Donnerstag, 28. März 2024

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Schneechaos in Bayern
"Lawinengefahr nimmt massiv zu"

Weil die Einsatzkräfte vor Ort die starken Schneefälle nicht mehr bewältigen können, habe er den Katastrophenfall ausgerufen, sagte Georg Grabner, Landrat im Berchtesgadener Land, im Dlf. Wegen der erwarteten Regenfälle werde die Schneelast und damit die Gefahr durch Lawinen weiter steigen.

Georg Grabner im Gespräch mit Martin Zagatta | 12.01.2019
    07.01.2019, Bayern, Garmisch-Partenkirchen: Die Straße nach Österreich ist am Grenzübergang Mittenwald-Scharnitz auf Grund der Lawinengefahr gesperrt. Foto: Angelika Warmuth/dpa | Verwendung weltweit
    Heftige Schneefälle: In Teilen Süd-Bayerns wurde der Katastrophenfall ausgerufen (dpa/Angelika Warmuth)
    Martin Zagatta: Georg Grabner ist der Landrat im Berchtesgadener Land und hat dort den Katastrophenfall ausgerufen. Guten Morgen, Herr Grabner!
    Georg Grabner: Guten Morgen!
    Zagatta: Herr Grabner, ich nehme an, Sie haben eben interessiert zugehört. Das klingt ja schon ein bisschen dramatisch. Wie sieht es heute Morgen denn bei Ihnen aus in Bad Reichenhall?
    Grabner: Genau so, wie es eben geschildert wurde. In den Tallagen regnet es bis in mittlere Lagen, und in den höheren Lagen schneit es. Und wir sind natürlich darauf eingestellt, dass sich die Situation weiter zuspitzen wird.
    Zagatta: Sie haben ja den Katastrophenfall schon ausgerufen. Haben Sie das gemacht, weil das die Voraussetzung dafür ist, dass Sie die Hilfe der Bundeswehr anfordern können? Oder wie schätzen Sie das ein? Sind diese starken Schneefälle jetzt für Sie tatsächlich eine Katastrophe?
    Einsatz von Bundeswehr und Technischem Hilfswerk
    Grabner: Es ist so, dass wir schon seit dem 5. Januar zum Teil massive Schneefälle haben und beispielsweise örtliche Feuerwehren schon im Dauereinsatz waren. Und die Situation hat sich am Freitag jetzt so zugespitzt, dass wir, die Einsatzkräfte, Organisationen und die Bürgermeister auch erklärt haben, sie schaffen es mit den regionalen Kräften nicht mehr.
    Und das ist genau der Punkt, wo man sich dann überlegen muss, wie geht es weiter. Und deswegen habe ich dann den Katastrophenfall erklärt, damit wir eben, weil die örtlichen Kräfte das nicht mehr schaffen, zusätzliche Kräfte holen können. Und deswegen habe ich um 10:15 Uhr am Freitag den Katastrophenfall für den südlichen Landkreisteil, also den Berchtesgadener Talkessel, erklärt, und für eine Gemeinde im nördlichen Landkreis, nämlich an der Autobahn, auch in einer höheren Lage, dieser Ortsteil.
    Und das hat natürlich dazu geführt, dass wir Kräfte der Bundeswehr anfordern können, dass wir Technisches Hilfswerk anfordern können und dass die Führungsgruppe Katastrophenschutz am Landratsamt gebildet wird. Das heißt, die ganzen Einsätze werden zentral gesteuert.
    "Gefahr von Nassschneelawinen enorm hoch"
    Zagatta: Haben Sie den Eindruck, Sie haben das jetzt alles im Griff, oder sind Sie besorgt?
    Grabner: Im Griff … Wir haben ja leidvolle Erfahrungen mit Katastrophenfällen. Ich erinnere nur an das Eishallenunglück 2006, wo in Bad Reichenhall –
    Zagatta: Bei Ihnen in Bad Reichenhall, ja, da waren Sie auch schon Landrat damals.
    Grabner: Da war ich auch schon Landrat. Dann hatten wir zweimal Waldbrand, zweimal Hochwasser. Also, von der Organisation her haben wir das alles im Griff. Das Wetter haben wir natürlich nicht im Griff. Und jetzt ist es ja, wie wir eben auch gehört haben, das Problem, dass durch diese Regenfälle die Schneelast weiter ansteigt und die Lawinengefahr massiv zunimmt. Denn es gibt keine Verbindung zwischen dem Boden und dem Schnee, weil der Boden nicht gefroren ist und der Schnee nicht anfrieren konnte. Deswegen ist die Gefahr von Nassschneelawinen wahrscheinlich enorm hoch, und darauf müssen wir uns auch vorbereiten.
    "Von Skitouren kann man nur abraten"
    Zagatta: Das Berchtesgadener Land, das lebt ja vom Tourismus. Wie ist das denn im Moment? Also heute ist Samstag, da reisen die einen ja ab, die anderen wollen kommen. Sollen die im Moment noch kommen, oder wäre es Ihnen lieber, die Menschen bleiben da mal weg in dieser Situation?
    Grabner: Nein, erstens mal gibt es abseits vom Skifahren eine Vielzahl von Möglichkeiten für Urlaubsgäste, von Thermen bis zur Dokumentation und so weiter. Wir haben viele Möglichkeiten. Zum anderen gibt es auch gesicherte Skipisten. Aber von Skitouren kann man natürlich nur dringend abraten. Da wäre es viel zu gefährlich aufgrund der Lawinengefahr.
    Zagatta: Können Sie das auch noch genießen da, Ihr Umland? Oder müssen Sie jetzt am Wochenende da selbst noch eingreifen?
    Grabner: Von Genießen ist im Moment da nicht viel zu spüren. Wir sind natürlich im Einsatz, und wir haben mehrmals täglich Lagebesprechungen, und man muss immer auf dem Sprung sein, wenn es irgendwas zu entscheiden gibt, natürlich.
    Zagatta: Aus Bad Reichenhall Georg Grabner, der Landrat im Berchtesgadener Land. Herr Grabner, herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute!
    Grabner: Gern, vielen Dank! Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.