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Schwarze Katze auf heißem Blechdach

Liz Taylor und Paul Newman haben 1958 in der Verfilmung von Tennessee Williams' "Katze auf dem heißen Blechdach" den Hauptfiguren ihr Gesicht gegeben. In der Geschichte um eine von Missgunst und Habgier zerfressenen Familie im weißen Amerika stellten damals die Diener die wohl einzigen schwarzen Charaktere. Jetzt ist Tennessee Williams' Meisterwerk in New York mit einer rein afroamerikanischen Besetzung auf die Bühne gekommen.

Von Andreas Robertz | 10.03.2008
    Es hat etwas Bilderstürmerisches, Tennessee Williams’ berühmte Südstaatengeschichte mit einem rein afroamerikanischen Ensemble aufzuführen. Es durchbricht Sehgewohnheiten und kulturelle Selbstverständlichkeiten.

    Als 1955 in der dunklen Zeit vor der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung die Pulitzerpreis-gekrönte "Katze" auf dem Broadway ihre Uraufführung hatte, waren die beiden Diener Lacey und Sookey sicher die einzigen schwarzen Charaktere auf der Bühne. Die Geschichte über den trinkenden Brick, die unglückliche Maggie und den Patriarchen Big Daddy wurde zu einer Metapher für die auf Lügen aufgebaute Geschichte des weißen Amerika.

    Nun, 50 Jahre später, sehen wir zum ersten Mal diesen Klassiker, ja Tennessee Williams überhaupt, in einer rein afroamerikanischen Besetzung auf dem Broadway. Natürlich bieten afroamerikanische Theaterhäuser - wie zum Beispiel das Classical Theatre of Harlem - jede Menge Klassikerbearbeitungen, aber neben Autoren wie Shakespeare, Euripides, Beckett, Brecht und Genet finden sich dort keine zeitgenössischen Klassiker von weißen Autoren.

    Die Regisseurin Debbie Allen hat sich für ihre "Katze" mit Terrence Howard als Brick und James Earl Jones als Big Daddy ein hochkarätiges Ensemble zusammen gesucht. Terrence Howard ist seit seiner Oskar Nominierung für "Hustle and Flow" und "L.A. Crash" zu einem neuen Hollywood-Superstar avanciert und zum ersten Mal auf dem Broadway zu sehen. Und James Earl Jones, den die meisten als die Stimme von Darth Vader in Erinnerung haben, ist mit mehreren Tony- und Obie-Awards einer der bekanntesten schwarzen Schauspieler auf dem Broadway überhaupt.
    Dabei lässt die Regisseurin ihre Schauspieler nicht einfach "weiße Charaktere" spielen, sondern inszeniert sie als Schwarze, die in ihrer Sprache, Kultur und Körperlichkeit in den Südstaaten zu Hause sind. Das Ensemble hat nichts von der kühlen, tragischen Zurückgezogenheit einer Elisabeth Taylor oder eines Paul Newman.

    Sie sind körperlich, witzig und emotional. Sie leben von einem Lebensgefühl, in dem Tragik und Komik sehr eng beieinander liegen. Dies führt leider teilweise zu einer klischierten Darstellung mit einem für den Broadway nicht ungewöhnlichen, aber für dieses Stück viel zu starken "entertaining"-Charakter, der von der Tragik der Situation und seiner Protagonisten ablenkt.
    Die Tatsache, dass alle Figuren Mitglieder einer wohlhabenden afroamerikanischen Südstaatenfamilie sind, deren Reichtum auf dem Besitz von alten Baumwollplantagen beruht, gibt dieser Lesart etwas Delikates. So geht zum Beispiel ein zustimmendes Raunen durch das meist afroamerikanische Publikum des völlig ausverkauften 1200 Plätze-Hauses, wenn James Earl Jones als Big Daddy in kleiner Veränderung zum Originaltext sagt, er habe sich bereits als junger Mann, als er auf den Plantagen arbeitete, entschieden, nicht deren "Nigger" zu sein.

    James Earl Jones ist der wahre Lichtblick dieses Abends. Mit seinem tiefen Bass und seiner fülligen Erscheinung verkörpert er auf rücksichtslose und vulgäre Weise den Patriarchen, der sich immer genommen hat, was ihm zustand, und der glaubt, dem Tod ein Schnippchen geschlagen zu haben. Im zweiten Akt verwandelt sich dann dieser große alte Mann des amerikanischen Films und Theaters auf beeindruckende Weise in einen Vater, der tief besorgt ist um das Leben seines alkoholkranken Sohnes und der die Wahrheit wissen will. Zwischen ihm und Terrence Howard als Brick entsteht ein atemloses Ringen um Wahrheit, Menschlichkeit und Nähe.

    Ohne James Earl Jones, der diesem Abend seine Tiefe gibt, würde die viel zu flach geratene Inszenierung von Debbie Allen wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Das Publikum bedankte sich mit einem tosenden Applaus und Standing Ovations. Ob sich die "Katze" allerdings auf dem Broadway halten kann, wird letztlich auch von dem weißen New Yorker Theaterpublikum entschieden. Ob sie kommen werden, bleibt abzuwarten.