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Schulen im Raum Frankfurt
Die Brexit-Kids kommen

Großbritannien verlässt die EU. Viele Banken bereiten sich auf den Umzug ihrer Mitarbeiter nach Frankfurt vor und reservieren dort Schulplätze. Zum Problem könnte der Mangel an bezahlbaren Wohnungen in der Region werden – für Brexit-Familien und für neue Lehrer.

Von Ludger Fittkau | 01.02.2018
    Ein Drachen fliegt vor Skyline von Frankfurt am Main
    Doch die rund 40 englischsprachigen Schulen der Region registrieren seit einigen Monaten eine stetig wachsende Nachfrage der Banken, die vorsorglich für ihre Mitarbeiter aus London Schulplätze im Raum Frankfurt sichern wollen (picture alliance/ dpa/ Frank Rumpenhorst)
    Die lichtdurchflutete Eingangshalle der Strothoff International School in Dreieich bei Frankfurt am Main. In einer Ecke ein mobiler Kiosk, der von Oberstufenschülern belagert wird. 360 Kinder und Jugendliche aus 40 Nationen lernen hier. Nun bereitet sich die Schule auf die Kinder der Banker vor, die in den nächsten Monaten verstärkt aus London nach Frankfurt am Main kommen werden. Erste Banken haben bereits Plätze für die "Brexit-Kids" reservieren lassen, bestätigt Bettina Otto, die Verwaltungsleiterin der Schule:
    "Ja, das ist tatsächlich so, dass sie Verträge abschließen, in denen sie sich Schulplatzgarantien einräumen lassen, für die sie auch bezahlen, auch jetzt schon."
    Obwohl von einem Ansturm der Brexit-Familien auf die internationalen Privatschulen im Rhein-Main-Gebiet noch nicht die Rede sein könne, betont Bettina Otto. Doch die rund 40 englischsprachigen Schulen der Region registrieren seit einigen Monaten eine stetig wachsende Nachfrage der Banken, die vorsorglich für ihre Mitarbeiter aus London Schulplätze im Raum Frankfurt sichern wollen. Und dies, obwohl die Geldinstitute oft selbst noch nicht genau wissen, wie viele Kinder und Jugendliche zum nächsten Schuljahr von der Themse an den Main wechseln:
    "Das ist nicht ganz einfach für uns, weil man dann natürlich vielleicht Plätze garantiert, die nicht in Anspruch genommen werden und dann hat man Vakanzen. Aber da es sich im Moment nicht um Riesensummen handelt - wenn die pro Klasse bis zu fünf Plätzen reservieren, das kann man immer noch ganz gut handhaben."
    Schulleiter bleibt gelassen
    twa 20 Kilometer nordwestlich. Ein weitläufiges Schulgelände in Oberursel am Fuße des Großen Feldbergs im Taunus. Hier im Grünen liegt der zentrale Campus der Frankfurt International School – der größten internationalen Schule der Region. Hier lernen weit über 1.000 Schüler mit rund 50 Nationalitäten. Paul Fochtman leitet seit acht Jahren die Schule, nachdem er zuvor in Indien und den USA unterrichtet hat. Die "Brexit-Kids", auf die auch er sich einstellt, bereiten ihm allerdings keine schlaflosen Nächte. Auch deswegen nicht, weil ihre Zahl erst langsam und kontinuierlich ansteigt:
    "Also die Menschen ziehen jetzt hier her, bis August wird das erstmal abgeschlossen sein. So bekommen wir Klarheit für das erste Schuljahr, und auch das, was sie für das zweite und dritte Schuljahr planen, schält sich langsam heraus. Die Zahl der Schüler steigt insgesamt."
    Paul Fochtmann bleibt auch deswegen gelassen, weil Fluktuation an seiner Schule quasi zum täglichen Geschäft gehört. So haben unlängst 50 Kinder von General Motors-Mitarbeitern die Schule verlassen, weil der US-Autokonzern Opel an Peugeot verkauft hat. Ein Hauptproblem zurzeit sind jedoch nicht die Schulplätze, sondern der Mangel an bezahlbaren Wohnungen in der Region – für Brexit-Familien und für neue Lehrer, die eingestellt werden müssen:
    "Ja, es ist ein großes Problem. Wir beschäftigen ständig Wohnungsagenturen. Am Ende will jeder in der Nähe der Schule wohnen oder an der U-Bahn-Linie. Das andere Problem für uns ist, dass die Lehrer, die wir beschäftigen, mit ihren Einkommen bei steigenden Mieten irgendwann nicht mehr mithalten können. Deswegen sind wir, wie alle in der Region, besorgt: Wenn die Mieten steigen, wird es für uns immer schwieriger, die besten Lehrer für die Arbeit in der Region zu rekrutieren."
    Verträge mit verschiedenen Banken
    Ortswechsel – noch einmal 15 Kilometer weiter westlich. Hier in Frankfurt-Sindlingen heißt schon die Straße, an der die International School Frankfurt Rhein-Main liegt: "Straße zur internationalen Schule". Die Schule gibt es seit 1995 – 850 Schüler werden hier von 95 Mitarbeitern betreut. Wieder ist Englisch die Hauptunterrichtssprache, aber auch Koreanisch und Japanisch werden hier angeboten. Denn viele der Schüler kommen aus dem asiatischen Raum, erklärt Schulmanagerin Svetlana Kazsantseva, die 2015 aus Paris an den Main kam. Auch sie registriert zunehmend Anfragen aus London. Aber noch gibt es keine große Zahl von Anmeldungen:
    "Wir haben schon mit vielen Banken gesprochen. Aber das Problem ist, sie können leider keine genaue Zahl angeben und keine genauen Zeiten, wann die Kinder kommen. Dann können wir einfach nicht garantieren, dass wir Plätze haben. Aber ja, wir haben schon ein paar Verträge mit verschiedenen Banken. Ich kann leider keine Namen nennen."
    Kritischer "Guardian"-Artikel zu Frankfurt
    Die britische Tageszeitung "Guardian" habe allerdings mit einem kritischen Artikel über das angeblich langweilige Frankfurt am Main viele Banker-Familien aus London verunsichert, registriert Svetlana Kazsantseva:
    "Was ich schon von unseren Brexit-Eltern gehört habe ist: 'Frankfurt ist eine ganz langweilige Stadt.' Wir haben angeblich nur Kaffeekränzchen als Wochenend-Aktivität und es gibt kein richtiges Leben. Aber das stimmt gar nicht. Das ist eine Stadt für alle. Wir haben alles hier."
    Bis auf Wohnungen eben. Da müsse die Region schleunigst mehr tun, so der Tenor unter den Leitern der internationalen Schulen im Rhein-Main-Gebiet. Die Stadt Frankfurt am Main plant zurzeit den Bau eines ganz neuen Stadtteils – gegen heftige Widerstände der Alteingesessenen, die eine zu starke Verdichtung ihres Wohnumfeldes und den Verlust landwirtschaftlicher Flächen befürchten. Peter Feldmann, der SPD-Oberbürgermeister:
    "Ja, erst mal ist festzustellen, dass in Frankfurt Wohnungen fehlen und zwar 30.000. Das ist richtig, richtig viel."
    Am 25. Februar ist Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt am Main. Die Wohnungsnot ist das Top-Thema im Wahlkampf. Mit den Brexit-Familien, die aus London kommen, wird sich die Lage noch verschärfen.