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Schöpfung aus dem Reagenzglas

Biologie. - Göttinger Genetiker berichten in einer aktuellen Fachzeitschrift über ihre Forschung an künstlichen Spermien, die sie aus Stammzellen von Mäusen gewonnen haben. Erstmals sei es gelungen, aus derartigem Ersatzsperma Säugetiere zu erzeugen. Professor Wolfgang Engel erläutert die Forschungen im Gespräch mit Gerd Pasch.

11.07.2006
    Wolfgang Engel: Wir haben embryonale Stammzellen der Maus genommen und haben diese Stammzellen ganz normal kultiviert. Diesen embryonalen Stammzellen haben wir eine Substanz beigesetzt, den Wachstums- und Differenzierungsfaktor Retinsäure unter Anwendung eines ganz bestimmten Protokolls. Wir haben dann diese so genannten haploiden Spermien-ähnlichen Zellen, die wir da generiert haben, genommen und haben diese Zellen, diese Spermien, in Eizellen verbracht und haben gezeigt, dass da Embryonen entstehen. Das haben andere auch schon gezeigt. Aber der entscheidende Punkt ist, dass wir diese Embryonen dann in pseudoschwangere Weibchen verbracht haben und dann lebendige Mäuse geboren worden sind. Das ist der entscheidende Anteil, den wir durch diese Arbeit geleistet haben.

    Pasch: Wie viele Tiere sind jetzt zur Welt gekommen und wie war ihr Zustand?

    Engel: Es sind zwölf Tiere geboren worden. Sie sehen, wie schwierig das Verfahren ist, denn wir haben 65 solcher Embryonen erhalten, das heißt nachdem wir die Eizellen mit diesen Spermien-ähnlichen Zellen befruchtet haben, nachdem wir es da hinein geschossen haben, sind zwölf Tiere geboren worden. Von diesen zwölf Tieren, konnten wir bei sieben nachweisen, dass sie tatsächlich von diesen Spermien abstammen. Von diesen sind sieben zwischen dem dritten Tag und dem fünften Monat nach der Geburt, aus welchen Gründen auch immer, die wir nicht kennen, verstorben.

    Pasch: Was bedeutet jetzt dieses Ergebnis?

    Engel: Dieses Ergebnis bedeutet primär zunächst einmal nur, dass man aus embryonalen Stammzellen Samenzellen machen kann, und diese Samenzellen in der Lage sind, in der Eizelle die normale Entwicklung zu induzieren, und zwar soweit, dass lebende Tiere geboren werden und diese natürlich auch eine gewisse Zeit überleben.

    Pasch: Was folgt jetzt als nächstes? Es sind ja doch noch einige Schwierigkeiten und noch einige Aufgaben zu erledigen.

    Engel: Es wäre als erstes die Frage zu klären, warum ist das Verfahren so ineffizient bislang? Zweitens: warum sterben denn die geborenen Tiere letztlich zwischen dem dritten und fünften Tag, das wissen wir nicht. Hat das irgendwas mit Imprinting zu tun, mit fehlerhafter Differenzierung von irgendetwas? Das ist die nächste Frage, die man klären muss. Hat es etwas mit der Aktivierung des Genoms, also der Erbsubstanz als solcher zu tun?

    Pasch: Welche Konsequenzen haben Sie denn so im langfristigen Blick?

    Engel: Wir selber können ja in Deutschland, wie Sie wissen, nur an der Maus arbeiten. Wir dürfen ja mit menschlichen embryonalen Stammzellen nicht arbeiten. Einer der Mitarbeiter ist jetzt nach Newcastle gegangen und wird in England diese Experimente an menschlichen Stammzellen machen. Er könnte dann, wenn er solche Zellen generiert, aus menschlichen embryonalen Stammzellen, zum Beispiel menschliche Eizellen befruchten und gucken, wie weit geht diese Entwicklung und kann man das verwenden beim Menschen, um zum Beispiel bei unfruchtbaren Paaren einen Kinderwunsch zu befriedigen. Das steht am Ende, aber da sind wir nicht dabei.