Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Schutz vor der nächsten Sturmflut

Der prognostizierte Meeresspiegelanstieg als Folge des Klimawandels stellt den Deichbau vor immer höhere Anforderungen. In Schleswig-Holstein schützen Deiche 355 Kilometer Nordseeküste. Vor den ersten Stürmen und Sturmfluten des Herbstes werden derzeit die Deiche von der dänischen Grenze bis runter zur Elbe kontrolliert.

Von Annette Eversberg | 02.10.2007
    Der Hafen der Insel Nordstrand, Tor zu den Nachbarinseln Pellworm und Amrum, ist die erste Station auf der Herbstdeichschau im Küstenabschnitt vor Husum. Zwei sogenannte Sieltore im Deich sind diesmal von besonderem Interesse. Die Steuerung läuft jetzt automatisch und ist zur Sicherheit gleich mit dem Sperrwerk in Husum verbunden. Eine Modernisierungsmaßnahme zum einen, aber auch eine Anpassung an die Prognosen zum Klimawandel. Küstenschützer Hans-Dieter Schulz aus Husum:

    "Im letzten Winter haben wir gemerkt, dass wir doch erhöhte Wasserstände hatten, zwar keine bedrohlichen, aber doch so immer ein bis zwei Meter über der mittleren Tidehochwasserlinie. Und aus dem Grunde ist es dann schon erforderlich, dass die Tore auch schließen, und dass auch entsprechende Sicherungsmaßnahmen vorhanden sind. "

    Wichtig für eine Insel, die vollständig unterhalb des Meeresspiegels liegt. Nur einige Meter weiter, die nächste Schwachstelle. Bei einer Sturmflut, berichtet Deichbaufachmann Günter Kruse, droht die Nordsee über den Deich zu schwappen:

    "Der Überlauf ist so hoch, dass wir die Sicherheit der Insel nicht mehr gewährleisten können. Und die Deichhöhen sind errechnet worden an einem Wasserstand im Jahre 2100 und einem Überlauf von zwei Litern pro Sekunde auf der Länge von einem Meter. "

    Das würde bedeuten, dass ohne eine Deichverstärkung in diesem Bereich das Land hinter den Deichen in kürzester Zeit vollaufen könnte. Deshalb soll hier mit fast neun Metern der höchste Deich an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste entstehen. Bei all diesen Maßnahmen, die im Generalplanküstenschutz erfasst sind, wird ein Meeresspielanstieg von 50 cm bereits eingerechnet. Unabhängig davon, ob die Prognosen nun sicher sind oder nicht. Aber die Höhe der Deiche zur Abwehr von Sturmfluten ist inzwischen nur ein Faktor. Denn zu den Klimaprognosen gehört auch, dass es im Norden Deutschlands wärmer wird und die Regenfälle zunehmen. Im letzten Winter war das der Fall. Dann weichen die Deiche stellenweise auf, erläutert Hans-Dieter Schulz:

    "November, Dezember, Januar, Februar, wenn es dann viel regnet, haben wir schon Probleme. Wenn durch Wellengang Ausspülungen und Löcher an der Außenböschung am Deich entstehen, wo die Grasnarbe geschädigt ist. Und die Grasnarbe wird eben dadurch geschädigt, dass wir wegen der Feuchtigkeit das Treibselgut nicht rechtzeitig abfahren können. "

    Die Nordsee spült Zweige aber auch Müll ans Ufer. Getrieben vom Wellengang schlägt dieses Treibgut Löcher in den weichen Deich. Denn an der deutschen Nordseeküste sind die Deiche aus Klei und mit Rasen abgedeckt, auf denen Schafe weiden. Wenn die Deiche weich werden, sinkt die Sicherheit. Peter Beismann stammt von Nordstrand und hat viele Stürme mitgemacht:

    "Wenn jetzt die Niederschlagsereignisse noch häufiger kommen und verstärkt Sturmfluten kommen und die Deichoberflächen auch noch vernässen, dann wird es schon kritisch. "

    Deshalb wird an diesem Tag viel darüber diskutiert, wie man die Steigung einiger Deichböschungen zur Nordsee hin so abflacht, dass sie statt 20 Prozent nur noch etwa 12 Prozent betragen. Um die Kraft der Nordseewellen zu bremsen, die das Treibgut gegen die Böschung schlägt. Aber nicht nur die Deichbauer müssen sich für schlechtere Klimabedingungen rüsten. Auch Feuerwehrleute und Bundeswehr, die sich im Katastrophenfall ehrenamtlich um den Schutz der Menschen hinter den Deichen kümmern. Oder Landwirte wie Hans Friedrichsen, die dafür sorgen, dass das Regenwasser von den Feldern in die Nordsee abfließen kann:

    "Natürlich haben wir auf den Flächen eine gewisse Versickerung. Und auch die Grundwasserneubildung findet ja über landwirtschaftliche Flächen statt. Dafür müssen wir Oberflächenwasser abführen können. Und gerade zum Herbst hin werden ja alle Gräben gereinigt, damit wir, wenn wir höhere Niederschläge haben, eine ordnungsgemäße Entwässerung durchführen können. "

    Wenn sich Regenwasser vor den Deichen staut, kann das zu Schäden führen. Da wo es schon immer kritisch war, hat man bereits Deiche mit Teer abgedeckt. Vor allem in Holland. Ausgeschlossen ist es nicht, dass dies auch an der deutschen Nordsee einmal der Fall sein könnte. Für Frerks Petersen vom schleswig-holsteinischen Nationalpark-Amt wäre das ein Verlust. Auch für die Natur:

    "Allein vom Erscheinungsbild und für den Tourismus ist es natürlich ganz wichtig, dass die Deiche grün sind. Für die Vogelwelt natürlich auch. Gerade grüne Deiche haben einen ganz anderen Wert für die Natur. Das ist völlig klar. "