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Schüsse ins Ofenrohr

Anfang letzter Woche wurde Portugals neuer oberster Staatsanwalt vereidigt. Alle Reden drehten sich um das Thema Korruption, eine Diskussion, die Staatspräsident Anibal Cavaco Silva vor kurzem angestoßen hat. Doch wenn jetzt auch alle Parteien wieder versprechen, etwas gegen die Korruption im Land zu unternehmen, sieht der Alltag doch ganz anders aus. Jochen Faget berichtet aus Lissabon.

17.10.2006
    Selten hat Präsident Aníbal Cavaco Silva so klare Worte gefunden: Korruption hat ein Zerstörungspotential für Demokratien, das nicht unterschätzt werden darf, warnte er in einer Rede und verlieh seiner Sorge um die Lage der portugiesischen Nation Ausdruck. Weil es um die sehr schlecht stünde, seien alle Initiativen zur Korruptionsbekämpfung willkommen, so das Staatsoberhaupt weiter:

    Der Paukenschlag des Präsidenten kam nicht unbedingt überraschend: Dass etwas faul ist im Staate Portugal, wissen eigentlich alle seit langem. Diverse Großprozesse haben ans Licht gebracht, dass im westlichsten Land Europas so ziemlich immer und überall bestochen wird: Im Fußball, in den Gemeinden, bei der Vergabe von Staatsaufträgen. Der Verfassungsrechtler Pedro Vasconcelos wagt diese Zusammenfassung:

    " Unsere Gesellschaft ist im radikalsten Sinne des Wortes zutiefst korrupt. Es gibt kein Konzept des Gemeinwohls. Wir leben noch im 18. Jahrhundert."

    Da sei es eben an der Zeit gewesen, das Thema anzusprechen, meint die Staatsanwältin Maria José Morgado:

    " Zu lange schon gab es Skandale ohne Konsequenzen, haben unabhängige Persönlichkeiten auf das Problem hingewiesen. Der Druck auf die Politiker, etwas zu tun, ist zu groß geworden."

    Maria José Morgado weiß, wovon sie spricht. Die kleine, dynamische Frau Ende 50 war früher Portugals Cheffahnderin in Sachen Korruption, bis sie vor fünf Jahren überraschend abgesetzt wurde. Weil sie zu gut ermittelt habe, hieß es damals hinter vorgehaltener Hand. Und Prozesse, die sie eingeleitet hat, geistern noch heute ohne abschließendes Urteil durch die Gerichtsinstanzen. Korruption, so die Staatsanwältin, sei ein ungeliebtes Thema, eben weil sie so allgegenwärtig sei.

    In Portugal erhalte man kaum einen Notariatstermin ohne Schmiergeld, keine dringenden Dokumente, keine Bauantragsgenehmigung. Und zu dem, was die Staatsanwältin 'speed-money' nennt, komme noch dickes Geld auf hoher und höchster Ebene. Die Lage würde immer schlimmer:

    " Die Frage, ob Portugal anfällig für Korruption ist, kann ich nur mit ja beantworten. Und die Institutionen, die die Korruption bekämpfen sollten, sind immer schwächer geworden."

    So seien nicht nur die Gerichte überfordert, sondern auch die Staatsanwälte und die zuständigen Polizeien. Es gebe keine Daten, keine Statistiken und daher auch keine Konzepte zur Korruptionsbekämpfung. Nicht zuletzt, weil die Politiker das Problem immer wieder auf die lange Bank geschoben hätten. Und solange keine konkreten Maßnahmen ergriffen würden, sei auch die Präsidentenwarnung in Sachen Korruption wenig mehr, als nur ein Lippenbekenntnis, sagt Maria José Morgado:

    " Ich sehe auch niemanden, der sagt, wie gegen die Korruption vorgegangen werden soll. Die Staatsanwaltschaft zum Beispiel hat nicht einmal eine eigene Datenbasis zum Thema, es gibt keine landesweite Koordination. Wir wursteln uns eben so durch. Solange sich daran nichts ändert, sind unsere Aktionen doch nur Schüsse ins Ofenrohr."

    Dass sich daran etwas ändert, ist eher unwahrscheinlich. Portugal ist pleite, muss auch bei den Justizausgaben sparen. Weder die Polizei, noch die Staatsanwaltschaft kann auf mehr Geld zur Korruptionsbekämpfung hoffen. Die Gefahr, als Bestechender oder Bestochener bestraft zu werden, bleibt also gering. Und die Korruption auch weiterhin ein großes Problem. Darüber macht die Staatsanwältin Maria Jose Morgado sich keine Illusionen:

    " Das Fleisch ist eben schwach, die Menschen sind keine Heiligen! Solange niemand wirklich fürchten muss, als korrupt bestraft zu werden, wird alles weitergehen, wie bisher. Und bis jetzt kam in Portugal noch niemand wegen Korruption in echte Probleme."