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Schottland und die Unabhängigkeit

Die schottische Nationalpartei strebt eine politische Trennung von England und Schottland an. Auf ihrem Parteitag geht es auch darum, sich nur für eine finanzielle Autonomie von England oder für eine komplette Unabhängigkeit zu entscheiden.

Von Jochen Spengler | 21.10.2011
    Schon seit 2007 stellt die SNP mit Alex Salmond den First Minister, den Chef der schottischen Regionalregierung, die mehr Rechte hat als die bayerische Staatsregierung. Seit Mai kann Salmond sogar allein regieren, hat eine absolute Mehrheit. Nicht weil die Mehrheit der Schotten für die Unabhängigkeit wäre, sagt der Politikwissenschaftler John Curtice. Sondern weil die anderen Parteien fast als Agenten Englands gelten und keine Persönlichkeiten haben, die Alex Salmond das Wasser reichen könnten.

    "Er ist ein sehr charismatischer Politiker, der die bemerkenswerte Fähigkeit hat, in seinen Reden den Zuhörern ein positives, optimistisches Gefühl zu geben, zu vermitteln, dass es trotz aller gegenwärtigen Schwierigkeiten ein besseres Morgen gibt. Er hat diese wichtige Eigenschaft von Führungskraft."

    Die er auch auf dem ersten Parteitag seit seinem Erdrutschsieg demonstrieren dürfte, der bis Sonntag in Inverness tagt, der Hauptstadt der Highlands. Womit rechnet Professor Curtice von der Strathclyde University in Glasgow? Mit Jubel und Freunde über den Erfolg im Mai natürlich; man will das Momentum nutzen wollen, um die Mitgliederzahl der Partei in den kommenden Jahren auf 40.000 zu verdoppeln.

    Die Konferenz wird auch über Themen wie den Mindestpreis für Alkohol debattieren, den die SNP im Kampf gegen die verbreitete Trunksucht einführen will. Die größten Erwartungen aber richten sich darauf, ob Salmond in seiner Rede morgen Nachmittag beim Thema Unabhängigkeit über die bisherige Linie hinausgehen wird. Die lautet: ab 2014 sollen die Schotten in einer Volksbefragung entscheiden.

    "Unser Ziel ist Unabhängigkeit. Ein normaler Staat innerhalb der EU zu werden. Es gibt aber viele Stimmen in Schottland die sagen, es gibt eine weitere Option nämlich die finanzieller Autonomie eines nicht unabhängigen aber ökonomisch freien Schottlands. Und darüber sollte auch abgestimmt werden. Es gibt also zwei mögliche Fragen: ja oder nein zur Unabhängigkeit und ja oder nein zur finanziellen Verantwortlichkeit. Es ist noch nicht endgültig entschieden, aber wir haben zwei, drei Jahre, bis wir das dem schottischen Volk vorlegen."

    Seriösen Umfragen zufolge ist nur ein Viertel bis höchstens ein Drittel der Schotten für die völlige Trennung von England. Die Schotten sind zufrieden damit, sagt Professor Curtice, dass das Parlament in Edinburgh ihre Interessen vertritt, die noch junge Regionalisierung funktioniert und ein Ende der Union mit England gar nicht unbedingt nötig ist.

    "Darin liegt schon eine Ironie - die SNP hat die Union in gewisser Weise akzeptabler gemacht. Es gibt keinen stetigen Anstieg des Wunschs nach Unabhängigkeit, wohl aber das Verlangen von mehr als 60 Prozent der Schotten, dass das Parlament in Schottland mehr Rechte haben sollte als im Moment."

    Die Frage ist nur, wo diese Rechte enden sollen. Denn das Schottland auch allein klar käme, bezweifeln wenige – unklar ist aber, ob es den Schotten dann besser oder schlechter ginge.