Donnerstag, 28. März 2024

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Schüler bewerten Referendare
"Ein gutes pädagogisches Instrument"

Seit zwei Jahren wird an einigen bayerischen Schulen ein neues Verfahren getestet, bei dem Schüler ihre Referendare bewerten. Dieses Instrument werde gerne eingesetzt, sagte Angelika Wildgans vom Philologenverband Bayern im Dlf. Wichtig sei allerdings, dass es keine Verpflichtung dazu gebe.

Angelika Wildgans im Gespräch mit Stephanie Gebert | 12.07.2018
    Grundschüler und eine Lehrerin während einer Unterrichtsstunde in einem Klassenzimmer
    Grundschulkinder können an mehreren bayerischen Schulen ihre Referendare bewerten (imago / Photothek)
    Stephanie Gebert: Noten und Zeugnisse, die waren oder sind bei allen Schülern gerade Thema zum Ende des Schuljahrs. Für welche Fächer hat sich mein Engagement gelohnt, gibt es Wissenslücken und wo kann ich mich noch verbessern – diese Fragen sollten die Noten beantworten können. Und so ein wertvolles und konstruktives Feedback kann für alle Lernenden wichtig sein - auch für Referendare. In Bayern wurde deshalb vor zwei Jahren ein Bewertungstool eingerichtet, zweimal jährlich können seitdem Schülerinnen und Schüler dort die Arbeit der angehenden Lehrkräfte beurteilen. Das Kultusministerium findet, dieses Schülerfeedback hat sich bewährt und es wird weitergeführt. Großer Kritiker war der Bayerische Philologenverband. Dort vertritt Angelika Wildgans die Referendare. Ich grüße Sie!
    Angelika Wildgans: Grüß Gott!
    Gebert: Inzwischen haben Sie Ihre Kritik klar revidiert – was genau funktioniert denn gut an diesen Bewertungen der Schüler?
    Wildgans: Also Schülerfeedback ist ein wirklich ein gutes pädagogisches Instrument, das wir gerne einsetzen, weil wir eben gerne die positive und negative Kritik unserer Schülerinnen und Schüler aufnehmen und mit in den Unterricht integrieren.
    Wertschätzung für Schülerfeedback
    Gebert: Was kommen da für Rückmeldungen von den Schülern über dieses Tool seit zwei Jahren?
    Wildgans: Sie fühlen sich wirklich gewertschätzt, dass man eben auch ihre Meinung ernst nimmt. Wichtig ist es halt, dass man dann im Anschluss an den Fragebogen mit den Schülerinnen und Schülern drüber spricht, damit man selber auch sicher sein kann, dass man das richtig verstanden hat und auch die Schüler eben sehen, dass die Meinungen angekommen sind.
    Gebert: Jetzt haben Sie gesagt, Sie finden es inzwischen ganz gut, und sagen auch, dass es viele positive Entwicklungen hat. Eine Ihrer Befürchtungen war vor zwei Jahren, als es eingeführt wurde, dass die Referendare, um sich bei den Schülern sozusagen beliebt zu machen, gute Bewertungen abgeben, gute Noten verteilen. Sind die bayrischen Referendare da vielleicht viel zu ehrlich? Oder warum ist genau das nicht eingetreten?
    Wildgans: Das ist nicht eingetreten, weil wir ganz klar von vornherein festgelegt haben, dass die Ergebnisse aus dem Schülerfeedback nicht mit den beurteilenden Lehrkräften, also dem Seminarvorstand, den Seminarlehrern oder auch den Betreuungslehrkräften besprochen werden muss, sondern dass man eben die Freiheit hat, mit einer Lehrkraft seiner Wahl dieses Feedback zu besprechen. Und dadurch hat man einfach die Freiheit, auch wirklich die Meinung der Schülerinnen und Schüler aufzunehmen und sieht sich nicht in dieser Beurteilungs-Drucksituation.
    Gebert: Hatten die Referendare davor denn Angst, dass sie unter Druck geraten könnten?
    Wildgans: Ja, es ist verpflichtend eingeführt, und es ist ein gutes pädagogisches Instrument, aber wenn man das zwangsweise und verpflichtend einführt und vielleicht es noch in die Beurteilungskriterien mit hineinkommt, dann ist es meiner Meinung nach sinnlos.
    Referendare passen ihren Unterricht an
    Gebert: Jetzt wird es ja hinterher besprochen, was die Schüler da so alles geschrieben haben, was ihnen gefällt, was ihnen nicht gefällt. Was machen die Referendare damit?
    Wildgans: Die sind natürlich frei, dieses jetzt zu interpretieren, wie sie damit umgehen. Aber sehr, sehr viele Referendare und auch bereits die festen Lehrkräfte nehmen das eben mit, um dann ihren Unterricht für die kommenden Jahre oder für die kommenden Wochen, wann es eben gefragt wurde, dann umzustellen und daraufhin anzupassen.
    Gebert: Es hätte ja auch passieren können, dass die Schüler das Feedback nutzen, um mal ordentlich über die Referendare herzuziehen oder vielleicht auch zu beleidigen. Ist Ihnen so was untergekommen?
    Wildgans: Natürlich muss man immer reflektiert sehen, was von den Schülerinnen und Schülern kommt, aber dadurch, dass es eben nicht beurteilend genutzt wird, sondern dass es eben eine Rückmeldung an die Referendare ist, kann man eben selber dann sagen, okay, ich muss das hinter dem und dem Hintergrund sehen.
    Gebert: Das heißt, ist es passiert oder nicht?
    Wildgans: Ich kann jetzt nur aus den Reihen sprechen, die ich kenne, aber natürlich gibt es Schüler, die ihren Frust in diesem Schülerfeedback auch zurücklassen.
    "Ganz wichtig, dass wir das nicht zwangsweise einführen"
    Gebert: Wenn das Fazit jetzt so positiv ist, warum beschränkt man diese Art des Feedbacks nur auf die Referendare und zieht nicht auch die Lehrerinnen und Lehrer in ganz Bayern mit ein?
    Wildgans: Es ist ganz, ganz wichtig, dass wir das nicht zwangsweise einführen. Also ich muss auch weiterhin sagen, die Verpflichtung bei den Referendaren, da bin ich weiterhin noch dagegen. Es ist ein gutes pädagogisches Instrument, das jeder Lehrer nutzen soll und kann. Aber genauso wie Arbeitsblätter will ich nicht verpflichtend das vorschreiben. Und ich denke, alle Lehrer in Bayern haben bereits darüber nachgedacht – und ich kenne sehr, sehr viele Lehrkräfte, die eben Feedback als pädagogisches Instrument einsetzen.
    Gebert: Was würde es verschlechtern, wenn es verpflichtend ist?
    Wildgans: Ganz klar der Zwang, weil nicht jeder Lehrer dann auch dazu gezwungen ist, das Ganze umzusetzen, sondern er kriegt einfach da eine Rückmeldung, und inwiefern er die ernst nimmt oder nicht, das ist jeder Lehrkraft selbst überlassen.
    Gebert: Schüler bewerten Referendare. Was daran funktioniert und was nicht, hat uns Angelika Wildgans erklärt vom Bayerischen Philologenverband. Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.