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Schwarze Liste
Was Katholiken nicht lesen sollten

Der wahre Glaube ist in Gefahr. Davon ist ein italienischer Verlag überzeugt und will Klarheit schaffen: mit einem "Wörterbuch des gefährlichen Denkens". Das Buch behandelt Autoren, von denen aufrechte Katholiken besser die Finger lassen sollten. Der Verlag gehört zu einem Netz, das - unausgesprochen - in Opposition zu Papst Franziskus steht.

Von Thomas Migge | 06.02.2017
    Karl Rahner, deutscher, katholischer Theologe und Jesuit, aufgenommen 1984.
    Ein katholischer Verlag in Italien empfiehlt: Besser nicht lesen! Gefährlich! Der Theologe Karl Rahner sollte gemieden werden. (picture-alliance / dpa)
    "Das Wörterbuch des gefährlichen Denkens" und viele andere Publikationen des Verlages Il Timone richten sich gegen eine Kirche, wie sie Papst Franziskus anstrebt. Davon ist der Vatikan-Experte Marco Politi überzeugt:
    "Die Revolution, die Papst Franziskus in Gang gesetzt hat, macht ihm viele Feinde. Am gefährlichsten sind jene Feinde, die nicht offen auftreten, ihn nicht direkt angreifen. Das sind vor allem Persönlichkeiten aus seiner eigenen Kirche, die nicht mit seinen Vorstellungen zu einer armen Kirche für Arme, seine Idee einer transparenten Kirche einverstanden sind. Die es schlimm finden, dass er die Geschiedenen und Wiederverheirateten an der Eucharistie teilnehmen lassen will."
    Nichtgläubige sollen schweigen
    Gegen eine solche Kirche, die sich der Moderne anbiedere, so ist in den Publikationen des Verlags Il Timone zu lesen, wolle man entschieden kämpfen. Der Chef des Verlags macht kein Hehl daraus, welche Denkansätze er für gefährlich hält.
    "Als Erstes muss akzeptiert werden, dass Gott existiert. Wer behauptet, Gott existiere nicht, und trotzdem meint, über die Kirche sprechen zu müssen, nun, wie kann man solch eine Person ernst nehmen?"
    Gianpaolo Barra ist davon überzeugt, dass Nichtgläubige in Sachen Gott, Kirche und Religion besser ihren Mund halten sollten. Aber auch diejenigen, so sein Credo, sollten sich zurückhalten, die nur Teile dessen glauben, was Katholiken zu glauben hätten.
    "Auch wer an Gott glaubt, aber nicht an den historischen Wahrheitsgehalt der Evangelien, wer also die heiligen Texte in Zweifel zieht, ist für mich fragwürdig."
    Barra ist Direktor des Medienhauses Il Timone, auf Deutsch: das Ruder. Wie ein guter Kapitän plädiert er dafür, in der katholischen Kirche müsse endlich wieder jemand das Ruder fest in die Hand nehmen.
    Handbuch gegen religiöses Durcheinander
    Das Medienhaus, dem Barra vorsteht, publiziert eine Zeitschrift mit dem Titel "Il Timone" und verschiedene Bücher. Der Verlag nennt sich auch Institut für Apologetik. Verteidigt werden sollen die römisch-katholische Weltanschauung und die von ihr vertretenen Dogmen. Und weil diese in Gefahr sind, verwässert zu werden, so Gianpaolo Barra, bräuchten gläubige Katholiken ein Vademecum, ein Handbuch, damit sie sich im ideell-religiösen Durcheinander der modernen Zeit zurechtfinden. Aus diesem Grund gab Barra kürzlich das, auf Deutsch, "Elementare Wörterbuch des gefährlichen Denkens" heraus. Einer der 30 Autoren ist der Soziologe Massimo Introvigne. Ihm geht es darum, die Doktrin, die katholischen Dogmen zu verteidigen:
    "Denn ohne Doktrinen rutscht unser Glaube in eine Art Sentimentalismus ab."
    Und genau der, so Introvigne, müsse verhindert werden. Heute, so ist im Vorwort des "Wörterbuchs des gefährlichen Denkens" zu lesen, mache die Kirche keine Vorgaben mehr, wer ein gute oder schlechter, wer ein kirchenkonformer oder ein häretischer Autor ist. Das sei in früheren Jahrhunderten anders gewesen. Diese Lücke wollen der Verlag "Il Timone" und das "Institut für Apologetik" füllen. Sie geben Hinweise, welche Schriftsteller, Journalisten, Philosophen und Theologen ein praktizierender Katholik besser nicht lesen sollte.
    Etwa 200 Autoren gilt es demnach zu meiden: Etwa die Schriftsteller Dario Fo, Virgina Woolf und Umberto Eco, den Politiker Mahatma Gandhi, die Denker Descartes, Hegel und Kant, den Dichter Leopardi, den Bürgerrechtler Martin Luther King und viele andere. Das "Wörterbuch des gefährlichen Denkens" nimmt sich pro Kapitel einen dieser Autoren vor und versucht, dem Leser zu erklären, was an seinem Denken falsch ist und kirchlicher Lehre widerspricht.
    Besser nicht lesen
    Besser nicht lesen! Das gilt auch für einige Autoren der katholischen Kirche. Wie etwa den brasilianischen Bischof und Theologen Hélder Camara, den Jesuiten und deutschen Theologen Karl Rahner, den italienischen Kardinal Carlo Maria Martini. Selbst die Texte eines engen Freundes von Papst Franziskus sollten Katholiken besser meiden. Der Theologe Vito Mancuso ist demnach gefährlich. Ihm, wie auch 15 weiteren katholischen Geistlichen wird vorgeworfen, einen Katholizismus zu propagieren, der sich nach Moden ausrichtet und nicht mehr der katholischen Doktrin entspricht.
    Nicht wenige der Autoren von "Il Timone" arbeiten, wie auch der Verlag selbst, mit der in Rom ansässigen Nicht-Regierungsorganisation Dignitatis Humanae Institute zusammen, kurz DHI. Die Vereinigung wird unterstützt von Raymond Burke, jenem Kardinal, der zu den ersten gehörte, die Donald Trump zu seiner Wahl gratulierten und der als erklärter Gegner von Papst Franziskus gilt. Sie alle, Kardinal Raymond Burke, das DHI sowie das Medienhaus Il Timone mit seinem "Wörterbuch des gefährlichen Denkens", sind, so Vatikanexperte Marco Politi in Anspielung auf sein jüngstes Buch "Papst Franziskus unter Wölfen": Sie sind die Wölfe, die es auf jene Katholiken abgesehen haben, die anders denken als sie.