Donnerstag, 25. April 2024

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Schutz- und Gesichtsmasken
"Solidarität mit Gefährdeten"

Anders als in asiatischen Ländern seien Schutzmasken in Europa noch nicht im Alltag akzeptiert, sagte Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger im Dlf. Viele empfänden Befremden beim Anblick verdeckter Gesichter. Aber auch hier könne die Maske zu einem Symbol der Solidarität umgedeutet werden.

Marcus Stiglegger im Gespräch mit Jörg Biesler | 18.04.2020
Ein junger Mann und eine junge Frau tragen selbstgemachte bunte Mundschutzmasken. Ihnen kommen ein Mann und eine Frau ohne Mundschutzmaske entgegen.
Immer mehr Menschen nähen sich selbst Mundschutzmasken, die vor allem andere vor einer möglichen Ansteckung schützen sollen (imago images / Emmanuele Contini)
"Meine Alltagserfahrung, wenn ich im Supermarkt mit einer selbstgenähten Schutzmaske, die andere schützt, einkaufen gehe, ist, dass ich Blicke der Befremdung bekomme", sagte der Kultur- und Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger im Dlf, "also es hat sich nicht wirklich etabliert".
Dabei trage man die diese Maske aus einer Solidarität mit Gefährdeten heraus - es sei ein soziales Statement der Kooperation. "Ich würde mir wünschen, dass es eine größere Akzeptanz erfahren würde", sagte Stiglegger weiter.
Gesundheitspolitiker: Schutzmasken sollten "zum Standard werden"
Das Tragen von Schutzmasken in der Öffentlichkeit werde künftig eine bedeutende Rolle spielen, sagte der CDU-Gesundheitspolitiker Erwin Rüddel im Dlf.
Die noch fehlende Akzeptanz weiß er aber zu erklären: Die Maske habe menschheitsgeschichtlich betrachtet lange eine rituelle Funktion gehabt. Zunächst spielte sie in religiösen Zeremonien eine Rolle. Träger oder Trägerin sollten sich in etwas Außeralltägliches verwandeln. Dieses Außeralltägliche schwinge im Positiven wie Negativen immer noch mit. "Einen Menschen, der eine Maske trägt, scheinen wir nicht als denselben zu begreifen", sagte Stiglegger.
Das Problem mit der Mimik
Diese Anonymisierung durch das Tragen einer Maske sei in westlichen Kulturen ungewohnt. "Deswegen haben wir diese exzessive Diskussion der Gesichtsverschleierung aus religiösen Gründen", erklärt der Kulturwissenschaftler. In asiatischen Kulturen sei das relativ etabliert. Da würde das Tragen der Maske als Schutz von Anderen angesehen.
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Da die Fixierung auf Gesichtsmimik stark verloren gehe, müsse man sich laut Stiglegger mit anderen Zeichensystemen behelfen. Ein Versuch sei es die Statementmaske – das Benutzen von freundlichen Farben und weniger die Betonung des Medizinischen. Das Mitmenschliche soll in en Mittelpunkt gerückt werden. Stiglegger sagt aber auch: "Aber das Befremdliche bleibt".
Bezogen auf die Bedeutung der Maske konstatierte Stiglegger, dass alles, was öffentliches Auftreten betreffe, eine Stilfrage sei. Politikerinnen und Politiker würden noch etwas unbeholfen wirken, doch sie seien oft bemüht, bestimmte Zeichen zu setzen. Das Tragen von Masken könnte nämlich auch Sicherheit und Bewusstsein und verantwortungsvolles Handeln kennzeichnen.
Verpflichtungen werden eher befolgt als Empfehlungen
Denn es habe sich in asiatischen Ländern gezeigt, dass das Tragen von Masken dabei helfe, Ansteckungen zu reduzieren, zum Beispiel auch bei einer einfachen Grippe. "Ich würde mir durchaus wünschen, dass auch in Zukunft, wenn wir die Pandemie überwunden haben, Leute, die Erkältungskrankheiten haben, auf die Weise zurückhaltend sind und andere schützen."
Bezüglich einer Maskenpflicht meint Stiglegger, dass dieses Umdenken ein Prozess sei, der mit der Forderung oder Empfehlung gleichermaßen in Gang gesetzt würde. Er sagt aber auch: "Wir müssen in den letzten Wochen leider beobachten, dass alle Dinge, die verpflichtend gemacht wurden, eher befolgt wurden, als die, die nur empfohlen wurden."