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Schulpolitik in Hessen
Neuer Zoff zwischen Bouffier und Schäfer-Gümbel

In wenigen Wochen soll die einjährige Arbeit des "Hessischen Bildungsgipfels" zu Schulreformen beendet werden. Die schwarz-grüne Landesregierung wollte damit einen sogenannten "Schulfrieden" über zehn Jahre erreichen. Doch jetzt, kurz vor Abschluss der Verhandlungen droht die SPD, das Projekt scheitern zu lassen.

Von Ludger Fittkau | 19.06.2015
    Aktueller Stein des Anstoßes war eine Rede des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier vor wenigen Tagen auf einer CDU-Veranstaltung. Dort hatte Bouffier laut Medienberichten erklärt, die bildungspolitischen Vorstellungen der SPD würden dem Prinzip des Zwangs folgen und seien inhuman. Die CDU werde alles dafür tun, um eine Mehrheit für SPD-Positionen auf dem Bildungsgipfel zu verhindern. Der hessische Oppositionsführer Thorsten Schäfer-Gümbel ist über diese Äußerungen Bouffiers empört:
    "Wir merken, dass der hessische Ministerpräsident, wenn er vor die Alternative gestellt wird, ob er CDU-Landesvorsitzender sein will oder Ministerpräsident aller Hessen, er sich konsequent auf die Seite des CDU-Landesvorsitzenden schlägt und seine infame und nicht akzeptable Rede macht deutlich, dass er keine Verständigung will. Sondern er will weiter polemisieren. Und das zeigt, mit welcher Grundhaltung die Union in solche Gespräche gegangen ist."
    Volker Bouffier wollte gegenüber dem Deutschlandfunk zu diesem Streit mit Thorsten Schäfer-Gümbel nicht Stellung nehmen. Stattdessen bat die Hessische Staatskanzlei den CDU-Kultusminister Alexander Lorz, uns für ein Interview zur Verfügung zu stehen. Lorz ist maßgeblich für die Durchführung des Bildungsgipfels verantwortlich. Er wünscht sich, dass auch Lehrer-und Schülerverbände, die der SPD nahestehen, das Abschlusspapier des Bildungsgipfels unterzeichnen, das in Kürze vorgelegt werden soll:
    "Wir haben einen Prozess gehabt, der läuft jetzt praktisch ein Jahr. Da sind ganz, ganz viele Menschen zusammengekommen. Da sind ganz, ganz viele gute Ideen zusammengebracht worden, das ist in den Arbeitsgruppen und auf den Gipfelrunden sehr intensiv diskutiert worden. Wir haben da sehr viel herausgeholt und jetzt würde ich mir auch wünschen, dass sie möglichst viele hinter das Ergebnis stellen. Wir sind jedenfalls als Landesregierung dazu bereit."
    Zahl der Schulreformen in Hessen soll langfristig reduziert werden
    Der hessische SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel lobt den hessischen Kultusminister für dessen Stil im Umgang mit der Opposition im Rahmen der Gespräche des Bildungsgipfels ausdrücklich. Doch er glaubt, der Ministerpräsident falle Alexander Lorz nun kurz vor Ende des Gipfels in den Rücken:
    "Das glaube ich. Meine Erfahrung mit dem Kultusminister in den letzten Monaten ist, dass er Argumenten ausdrücklich zugänglich ist, der ein echtes Interesse an einer Verständigung hat. Der es sicherlich auch in den eigenen Reihen nicht sehr leicht hat. Der sich aber jetzt entscheiden muss, ob er Kultusminister einer CDU Hessens sein will, die ja vor allem sozialisiert wurde in den Schulauseinandersetzungen der 70er Jahre und der Ministerpräsident ist da ganz offensichtlich auch stehen geblieben, ob er dieser Linie weiter folgt oder ob er einen eigenen Vorschlag macht, das wird sich in den nächsten Tagen beweisen.
    Inhaltlich bleibt besonders der sogenannte "Pakt für den Nachmittag" beim Bildungsgipfel umstritten. Es geht um einen Pakt zwischen Land und Kommunen: Das Land will die tägliche Betreuung von Grundschulkindern bis 14.30 Uhr finanzieren und die Kommunen sollen die Zeit bis 17 Uhr übernehmen. Die schwarz-grüne Landesregierung schafft für diesen "Pakt" in bestimmten Pilotregionen im kommenden Schuljahr zusätzlich 230 Stellen. Die Grünen bezeichnen das als den "größten Ausbau des Ganztagsschulprogramms, den es in Hessen je gegeben" habe.
    Die Lehrergewerkschaften GEW und Verband Bildung und Erziehung sehen den "Pakt für den Nachmittag" als "Billiglösung" und "Etikettenschwindel". Er biete keine guten Bedingungen für eine echte Ganztagsschule. Der hessische Landeselternbeirat kritisiert, dass das Konzept einen "rhythmisierten" Unterricht ausschließe.
    Die Inklusion und die künftige Schulstruktur sind weitere Hauptstreitpunkte auf dem Bildungsgipfel. Einigkeit bei allen Beteiligen besteht immerhin darin, die Zahl der Schulformen in Hessen deutlich zu reduzieren. Insbesondere die Hauptschule soll aufgegeben werden.
    Thorsten Schäfer-Gümbel glaubt kaum allerdings kaum noch daran, dass der Hessische Bildungsgipfel angesichts der großen Differenzen wie geplant Mitte Juli erfolgreich zu einem Abschluss gebracht werden kann:
    "Ich warte allerdings jetzt die Vorlage aus dem Kultusministerium ab und dann werden wir es in der Sache bewerten. Aber ich muss gestehen, meine Skepsis wird nicht kleiner."