskatze" hat also einen ordentlichen Kater, und es dauert bis weit in die zweite Hälfte des Abends, ehe Puntigam zumindest ansatzweise die Krallen ausfährt – dann nämlich, wenn es ums große Unglück dieser Welt geht: etwa um den drohenden Klimakollaps.
"Selbst wenn jetzt alle Alten endlich auf die Jungen hoffen, auf die Fridays for Future. Jetzt sagen alle Alten: 'Endlich kommen die Jungen und richten es für mich!', aber sie sind nicht mal in der Lage, den Namen von Greta Thunberg richtig auszusprechen. Die heißt überhaupt nicht 'Thünberg'. Die heißt in Wirklichkeit greːta ʹtʉːnbærj. Ganz einfach. Aber wie sie unlängst in Wien war, steht sie in der Hofburg neben dem Bundespräsidenten von Österreich und sagt 'Hello, I am greːta ʹtʉːnbærj!' und dann sagt er, er ist so beeindruckt von der Greta Thunberg. Derselbe Typ, der paar Tage vorher bei der Pressekonferenz zum Ibiza-Video hat unbedingt sagen müssen 'iʹbiːsa. iʹbiːsa!' Das geht, ein paar mal hintereinander, damit alle merken, das hat er sich gemerkt. Aber greːta ist zu kompliziert. Oder ist das wurscht, weil es nur eine junge Frau aus Schweden ist? Und solche glauben, dass sie die Kurve noch kriegen mit dem Klimawandel? Eher nein, würde ich schätzen."
Martin Puntigam dagegen hätte ein interessantes Rezept, wie man den Klimawandel noch verhindern könnte: Es bräuchte eine "mittlere Katastrophe", sagt er. Eine Pestepidemie zum Beispiel, die die Menschheit radikal dezimiert. So gäbe es auch weniger Treibhausgase. Dumm nur, dass viele von uns die Rettung der Erde dann nicht überleben würden. Bei dieser bitteren Pointe hätte es Puntigam belassen sollen. Stattdessen referiert er aber noch ausführlich, wie er persönlich sich glücklich über das Massensterben hinüberzuretten gedenkt – mittels einer skurrilen Spritzenkur nämlich, die abgefahren klingen soll, deren Erläuterung sich aber leider nur umständlich hinzieht. Die Kabarett-Glückskatze kann da nur müde abwinken.