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Schnelle Hilfe zählt

Bei jedem zehnten Unfall im Kindesalter handelt es sich um eine Verbrennung oder Verbrühung. Besonders gefährdet sind Kinder im "Entdeckungsalter" zwischen dem ersten und dem vierten Lebensjahr. Wegen ihrer dünnen Haut sind sie verletzlicher als Erwachsene. Häufig führen schon wenige Sekunden Kontakt mit Heißem zu schweren Wunden. Dann werden oft auch noch Fehler bei der ersten Hilfe gemacht.

Von William Vorsatz | 02.09.2008
    Kinderchirurgie an der Berliner Charité. Momentan ist es vergleichsweise ruhig. Stationsärztin Dr. Anke Küsel:


    "Heute haben wir kein Kind mit einer thermischen Verletzung aufgenommen, sonst haben wir relativ oft Patienten da. "

    Etwa 140 Verbrennungen und Verbrühungen sind es im Jahr, die hier stationär behandelt werden. Die Notaufnahme liegt unmittelbar gegenüber der Kinderchirurgie. Schon ein Blick aus dem Fenster verrät den Ärzten, welche Kinder mit Verbrennungen oder Verbrühungen ankommen. Sie sind in große Decken gewickelt, darunter kühlen nasse Umschläge die Wunden. Thermisch schwerverletzte Kinder kommen sofort in einen sterilen Raum, um Infektionen zu vermeiden.

    "Der erste Verbandswechsel am Unfalltag wird in Narkose, also bei schwergradigen Verletzungen vorgenommen, und dann lässt man die Verbände möglichst, wenn es geht, fünf Tage zirka ohne Manipulation, und wird dann den Verbandswechsel in Narkose auch machen, so lange verbleiben die Patienten hier, und dann kann man in Narkose den Lokalbefund beurteilen, und entscheiden, ob man weitere Manipulationen vornimmt oder nicht, ansonsten werden sie ambulant auch weiter versorgt. "

    Es hat sich viel getan bei der Behandlung von Verbrennungen und Verbrühungen. Früher mussten die betroffenen Kinder nach schweren Unfällen oft ein Leben lang mit entstellenden Narben leben. Jetzt können die Ärzte in den hoch spezialisierten Kliniken für thermisch schwer Verletzte zunächst das tiefere Gewebe langsam wieder aufbauen. Danach verpflanzen sie Oberhaut von anderen Körperstellen des Kindes auf die verheilende Wunde. Professor Harald Mau ist Chef der Kinderchirurgie:

    "Wir sind sehr stolz darauf, dass wir thermisch verletzte Kinder, bei denen zunächst mal vom Ausmaß der Verbrennung mit dem Überleben nicht zu rechnen war, heute als Besucher auf der Station hier empfangen. Das sind dann die schönen Momente, wo man sagt, die Arbeit von Monaten, die hat sich wirklich gelohnt."

    Die Eltern der verletzten Kinder machen sich oft im Nachhinein schwere Vorwürfe, weil sie den Unfall nicht verhindert haben. Engagierten Ärzten wie Professor Mau ist es aber wichtig, Eltern und Betreuer rechtzeitig zu informieren, bevor es zu Unfällen kommt. Kleine Kinder im Entdeckungsalter zwischen dem ersten und vierten Lebensjahr verbrühen sich vor allem Gesicht und Rumpf, weil sie oft heiße Flüssigkeit herunter reißen. Beispielsweise, wenn sie von unten an der Tischdecke ziehen:

    "Ganz typisch sind die Unfälle, die durch das herab reißen eines Wasserkochers bedingt sind. Die dann für das Kind unsichtbar, oberhalb seiner Sichthöhe, stehen, aber die Strippe, die dazu einlädt, also das elektrische Kabel lädt dazu ein, an dem Gerät zu ziehen. Mal sehen, was an der Strippe hinten dran ist, denkt das kleine Kind, und reißt sich auf diese Weise einen Wasserkocher hinunter. "

    Je kleiner das Kind ist, desto schwerer wirkt sich die Verbrühung oder Verbrennung auf den Gesamtorganismus aus. Deshalb ist es so wichtig, sofort nach einem Unfall schnell und effektiv zu helfen. Die Hitzewirkung muss sofort unterbrochen werden. Dazu ist die Verletzung zu kühlen. Es sollte allerdings kein Eis verwendet werden, denn das kann zum Gegenteil führen, zu Erfrierungen an der Wunde. Außerdem darf das Kind nicht unterkühlt werden, warnt Professor Mau von der Charité:

    "Man weiß also, Wasser von 15 Grad Temperatur und nicht länger als 20 Minuten angewendet, ist eine richtige Maßnahme. Trotzdem, jede Art von Kühlung mit einem möglichst sauberen Tuch und mit kaltem Wasser ist immer besser, als alles andere und vor allem besser, als gar nichts zu tun. "

    Verbrühungen oder Verbrennungen bei Kindern dürfen nicht bagatellisiert werden. Sachkenntnis ist nötig. Oft erkennen die Eltern den Grad der Verletzung nicht, weil die Wunden eher harmlos aussehen. Wie gefährlich sie sind, kann im Zweifelsfall nur ein Arzt entscheiden.