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Schwache Opposition in Bayern
Höfliche Kritik am Polizeigesetz

Verdeckt ermitteln, Telefone abhören, Daten ausspähen: All das soll die bayerische Polizei künftig auch ohne konkreten Verdacht dürfen. Das von der CSU geplante Polizeigesetz ist umstritten. In der Debatte darum zeigt sich, wie schwach die Opposition in Bayern ist.

Von Tobias Krone | 12.04.2018
    Neue Uniformen für die bayerische Polizei hängen in der Polizeiinspektion Erlangen (Bayern) anlässlich der Auslieferung der neuen Uniformen für die Beamten
    Mit der Polizei will sich in Bayern jeder gutstellen (picture alliance/ dpa/ Daniel Karmann)
    Die CSU in Bayern legt zu – zumindest in den Umfragen. Von 36 Prozent kurz vor Weihnachten auf inzwischen 44 Prozent. Und damit wächst in der Partei die Hoffnung, bei der Landtagswahl im Herbst die absolute Mehrheit verteidigen zu können.
    Doch noch muss sie ein paar Schippen drauflegen. Und das hört sich bei Innenminister Joachim Herrmann so an:
    "Seit einigen Wochen haben vor allem Vertreter der Linken und der Grünen und einige andere Gruppierungen eine geradezu unsägliche Desinformationskampagne gegen die Reform des Polizeiaufgabengesetzes begonnen. Es werden hemmungslos Lügen und Unwahrheiten verbreitet."
    Herrmann tritt nicht nur als Verteidiger der eigenen Wahrheit in die Debatte, sondern auch als Kämpfer für Polizisten. Denen will er mit Neuerungen beim bayerischen Polizeiaufgabengesetz mehr Befugnisse schenken – oder aufbürden, je nachdem.
    Grüne Spitzenkandidatin im Rampenlicht
    Seinen Gegnern in der Opposition wirft er Faktenverfälschung vor. Zumindest die Grünen geben sich unbeeindruckt. Spitzenkandidatin Katharina Schulze:
    "Wenn die CSU jetzt nervös wird, weil immer mehr Menschen auf die Straße gehen, immer mehr Menschen auf einmal E-Mails schreiben an die CSU-Abgeordneten und ihnen sagen: Sag a mal, ganz ehrlich, was macht Ihr denn da eigentlich mit unserem Rechtsstaat? Dann kann ich nachvollziehen, dass die CSU nervös wird. Aber ehrlich gesagt ist das nicht mein Problem, sondern das Problem der CSU."
    Katharina Schulze strahlt übers ganze Gesicht. Endlich steht die 32 Jahre alte Spitzenkandidatin der Grünen voll im Rampenlicht. Sie ist jung, gewitzt und die Expertin für Innenpolitik der Partei – Herrmanns Vorwurf der Faktenverfälschung lässt sie abblitzen.
    Die Fakten sprächen ja für sich, sagt sie, da müsse man gar nicht übertreiben. Und erlaubt sich in der von ihr initiierten "Aktuellen Stunde" im Landtag dann doch diese Spitze:
    "Kolleginnen und Kollegen, wir verteidigen unsere Freiheit gegen alle, die sie beschneiden wollen. Gegen religiöse Fundamentalisten, gegen antidemokratische Autokraten – und in diesem Falle auch gegen die CSU."
    Wachsweiche Sozialdemokraten
    Die Freiheit gegen die CSU verteidigen: Das wollen in diesen Wochen alle Oppositionsparteien im bayerischen Landtag. Nur funktioniert das bei den Grünen offenbar besser als bei den anderen. Die SPD hört sich für manch einen wachsweich an:
    "… dass mit diesem Gesetzentwurf schon ein bisschen Abschied vom Polizeirecht des liberalen Rechtsstaats genommen wird."
    Noch höflicher als Franz Schindler von der SPD klingt nur noch Eva Gottstein von den Freien Wählern:
    "Und wir bitten Sie deshalb, das nicht so zu verabschieden – wir werden umsonst bitten…"
    Nun ja. Das hochumstrittene Kapitel "Polizeiaufgabengesetz" - es offenbart die Stärken und Schwächen der Oppositionsparteien.
    Schwammiger Rechtsbegriff
    Für manche ist es eine Chance, wie für die Grünen, die in den Umfragen immerhin drei Prozentpunkte dazugewonnen haben. Sie profitieren auch von der Schwäche und Unschlüssigkeit der Sozialdemokraten.
    Dazu muss man die Vorgeschichte des neuen Polizeiaufgabengesetzes kennen. Schon im Sommer verabschiedete die CSU im Landtag eine umstrittene Neuerung: die Unendlichkeitshaft. Nur in Bayern dürfen seither potenzielle Gefährder unbefristet weggesperrt werden. Das Argument war damals das gleiche wie heute: Der neu eingeführte, schwammige Rechtsbegriff der "drohenden Gefahr".
    "Wir Grüne haben damals schon als einzige Fraktion gegen den Gesetzentwurf gestimmt", sagt Katharina Schulze. "Ich kann’s immer noch nicht ganz fassen, dass SPD und Freie Wähler sich damals nur enthalten haben."
    Die Grünen klagen inzwischen vor dem Verfassungsgerichtshof gegen das Gesetz. Die Sozialdemokraten dagegen beklagen ihre eigene Lethargie. Franz Schindler erzählt von der internen Diskussion damals:
    "Wenn wir da dagegen stimmen, dann wird uns vorgehalten, wir stünden auf der Seite der Gefährder. Zustimmen wollten wir auch nicht, weil wir damals schon genau diese Problematik mit der 'drohenden Gefahr' gesehen haben, sodass wir uns damals dummerweise, muss ich heute sagen, für eine Enthaltung entschieden haben – aus taktischen Gründen, muss ich leider zugeben -, die im Nachhinein gesehen falsch waren."
    Nun, mitten im Wahlkampf, schwindet für seine Partei die Glaubwürdigkeit. In den Umfragen rangiert die SPD derzeit bei knapp 15 Prozent. Man kann also nicht behaupten, die Enthaltung hätte den Sozialdemokraten gut getan.
    Die Polizei finden alle gut
    Anders bei den Grünen, sagt Katharina Schulze:
    "Ich selber, ich habe zwei grüne Polizeikongresse in dieser Legislaturperiode gemacht, ich war schon auf mehreren Nachtschichten unterwegs. Und wir setzen uns regelmäßig dafür ein, dass unsere Polizei personell und ressourcenmäßig gut ausgestattet ist."
    Klar. Mit der Polizei will sich in Bayern in diesen verunsicherten Zeiten jeder gutstellen. Sowohl die Grünen - "Wir Grünen stehen zu unserer bayerischen Polizei" als auch die SPD: "...dass die bayerische Polizei schon jetzt hervorragend arbeitet..."
    Schließlich ist es in Bayern statistisch so sicher wie die vergangenen 30 Jahre nicht. Klar, dass auch Eva Gottstein von den Freien Wählern konstatiert, "dass das Vertrauen in unsere Polizei riesig ist. Es ist die anerkannteste Berufsgruppe, die wir bei Umfragen haben. Aber…"
    Wohlgemerkt, die Freien Wähler, eine Partei, die sich wirklich nicht dem Verdacht von Polizistenfeindlichkeit aussetzen muss, die die Vorratsdatenspeicherung befürwortet – und Namensschilder an Polizeiuniformen ablehnte, wagt im Innenausschuss des Landtags dieses "Aber".
    "Wir sehen schon auch so ein bisschen einen Generalverdacht dem Bürger gegenüber, wenn man auch in Gefahrenvorfeld letztendlich, ohne bis jetzt verlässliche Kriterien zu haben, sagt: Hier habe ich schon meine Befugnisse und hier darf ich polizeilich tätig werden."
    Mitte Mai soll der bayerische Landtag über das Gesetz letztgültig abstimmen. Höchstwahrscheinlich tritt es noch vor der Landtagswahl im Oktober in Kraft.