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Schwaben-Festival in Berlin
Tanz, Theater und Performance aus dem Ländle

Schwaben haben in Berlin nicht den besten Ruf. Sie gelten als besserwisserisch und bieder. Ein Theaterfestival in der Hauptstadt will mit den Vorurteilen aufräumen. Die "Schwabensause" findet in einem der gefragtesten Theatern Berlin statt - den Sophiensälen.

Von Oliver Kranz | 31.03.2016
    Eine Szene des Theaterfestivals "Schwabensause", welches gerade in den Berliner Sophiensälen zu sehen ist
    Eine Szene des Theaterfestivals "Schwabensause", welches gerade in den Berliner Sophiensälen zu sehen ist (Rob Lewis)
    Im Foyer hat die Gruppe Monster Truck eine große Tribüne aufgebaut, über der ein Schild mit der Aufschrift "Zuschauer" hängt. Es scheint also ungefährlich zu sein, sich dort hinzusetzen. Doch dann wird das Schild getauscht. Auf einmal sollen nur noch Arbeitslose auf der Tribüne sitzen.
    "Wir hatten diese Aktion an vier Tagen im Stuttgarter Stadtraum an zentralen Plätzen und sind da auch mit provokanteren Titeln reingegangen."
    Martina Grohmann leitet das Theater Rampe, an dem die Gruppe Monster Truck in den letzten zwei Jahren gearbeitet hat.
    "Die Stadtgesellschaft sollte sich dann zu einzelnen Randgruppen oder unterrepräsentierten Gruppen zugehörig bekennen" - zu Gruppen wie den Hells Angels, Drogenabhängigen und Hare-Krishna-Jüngern.
    "Es ist doch interessant, welche Labels ziehen und welche nicht. Ich kann nur beschreiben, dass bei den Arbeitslosen wir tatsächlich ein Problem hatten, Leute zu finden, die bereit dafür sind, sich im arbeitsamen Schwabenland sich dazu zu bekennen. Auf der anderen Seite: die Tribüne mit Depressiven war voll."
    In Berlin wäre es interessant gewesen, ein Schild mit der Aufschrift "Schwaben" über der Tribüne anzubringen. Denn mit den Zugezogenen aus Süddeutschland haben viele Hauptstädter Schwierigkeiten. Sie seien die zweitstärkste Immigrantengruppe nach den Türken, wird gemunkelt. Außerdem wüssten sie alles besser und mieteten die besten Wohnungen. Ob die Sophiensäle wegen dieser Vorurteile bei der Festivaleröffnung so leer waren? Franziska Werner schüttelt den Kopf. Sie leitet die Sophiensäle:
    "Ein Festival mit Theater und Tanz aus Baden-Württemberg würde in Berlin weniger Aufmerksamkeit erzeugen, als wenn man Schwaben drüber schreibt."
    Performer kommen fast alle nicht aus Schwaben
    Ironischerweise treten bei dem Festival kaum echte Schwaben auf. Die Produktionen sind zwar alle in Baden-Württemberg entstanden, aber die Performer kommen aus aller Herren Länder. Im Stück "Infanten" zum Beispiel treten mit Hilde Labadie und Dwayne Toemere zwei Niederländer auf. Die beiden haben Kleinkinder beobachtet, die noch nicht sprechen können. Wie drücken sie sich aus?
    Die beiden heulen, betasten Gegenstände und strahlen vor Glück, wenn es ihnen gelingt, ihre ersten Schritte aufrecht zu laufen.
    "Wie drückt man sich aus? Wie funktioniert so ein Körper? Wie sind so erste Sprachversuche? Auch ein Vorgang von Weltbeschreibung und vielleicht auf Welteroberung. Das finde ich einen sehr spannenden Vorgang auf der Bühne."
    Das Stück hat beim Festival "6 Tage Glück" in Stuttgart einen Publikumspreis erhalten und erntete auch in Berlin viel Applaus - ebenso wie die Produktion "Endless Refill" von Eric Trottier und Karel Vanek. Die beiden lassen vier Männer auf einem schachbrettartigen Muster tanzen - mal langsam, mal rasend schnell.
    "Es sind vier Männer, die das tanzen, und ungewöhnlich ist, dass das verschiedene Altersstufen sind – also von Mittzwanziger bis in die 60er rein. Das ist höchstspannend, weil man sieht an der Körperlichkeit, wie sind die Kräfte? Was ist die Qualität von jemandem, der ein älterer Tänzer ist? Diese Endlichkeit von Ressourcen kann man ganz gut dann im Tanz und in der Bewegung sehen."
    Experimentierfreudigkeit gibt es zu sehen
    Die Produktionen, die bei der Schwabensause zu sehen sind, sind alle sehr verschieden. Inhaltliche oder ästhetische Trends lassen sich nicht an ihnen ablesen - wohl aber eine große Experimentierfreudigkeit. Franziska Werner ist begeistert. Bisher hat sie sich als Leiterin der Sophiensäle vor allem um internationale Kooperationen bemüht. Jetzt will sie verstärkt Partner im Inland suchen.
    "Zu sagen, schickt doch mal euer Programm zu uns und wir schicken unser Programm zu euch, das passiert viel zu wenig. Das ist etwas, was wir in den nächsten Jahren regelmäßig machen wollen. Das heißt nächstes Jahr wird es eine Berlin-Woche im Theater Rampe in Stuttgart geben. Ich würde das auch gern mit Bremen machen oder mit Düsseldorf."
    Es sollen also nicht nur Schwaben in Berlin über die Bühne sausen. Der Austausch von Gastspielen und Festivalprogrammen mit anderen Städten ist längst schon angedacht.
    Noch ist Schwabensause in Berlin. Das Festival in den Sophiensälen läuft noch bis zum 2. April.