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Schulversuch
Waldorf in der Regelschule

In Hamburg soll eine Schule Waldorfpädagogik und reguläre Schulpraxis verbinden. Musisch-künstlerische und handwerkliche Fertigkeit sollen damit gefördert werden. Allerdings ist die Kritik groß.

Von Axel Schröder | 26.11.2013
    Ein Schulversuch soll es werden. Und die Aufregung im Vorfeld werde sich schnell legen, so Hamburgs Schulsenator Thies Rabe. Er erklärt, was sich ändert, wenn an der staatlichen Grundschule Fährstraße in Hamburg-Wilhelmsburg Elemente der Waldorf-Pädagogik zum Einsatz kommen:
    "Dazu zählt, dass wir zum Beispiel, dass wir bei der Notengebung ein Stück die Zügel locker lassen. Dazu zählt aber auch, dass wir es der Schule überlassen, mit dem Verein für Waldorf-Pädagogik die Klassengröße selber festzulegen. Vor allem aber zählt dazu, dass wir bestimmte pädagogische Elemente in den Unterricht du in das Schulleben einbinden."
    Musisch-künstlerische und handwerkliche Fertigkeit sollen gefördert werden, so der Senator. Kritik am Schulversuch hatte es schon im Frühjahr nach Bekanntwerden der Pläne gegeben. Vorgetragen unter anderem von der ehemaligen Sektenbeauftragten Hamburgs Ursula Caberta und von der "Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften". Die Kritik zielt vor allem auf die vermeintlich esoterischen Grundlegungen der anthroposophischen Waldorf-Pädagogik und auf ihren 1925 gestorbenen Begründer Rudolf Steiner. Dessen Ideenwelt weist teilweise rassistische Elemente auf. Einige seiner Schriften wurden von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in Bonn verboten. Deshalb erklärten Schulsenator Thies Rabe und Hamburgs Landesschulrat Norbert Rosenboom nicht nur, welche Waldorf-Elemente an der Schule Fährstraße eingesetzt werden, sondern vor allem, welche außen vor bleiben müssen:
    "Die Auseinandersetzung mit der Lehre von Rudolf Steiner ist in diesem Zusammenhang obsolet. Und zwar deshalb, weil wir keineswegs die Lehre von Rudolf Steiner in die staatlichen Schulen einbinden wollen. Esoterisches Gehabe und eurythmischer Tanz im Hintergrund, das alles ist weg gewesen. Die ganze esoterische Glaubensfrage, die, würde ich denken, gehört nicht an eine staatliche Schule, das muss raus. Ich persönlich habe Schwierigkeiten damit, den Reifestand eines Kindes anhand seiner Zahnreife zu entscheiden. Würde ich denken, gehört da nicht rein! Wurde uns aber auch nicht als verpflichtend auferlegt in den Verhandlungen."
    Beteiligt an den Verhandlungen waren die Schulbehörde und der Bund der Freien Waldorfschulen, die Leiterin der Schule Fährstraße und die Elternkonferenz. Die Idee für den Schulversuch kam aus der Schulbehörde. Nachdem Pläne für eine neue nicht-staatliche Waldorf-Schule in Hamburg-Wilhelmsburg bekannt wurden, einem Stadtteil, in dem überdurchschnittlich viele Kinder aus bildungsfernen oder migrantisch geprägten Haushalten kommen. Die Neugründung einer Waldorf-Schule hätte die Wilhelmsburger Schülerschaft geteilt: hier die Kinder aus dem gut-situierten Bildungsbürgertum, dort die Schüler mit besonderem Förderbedarf. Ursula Caberta, bis vor zwei Jahren Hamburger Sektenbeauftragte, mahnt an, die Eltern der Schulkinder über die Wurzeln der Waldorf-Pädagogik zu informieren:
    "Wird darüber aufgeklärt? Über die Grundsätze des Herrn Steiner, der ja davon ausgeht, dass alle Menschen in ihren Wurzelrassen sieben Mal inkarnieren müssen? Und Bildung dazu da ist, die Inkarnationsphasen zu beschleunigen? Oder solche Sachen, wo gesagt wird: erst in der Pubertät wächst den Kindern ein Astralleib, der sie dann befähigt, ein Denkvermögen zu entwickeln?"
    fragte Ursula Caberta. Der etwas genervte Schulsenator Thies Rabe versicherte, dass die Elternschaft sehr wohl informiert wurde und wird. Und wiederholt ein ums andere Mal, dass Rudolf Steiners Ideen nicht Inhalt des Lernplans werden. Durchgesetzt haben die Waldörfler, dass die Lehrkräfte an der neuen Schule Fährstraße nicht nur das erste und zweite Staatsexamen haben müssen, sondern nach Möglichkeit auch waldorf-pädagogische Zusatzqualifikationen mitbringen sollen. Wer eingestellt wird, dass beschließen Schulleitung und Waldörfler gemeinsam.