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"Schwarze Ernte" am HAU Berlin
Öl und Terror

Wie hängen Erdölgewinnung, Religion und internationaler Terrorismus zusammen? Das Dokumentartheater-Duo Regine Dura und Hans-Werner Kroesinger hat mit "Schwarze Ernte" eine Parabel auf globale Verknüpfungen geschrieben. Im Hebbel am Ufer in Berlin wurde "Schwarze Ernte" nun uraufgeführt.

Von Eberhard Spreng | 06.05.2019
Eine Szene aus Hans-Werner Kroesinger & Regine Duras "Schwarze Ernte" am Berliner HAU
Eine Szene aus Hans-Werner Kroesinger & Regine Duras "Schwarze Ernte" am Berliner HAU (HAU / David Baltzer)
Im September des letzten Jahres traf Außenminister Heiko Maas im New Yorker UN-Gebäude mit dem saudischen Amtskollegen Adel al-Dschubeir zusammen, stellte sich hinter ein Mikrophon und verlas einige zerknirschte Sätze des Bedauerns über eine Zeit der "Missverständnisse" im Verhältnis der beiden Länder. Das wird gegen Ende des etwa eineinhalbstündigen Abends über die Verflechtungen des globalen Ölmarktes und des internationalen Terrorismus erzählt, als eine von vielen Geschichten ums Leitthema Öl. Um Deutschland geht es in "Schwarze Ernte" aber nur am Rande. Der Aufstieg Saudi Arabiens zu einem globalen Player und die des saudischen Königshauses geschehen auf einer Machtachse zwischen den USA und der arabischen Halbinsel. Sie haben illustre Wegbereiter: Den einstigen Standard-Oil-Chef John D. Rockefeller z.B. und später vor allem den amerikanischen Präsidenten Roosevelt sowie den ersten König Saudi-Arabiens, Ibn Saud. Wir wissen das alles aber es ist natürlich immer wieder verdienstvoll, es in einen größeren historischen Zusammenhang zu stellen.
Erdöl, Plastik, Wahhabismus
"Öl. Übrig gebliebene Kohlenwasserstoffe aus einst lebenden Dingen, die sich in Millionen von Jahren des Begrabenseins gebildet haben."
Mitunter in etwas sehr bedeutsamem Grundton belehren uns die vier Performerinnen und Performer mit Schulbuchwissen über Erdölvorgeschichte. Und es wird erklärt, was man aus Erdöl so alles machen kann, eben auch Plastikprodukte. Kunststoffstrohhalme zum Beispiel. Claudia Splitt zerreißt nun eine Großpackung mit vielen dieser bunten Dinger; die fallen zu einem Riesenmikado auf den Boden und werden zunächst behutsam wieder aufgehoben. Dann steckt man sie zu langen Reihen zusammen - klar, was das sein soll: eine Pipeline. Und die verbinden dann ein paar Becherchen, die mit einer einer zähen, schwarzen Flüssigkeit befüllt sind. Mit der werden dann auch Schriftzüge auf die weiße Rückwand gemalt. Im Scrabble-Stil entstehen so Sinnkreuzungen wie Öl, Blut, USA mit dem Dollarzeichen in der Mitte und dem gemeinsamen letzten Buchstaben a von Europa. Auf dem Dollarzeichen endet dann auch das später ergänzte Wort Wahhabismus.
Das Öl macht alles schwarz
"Die Mischung von saudischem Wahhabismus und Petrodollars ist ungefähr so, als habe der Ku-Klux-Klan in Texas die absolute Macht übernommen und missioniere nun mit den Ölgeldern die ganze Welt ein seinem Sinne."
Es wird erklärt, wie die Propagierung der puristischen Religionspraxis der Wahhabiten von Saudi-Arabien aus in die islamische Welt kam. Sie war zunächst nur minoritäres Sektendenken, entworfen vom arabischen Fundamentalisten 'Abd al-Wahhāb. Erklärt wird auch, wie Saudi-Arabien 1979 erstmalig bei der Besetzung der großen Moschee zahllose Todesopfer eines islamistischen Umsturzversuches zu beklagen hatte. Wie aus den ehemaligen, von den USA ausgerüsteten Mujaheddin in Afghanistan der Al-Quida Terrorismus wurde, wie der internationale Geldtransfer zur Finanzierung des globalen Dschihad funktioniert. Währenddessen verschwinden die Farben aus der Bühneninstallation. Die bunten Röhrchen verdunkeln sich durch den Kontakt mit den rohölschwarzen Fingern der Akteure und werden später ganz durch schwarze Trinkhalme ersetzt. Die schwarze Flüssigkeit rinnt nun unaufhaltsam von einem Waschbecken auf den Boden und von der Oberkante der weißen Bühnenkonstruktion auf die Rückwand.
Wer steckt seine Petrodollars in die Terrorfinanzierung?
"Paint It, Black" von den Stones und zuvor "Seasons In The Sun" von Terry Jacks sind vielleicht etwas zu naheliegende Musikbeigaben für Wüstenhitze und schwarze Ölmalerei. Musikalisch begleitet wird der Abend von Mattef Kuhlmey. Aber inhaltlich bleibt er im Kernpunkt seiner Fragestellung merkwürdig unklar, der zentralen Frage, wie der internationale Terrorismus nun genau mit der Herrschaft einer menschenreichen Dynastie zusammenhängt. Deren Kronprinz Mohammed bin Salman behauptet von sich, den Terror zu bekämpfen. Wer aus der Königsfamilie steckt denn nun seine Petrodollars in die Terrorfinanzierung? Eine präzise Fallstudie zu dieser Frage hätte man sich gewünscht. So bleibt es ein performativer Dokumentartheater-Abend, bei dem man sich ständig fragt, wann denn nun außer Wikipedia-Wissen endlich ein weitergehender Erkenntnisgewinn kommt.