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"Schon meine Eltern haben mich geprügelt"

Ohrfeigen oder Prügel mit dem Kochlöffel - in Tschechien gehört das traditionell für viele Kinder zum Alltag. Drei Viertel aller Eltern nutzen laut Umfragen die gesetzlich erlaubte Prügelstrafe als Erziehungsmethode. Die Menschenrechtsbeauftragte der Regierung will das ändern. Doch Gesellschaft und Parteien sind dagegen.

Von Stefan Heinlein | 13.03.2012
    Ein Spielplatz auf der Kampa-Insel am Prager Moldau-Ufer. Auch Alena verbringt dort mit ihren beiden kleineren Kindern den Nachmittag. Zuhause hat sie noch einen 15-jährigen Sohn und der macht oft Probleme:

    "Ich denke, eine Ohrfeige oder ein Klaps auf den Hintern – das ist bei Kindern völlig in Ordnung. Mein älterer Sohn ärgert mich oft – da hilft dann nur der Kochlöffel oder die Rute. Schon meine Eltern haben mich geprügelt. Ich bin absolut gegen ein Verbot."

    Keine Einzelmeinung. Laut einer aktuellen Umrage sind drei Viertel aller tschechischen Eltern Anhänger der Prügelstrafe. Die große Mehrheit nimmt gerne den Kochlöffel oder den Gürtel zur Hand, um die Kinder zu bestrafen. Schmerzhafter Alltag für den zwölfjährigen Jirka:

    "Jeden Tag kriege ich was hinter die Ohren. Wenn ich eine schlechte Note habe, bekomme ich ein paar mit dem Holzlöffel übergezogen. Das tut höllisch weh."

    Eine Aussage, die Libuse Vodickova nicht überrascht. Körperliche Züchtigung hat in Tschechien eine lange Tradition, meint die Vorsitzende des Kinderschutzbundes. Die Erziehungsmethoden hätten sich nicht geändert.

    "Das wird bisher von Generation zu Generation vererbt. Die heutigen Eltern wurden schon ihren Eltern schon so erzogen und sie machen dann einfach genauso weiter. Das wird sich leider nur sehr langsam ändern."

    Die Menschenrechtsbeauftragte der Regierung will das Tempo der Debatte beschleunigen. In einem Zeitungsinterview machte sie den vorsichtigen Vorschlag, die Prügelstrafe für Kinder bis zum Alter von vier Jahren per Gesetz zu verbieten. Der öffentliche Aufschrei der Empörung war groß. Zwei Tage später ruderte die Menschenrechtsbeauftragte per Pressemitteilung dann zurück. Sie plane kein Gesetz, sondern habe nur ihre persönliche Meinung geäußert.

    "Die Zeit ist noch nicht reif für ein solches Gesetz. Es gibt dafür keinerlei Unterstützung weder in der Öffentlichkeit noch in der Politik. Keine Partei will sich mit diesem Problem befassen."

    In den Medien wird jetzt jedoch über das Thema breiter berichtet. Eine Boulevard-Zeitung veröffentlichte ein Kinderfoto mit Ratschlägen, an welchen Stellen Eltern kräftig zulangen dürfen. Kopf, Magen und Genitalbereich sind tabu – Hände, Hintern und Oberschenkel dagegen in Ordnung. Keine Lösung für die zwölfjährige Aneta. Die Schülerin wünscht sich ein Verbot der Prügelstrafe:

    ""Es würde doch reichen, wenn meine Eltern mich nur anschreien. Ich kriege sehr häufig Ohrfeigen. Ich wünsche mir, dass die Kochlöffel und Gürtel für immer verschwinden. Diese Dinge sollten wirklich verboten werden."