Dienstag, 19. März 2024

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Schulschließungen wegen Corona
Einstellung gegenüber arbeitenden Müttern spielt eine Rolle

Zu Beginn der Corona-Pandemie haben viele Länder die Schulen zeitweise geschlossen. Wie schnell sie wieder geöffnet wurden, hing auch von den jeweils vorherrschenden Vorstellungen ab, ob und wieviel Mütter arbeiten sollten, sagte Natalie Nitsche vom Max-Planck-Institut für Demografische Forschung im Dlf.

Natalie Nitsche im Gespräch mit Armin Himmelrath | 04.12.2020
Eine Mutter in Businesskleidung hilft ihren Töchtern vor dem Auto, die Schulranzen aufzuziehen
Eine Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung belegt einen Zusammenhang zwischen dem Ansehen berufstätiger Mütter in einer Gesellschaft und der Dauer von Schulschließung in der Corona-Pandemie (picture alliance/ Frank May)
Natalie Nitsche vom Max-Planck-Institut für Demografische Forschung hat gemeinsam mit ihrem Kollegen Ansgar Hudde untersucht, inwiefern Gender-Ideologie im internationalen Vergleich die Wiedereröffnung von Schulen nach den Corona-Lockdowns beeinflusst hat. "Wir haben herausgefunden, dass die Einstellungen arbeitenden Müttern gegenüber eine maßgebliche Rolle dafür gespielt haben, wie schnell die Schulen wieder geöffnet wurden", sagte Nitsche im Deutschlandfunk. Die Studie zeigt, dass in Gesellschaften, in denen die Berufstätigkeit von Müttern stärker befürwortet wird, die Schulen signifikant früher wieder geöffnet wurden als in Ländern, in denen diese nicht so stark unterstützt wird. "Wir hatten die Vermutung, dass die Normen und Werte, die in einer Gesellschaft dazu vorherrschen, eine Rolle gespielt haben", so Nitsche, "wir waren aber überrascht ob der Deutlichkeit der Ergebnisse."
Deutschland taucht in den Ergebnissen als ein Land auf, das relativ früh wieder geöffnet hat. Dabei wurden allerdings starke Abstufungen hinsichtlich der Klassenstufen vorgenommen, die sich in den Daten nicht abbilden ließen, räumte Nitsche ein.
Nitsche: Entscheidungen über Schulschließungen "aus dem Bauch heraus"
Dass normative Faktoren und Einstellungen eine Rolle dabei spielen, wie Politiker entscheiden, sei nichts Neues, so Nitsche. Sie verwies aber darauf, dass es beim Thema Schulschließungen in der Corona-Pandemie keine gesicherte Faktenlage dazu gebe, ob diese sinnvoll seien oder nicht. Das berge die Gefahr, dass aus dem Bauch heraus entschieden werde. "Unsere Studie zeigt deutlich, dass es für Politiker wichtig wäre zu reflektieren, welche möglicherweise unbewussten Faktoren ihre Entscheidung mit beeinflussen, bevor sie eine Entscheidung treffen, die noch nicht wissenschaftlich begründet werden kann", betonte die Wissenschaftlerin. Denn wenn Vorstellungen die Entscheidung leiteten, wonach es generell schöner sei, wenn zumindest Mütter kleinerer Kinder nicht arbeiteten, sei das kontraproduktiv für viele Familien.