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Schwarz-gelbe Koalition in Bayern auf der Kippe

Die CSU würde die Studiengebühren gerne im Parlament abschaffen, weil sonst im Herbst dazu ein Volksentscheid droht. Die FDP möchte lieber die Bürger abstimmen lassen. Ministerpräsident Horst Seehofer könnte sich mit diesem Streit selbst Schachmatt setzen.

Von Michael Watzke | 07.02.2013
    Horst Seehofer auf Wahlkampftour in der Oberpfalz. Beim traditionellen Rossmarkt in Berching empfängt ihn eine Kinder-Blaskapelle.

    "Grüßt Euch. Spielt's, wie ihr's gelernt habt, gell?"
    "Extra für den Ministerpräsidenten: die Bayernhymne!"

    Die kleinen Musiker geben sich alle Mühe - aber es klingt schräg - disharmonisch - so wie es seit Tagen in der schwarz-gelben Regierung zugeht. Die Studiengebühren spalten die Koalition in Bayern. Der CSU-Chef gibt sich kompromisslos:

    "Die werden abgeschafft. Die sind weder zeitgemäß noch gerecht. Deshalb werden wir sie schlicht und einfach abschaffen!"

    Erst kürzlich haben 15 Prozent der bayerischen Bevölkerung per Volksbegehren gefordert, die Studiengebühren abzuschaffen. Das Parlament kann dem Begehren zustimmen - das will die CSU. Oder es lehnt ab und lässt das ganze Land per Volksentscheid abstimmen. Das will die FDP, erklärt Fraktionschef Hacker:

    "Unsere Position ist klar: Wir wollen den Volksentscheid zusammen mit dem Wahltag. Die Bürgerinnen und Bürger haben das gefordert, und diesen Wunsch wollen wir respektieren. Punkt."

    Punkt, sagt der Liberale. "Keine Kompromisse", fügt sein Parteifreund Tobias Thalhammer hinzu. In der Münchner FDP kursiert sogar schon eine Einladung zu einer Sitzung, unter TOP 6 heißt es da: "Sofortmaßnahmen Wahlkampf bei vorgezogener Wahl."
    Sollte die Koalition im Freistaat tatsächlich sieben Monate vor dem regulären Wahltermin am Thema Studiengebühren zerbrechen?

    "Ich würde im Moment die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns verständigen, als höher einstufen als die Möglichkeit, dass es scheitert."

    Seehofers Einschätzung klingt nur scheinbar abwiegelnd. Denn sie bedeutet: Es steht Spitz auf Knopf. Der bayerische Ministerpräsident weiß: Die FDP will keine vorgezogene Wahl, denn die Liberalen kommen in Umfragen auf gerade mal drei Prozent. Und ihr Wirtschaftsminister Martin Zeil müsste um seinen Posten fürchten. Er wiegelt ab.

    "Der Wahltermin wird nicht vor dem 15.September liegen. Die Staatsregierung hat sich verständigt, dass der Wahltermin am 15.September sein wird."

    Aber nur, wenn die CSU-Abgeordneten im Landtag vorher nicht gegen die Studiengebühren und damit gegen den Koalitionsvertrag stimmen. Die Opposition zieht die CSUler derzeit am Nasenring durch das Maximilianeum: Die Schwarzen seien erst für, dann gegen, dann wieder für und wieder gegen die Studiengebühren, unkt die SPD-Abgeordnete Isabell Zacharias genüsslich.

    Zwischenzeitlich ist sogar schon zu beobachten, dass immer mehr Christdemokraten bei den regelmäßigen Dringlichkeitsanträgen der Opposition nicht im Plenarsaal sitzen, sondern - um nicht abstimmen zu müssen - heimlich auf der Toilette verschwinden. "Harndrang statt Fraktionszwang" witzelt Claudia Stamm von den Grünen.

    Die Opposition will die CSU bis September in punkto Studiengebühren quälen - mit Abschaffungsanträgen. Das werden die Seinen nicht monatelang durchhalten, fürchtet Parteichef Seehofer und warnt:

    "Dass es für die CSU objektiv sehr schwer wäre, die Weggabelung Volksentscheid zu gehen. Das sehen Sie ja an den Abgeordneten. Die sagen schlicht und einfach: Es geht um unsere Glaubwürdigkeit. Die schätzen sie höher ein als alles andere."

    Gestern Abend trafen sich FDP und CSU in kleiner Runde in der Staatskanzlei zum Vermittlungs- im Klarext: Krisengespräch. Kurz vor Mitternacht gab's dann einen Schnaps - aber kein Ergebnis. Ein müder CSU-Fraktionschef Georg Schmid erklärt:

    "Wir haben uns aufeinander zubewegt und haben festgelegt, dass wir bis zur nächsten Plenarwoche eine Verständigung herbeiführen wollen."

    Die nächste Plenarwoche beginnt Montag in einer Woche. Davor steht der Politische Aschermittwoch an, in Bayern wird dann traditionell die Wahlkampftrommel geschlagen.

    Und die SPD hat schon mal die Homepage www.drehhofer.de gestartet. Auf ihr wollen sie dokumentieren, dass Horst Seehofer seine Meinung so häufig wechselt wie das Wetter in der Oberpfalz.

    Dort, auf dem Marktplatz von Berching, erhebt der bayerische Ministerpräsident seine Form der Politik zur Staatskunst:

    "Wenn Sie heute die Geschichtsbücher lesen, dann werden Sie feststellen, dass die Historiker schreiben, dass dieses Wechseln - einmal da und einmal dort, aber immer auf der Seite der Erfolgreichen - dass dies ein historischer Weitblick war. So steht es heute bei Hubensteiner, der die bayerische Geschichte geschrieben hat."

    Die Bayern, sagt Seehofer, hätten immer auf der Seite der Sieger gestanden. Und wenn sie ausnahmsweise mal zu verlieren drohten, hätten sie schleunigst die Seiten gewechselt.

    Aber wo ist im Streit um die Studiengebühren die Gewinnerseite? Verlieren am Ende nicht beide - CSU und FDP, wenn sie sich nicht einigen?

    Neulich hat Seehofer mit Angela Merkel telefoniert. Ihr hat er schon oft kluge Tipps in punkto Wahlkampftaktik gegeben. Dieses Mal aber war sie die Ratgeberin. Beendet die Diskussion um die Studiengebühren schnell, hat sie empfohlen, soviel lässt Seehofer durchblicken. Aus gutem Grund: Scheitert Schwarz-Gelb in Bayern an dieser - aus Berliner Sicht - Kleinigkeit, wird auch Schwarz-Gelb auf Bundesebene wanken.

    "Es würde der Koalition auch nicht bekommen, daraus eine Endlos-Unterhaltung zu machen."

    Eine Einigung muss her. Schleunigst. Derzeit aber spielen CSU und FDP in Bayern noch Beamtenmikado: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren.