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Schüsse, Ausgangssperre und Unsicherheit

Zwei Wochen nach dem Staatsstreich in der Zentralafrikanischen Republik ist so etwas wie Alltag in die Straßen der Hauptstadt Bangui zurückgekehrt. Über Oberst Narkoyo, den von den Rebellen neu eingesetzten Präsidenten, ist kaum etwas bekannt. Sicher ist dagegen, dass die Lage im Land instabil bleiben wird.

Von Benno Müchler | 06.04.2013
    Die Propellermaschine stößt durch die Wolkendecke. Im braunen Wasser des riesigen Ubangi-Flusses glitzert die Morgensonne. Tiefgrüne Wälder säumen das Ufer. Sie ziehen sich kilometerweit ins Landesinnere. Flug KP 034: Nach Tagen des Flugverbots landet wieder die erste Passagiermaschine in Bangui. Pastor Daniel Konamyeran saß eine Woche lang im Nachbarland Tschad fest. Der Staatsstreich hat ihn nicht überrascht.

    "Wir hörten ja jeden Tag in den Nachrichten, dass sie immer weiter vorrückten. Als sie dann auch noch die wichtige Stadt Tagbara und später Boali einnahmen, war es klar, dass sie auch bald in Bangui einmarschieren würden. Nein, eine Überraschung war es für uns nicht."

    Am Flughafen stehen schwer bewaffnete französische Soldaten. Doch hinter Holzbarrikaden und Stacheldrahtzäunen beginnt das Reich der neuen Machthaber, den Seleka-Rebellen: junge Männer mit rotem Barett. Viele tragen lässige Sonnenbrillen, die Hand immer an der Kalaschnikow.

    Nach dem Staatsstreich vor zwei Wochen ist das Leben auf die Straßen zurückgekehrt. Nur noch selten fallen Schüsse. Neben dem Sportstadion steht die Halle, in der sich Zentralafrikas berühmtester Tyrann, Jean-Bédel Bokassa, Ende der Siebziger Jahre zum Kaiser krönte. Dahinter liegen mehrere kleine, gelbe Betonbauten, die Universität von Bangui. Das erste, was die Rebellen nach dem Umsturz taten, war es Geschäfte und Behörden auszuplündern: Der Uni fehlen Computer, den Tankstellen Öl und Pumpen; Hotels, Privathäuser, der Präsidentenpalast, das Parlament, Einrichtungen der Vereinten Nationen, alles wurde ausgeräumt. Auch wenn viele der Bevölkerung den Rebellen eine Chance geben wollen, die Plünderungen haben die Menschen wütend gemacht.

    Die 19-jährige Kadidja Mamath verkauft am Straßenrand heißen Brei aus Reis, Zucker und Milch. Den kocht sie in einem großen Blechtopf im prallen Sonnenschein.

    "Wir wollen nichts als Frieden. Doch in der Zentralafrikanischen Republik gibt es nur Probleme. Wir wollen das nicht mehr. Wir haben genug gelitten. Immer wieder neue Umstürze. Wir wollen unseren eigenen Präsidenten wählen."
    Christian LePicard-Goos steht am Bett eines muskulösen, jungen Mannes im Gemeinschaftskrankenhaus von Bangui. Der linke Unterarm des Mannes ist verbunden. Eine Schussverletzung. Die Kugel ist mittlerweile wieder ausgetreten. Der Rebellenkämpfer hält sie dem deutschen Arzt mit einem müden Lächeln entgegen.

    LePicard-Goos arbeitet für die Organisation "Ärzte ohne Grenzen". Das schmutzige, einstöckige Gebäude war bis vor Kurzem noch überfüllt, doch die meisten Patienten sind mittlerweile zur weiteren Behandlung nach Marokko ausgeflogen worden. Im Krankenhaus liegen immer noch Verletzte mit verbundenen Gesichtern. Die Versorgungslage sei ohnehin schon schlecht gewesen, sagt der deutsche Arzt. Dass die Rebellen hier plünderten, habe die Arbeit zusätzlich erschwert.

    "Hier gibt es fast nichts, wir haben Licht, das ist schon mal was. Guck Dir's an, hier ist nichts. Das Radio funktioniert."

    Die Rebellen sind in das beste Hotel der Stadt gezogen. Eine Firma des libyschen Diktators Gaddafi hatte den schneeweißen Palast gebaut. Draußen vor den Toren werden jetzt junge Männer für die neue Armee angeworben. In der kühlen Hotellobby gewährt der Rebellensprecher, Colonel Ajouma Narkoyo, ein Interview. Hinter ihm huschen hektisch Minister und andere Staatsbeamte in feinen Anzügen hin und her. Der neue Präsident hat das Parlament aufgelöst und regiert einstweilig per Dekret.

    "Ich bin sehr glücklich, Herr Journalist, über unsere heutige Position in Bangui . Das sagt Ihnen jemand, der einst Teil der Leibgarde des früheren Präsidenten Patassé war. Wir haben ja gesehen, was damals im März 2003 geschah, als Bozizé mit seinen Männern in diese Stadt kam. Innerhalb einer Woche war die ganze Stadt leer geräumt. Ich kann Ihnen versichern, dass nach unserer Übernahme kein einziges Auto aus der Stadt gebracht wurde."

    Allerdings fahren die Rebellen jetzt in Autos durch die Stadt, die sie unter anderem humanitären Organisationen gestohlen haben. Frankreich, die ehemalige Kolonialmacht, hatte dem ehemaligen Präsidenten Francois Bozizé militärische Unterstützung versagt. Das lag auf der neuen Linie, die der französische Präsident Francois Hollande letztes Jahr verkündet hatte: das Ende der Einmischungspolitik in Afrika.

    Bozizé floh mit seiner Familie ins Nachbarland Kamerun. Seine zehnjährige, korrupte Herrschaft hatte dem armen Land kaum Entwicklung gebracht, trotz des Reichtums an Diamanten und Öl. Der neue Präsident, Michel Djotodia, hat bereits ein neues Kabinett gebildet. Trotzdem sind viele skeptisch:

    ""Sie haben keine Vision, sie kommunizieren nicht, dass sie einen Plan haben, mit dem sie in das Land und in die Menschen investieren wollen. Sie zeigen nicht, dass sie die Bildung und das Sozialsystem auf dem Land ausbauen wollen."

    Sagt Amy Martin, Büroleiterin von UNOCHA, eine Einrichtung der Vereinten Nationen, die vor Ort die humanitäre Hilfe koordiniert. Der neue Präsident ist Muslim. Ob das stark christlich geprägte, dünn besiedelte Land nun zu einem Hort radikaler Islamisten wird, ist unklar. Einige Kenner der Zentralafrikanischen Republik befürchten das, wie auch Teile der Bevölkerung. Über den neuen Präsidenten ist kaum etwas bekannt. Unzweifelhaft ist nur, dass Zentralafrika instabil bleiben wird.