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Schönbohm gibt einer Verfassungsbeschwerde keine Chance

Der Innenminister von Brandenburg und CDU-Präsidiumsmitglied Jörg Schönbohm hat sich überzeugt geäußert, dass die Verfassungsbeschwerde der Abgeordneten Hoffmann und Schulz keinen Erfolg haben werde. "Ich denke, sie wird Bestand haben", sagte Schönbohm zur Entscheidung des Bundespräsidenten.

Moderation: Burkhard Birke | 22.07.2005
    Burkhard Birke: Und mitgehört hat Jörg Schönbohm, er ist brandenburgischer Innenminister von der CDU. Herr Schönbohm, befürchten Sie, dass die Karlsruher Richter jetzt nach der Klage von Frau Hoffmann den wahrscheinlichen Siegeszug Ihrer Partei, der CDU, bei den anstehenden Wahlen noch stoppen wird?

    Jörg Schönbohm: Es geht nicht um unseren Siegeszug, sondern es geht darum, ob eine Entscheidung, die vom Bundeskanzler, dann vom Bundestag ausgegangen ist, vom Bundespräsident bestätigt ist, ob die Bestand hat oder nicht. Ich denke, sie wird Bestand haben, so dass wir dann tatsächlich in gut acht Wochen zur Wahl schreiten werden. Und dann geht es um die Frage, ob wir Deutschland verändern oder nicht. Und ich bin absolut sicher, dass die CDU deutlich stärkste Partei wird, die Regierung bildet, gemeinsam mit der FDP. Das ist unser Ziel. Und darum geht es.

    Birke: Herr Schönbohm, woher nehmen Sie die Zuversicht, dass die Verfassungsrichter nicht der Einschätzung von Frau Hoffmann folgen?

    Schönbohm: Ich habe noch mal alle Kommentare durchgelesen. Ich weiß, dass es unter Verfassungsjuristen unterschiedliche Auffassung gibt. Aber ich finde die tragenden Argumente des Bundespräsidenten in seiner Ansprache haben deutlich gemacht, er hat gesagt, er glaubt, dass dem Wohl des deutschen Volkes am besten gedient ist durch Neuwahlen. Und er hat das dann mit der Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung, Schwierigkeiten im föderalen System begründet.

    Und der zweite Punkt ist, dass es kein stetiges Vertrauen in den Bundeskanzler in den beiden Bundestagsfraktionen, die die Bundesregierung tragen, gibt. Und diese Frage des stetigen Vertrauens, hat der Bundespräsident dann gesagt, er hat dafür keine begründbare andere Bewertung. Und ich glaube, das ist der Schlüssel, um den es geht.

    Und der Bundeskanzler hat ihm ja offensichtlich begründet, dass dieses - er weiß, dass er dieses Vertrauen nicht bekommt für die schwierigen Entscheidungen, die diese Regierung - oder die künftige Regierung - zu treffen hat. Von daher gesehen denke ich, dass das die tragende Argumentation sein wird, die aber auch gleichzeitig deutlich macht, dass der Bundeskanzler an den eigenen beiden Fraktionen, Rot-Grün, gescheitert ist. Und von daher gesehen, wird das eine interessante Diskussion im Wahlkampf dann werden.

    Birke: Blicken wir mal in die Zukunft: Frau Hoffmann hat auch angeregt, der Bundestag möge ein Selbstauflösungsrecht bekommen in Zukunft. Plädieren Sie auch dafür?

    Schönbohm: Ja, also ich glaube, die Entscheidung in der Verfassung, dieses Selbstauflösungsrecht praktisch nicht vorzusehen, war begründet aus den Erfahrungen von Weimar. Inzwischen haben wir eine gefestigte Demokratie und ich könnte mir vorstellen, dass man zu einem Selbstauflösungsrecht des Bundestages kommt. Allerdings mit einem hohen Quorum.

    Wenn jetzt abgestimmt worden wäre, wäre eine überwältigende Mehrheit dafür gewesen. Ob das Zweidrittel oder Dreiviertel sind - ich vermute Dreiviertel wäre besser, damit auch ein Schutz der kleineren Parteien gewährleistet ist und die nicht das Gefühl haben und auch die Bevölkerung nicht das Gefühl hat, es wird manipulativ aufgelöst. Also ich denke, da wird es einen verfassungsrechtlich einwandfreien Weg geben, der auch die Minderheitenrechte wirklich gut genug schützt.

    Birke: Herr Schönbohm, damit ist ja gestern praktisch so der richtige, offizielle Startschuss für den Wahlkampf gefallen. Ein Volk, zwei Wahlkämpfe - in Ihrer Partei wird ja viel darüber nachsinniert, gegen die Stärke der Linkspartei hier einen Sonderwahlkampf im Osten zu machen. Sie sind dagegen, weshalb?

    Schönbohm: Also die CDU ist die Partei der deutschen Einheit. Nun können wir nicht im Jahr 15 der deutschen Einheit sagen: Jetzt machen wir mal zwei Wahlkämpfe, wie es 1990 war, als zum ersten Mal gewählt wurde. Und wir müssen jetzt erst einmal sagen, wenn es Deutschland gut geht, geht es auch den neuen Bundesländern gut. Und wenn es Deutschland schlecht geht, geht es den neuen Bundesländern noch viel schlechter.

    Darum müssen wir einen Wahlkampf machen gegen Rot-Grün auf Bundesebene und in den neuen Bundesländern - wie zum Beispiel auch in Brandenburg - müssen wir erklären, was dieses Programm für die Menschen bedeutet. Dann müssen wir erklären, wie wir die Arbeitslosigkeit bekämpfen wollen. Dann müssen wir erklären, wie wir mittelständische und kleine Unternehmen unterstützen wollen. Dann müssen wir erklären, wie wir entbürokratisieren, wenn möglich, mehr Freiräume schaffen. Das müssen wir in der Region, vielleicht in Brandenburg, anders erklären als in Baden-Württemberg, weil die Probleme hier anders sind. Aber das ist ein Wahlkampf für eine neue Bundesregierung. Das glaube ich, ist unstrittig. Und es war von einigen wenigen infrage gestellt, aber es war nie herrschende Auffassung.

    Birke: Sollte man denn aber nicht die Ostvergangenheit der Kanzlerkandidatin Angela Merkel nicht ein bisschen so vermarkten - Pardon den Vergleich - wie Spreewaldgurken oder andere Ostprodukte?

    Schönbohm: Also ich finde, am Beispiel Frau Merkel kann man sehr deutlich machen. Das Entscheidende an der ganzen Frage ist doch: Frau Merkel ist in der DDR groß geworden, sie ist sozusagen in der Bundesrepublik Deutschland wirklich angekommen, sie hat Politik mitgestaltet auf Bundesebene. Und dass eine mit der Biografie von Frau Merkel Kanzlerkandidatin für Gesamtdeutschland sein kann, das ist glaube ich das entscheidende Pfund.

    Ich bin in Brandenburg geboren, in Westdeutschland groß geworden, ich bin wieder zu Hause - was bin ich denn nun? Bin ich ein Westdeutscher, bin ich ein Ostdeutscher, was bin ich denn nun? Diese Gesäßgeografie sollten wir beenden und deutlich sagen: Es geht uns gemeinsam um das Ziel, Deutschland aufzubauen. Und das sind wir als Partei der deutschen Einheit glaube ich auch uns und unserem eigenen Verständnis schuldig. Regionale Ausprägung spielen eine Rolle, aber nicht für Bundespolitiker.

    Birke: Herr Schönbohm, Sie sind auch brandenburgischer Innenminister in einer Großen Koalition. Ist das das Modell für die Zeit nach der Wahl, wenn man sieht, dass die letzten Umfragen gestern gezeigt haben, dass die Union und FDP einerseits, SPD/Grüne und Linkspartei andererseits fast gleichauf sind?

    Schönbohm: Ich hoffe, dass das nicht das Ergebnis wird, werde dafür auch alles beitragen. Auf Landesebene ist es einfacher, weil die Landesprobleme zu mehr pragmatischem Handeln zwingen und die Gesetzgebungskompetenz der Länder doch eingeschränkt ist verglichen mit dem Bund. Und die SPD ist natürlich noch sehr stark geprägt von den Flügelkämpfen, sie zerlegt sich ja fast. Darum, ob die SPD nach der Bundestagswahl überhaupt ein verlässlicher Partner sein kann, wage ich zu bezweifeln. Darum muss unser Bestreben sein, deutlich so stark zu werden, dass wir - und wenn wir es mit einer geringen Mehrheit ist - die Regierung übernehmen können, gemeinsam mit der FDP. Und darum wollen wir alle gemeinsam arbeiten.