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Schwarzes Gold im Allgäu

Das anhaltend hohe Niveau des Ölpreises ist dafür verantwortlich, dass sich Unternehmen nun auch Gedanken über die verbliebenen deutschen Vorkommen machen. Eine kleine Firma geht im Allgäu auf Ölsuche.

Karl Urban | 05.01.2012
    "Wir suchen Öl. Wir sind eine kleine spezialistische Explorationsfirma, Rhein Petroleum, und wir suchen Öl. Die Leute haben ein paar Felder gefunden rund um Deutschland, die zugemacht worden sind, weil der Ölpreis war acht Dollar damals. Lohnte sich überhaupt nicht mehr. Aber mit dem neuen jetzigen Ölpreis:ganz andere Sache."

    Steve Hurman stapft über ein stoppliges Getreidefeld in der Nähe von Adelsried im Allgäu. Und er blickt zufrieden auf seine geschäftigen Kollegen. Knapp hundert Leute arbeiten hier: Mit Warnwesten bekleidet drücken sie Mikrofone in den Boden und verkabeln sie miteinander. Vermessungstechniker bestimmen ihre Positionen mit GPS-Geräten. Und ganz am Ende, wenn alles vorbereitet ist: Dann kommen sie.

    Ein Ameisen-förmiger Lkw, mit aufragendem Führerhaus, einem dünnen Mittelteil und hinten einem mächtigen Motor. Dahinter kommt ein zweites Fahrzeug in Sicht und schließlich ein drittes. Sie fahren völlig synchron an. Und halten abrupt. Drücken eine Platte in den Staub des Feldwegs, auf die sie ihr ganzes Gewicht abstützen. Und dann wird es laut.

    "Diese Energie geht [nach] unten in den Boden, ein paar Kilometer tief, wird unten reflektiert, kommt wieder zurück und wird aufgenommen von unseren Sensoren auf der Oberfläche."

    Es sind Schallwellen, die die Spezialfahrzeuge in den Boden senden. Die Wellen wandern durch Erde und durch das darunter liegende Gestein, kilometertief und ungestört, bis sie auf eine Veränderung im Gestein stoßen: Wo sich ein Hohlraum auftut oder sich plötzlich ein Sandstein mit großen Poren ausbreitet, da werden die Wellen reflektiert wie Wasser an einer Hafenmauer. Und ein Teil des Schalls reist nun rückwärts, zurück durch Gestein und Boden bis zu den 17.000 Mikrofonen von Steve Hurmans Team, wo es eine gute Sekunde später wieder aufgefangen wird.

    "Es kommt zurück, sieht total anders aus und der Unterschied ist die Erde."

    In einem Bauwagen mit meterhohen Antennen auf dem Dach sitzt Christopher vor fünf Bildschirmen. Wie ein Fluglotse überblickt er alle Bewegungen auf seinen fünf Bildschirmen und hält sich dabei ein Funkgerät an den Mund. Er gehört wie die Fahrer der Mess-Lkw zu Geofizyka Toruñ, einer polnischen Spezialfirma für geophysikalische Messverfahren. Und er wartet konzentriert auf das nächste Signal der drei Vibrations-Trucks, das nach seiner Reise durch die Erde hierher geleitet wird. Er kontrolliert, ob alle Daten angekommen sind und gibt dann über Funk das Signal zum Weiterfahren. Nach vierzig Metern halten die Fahrzeuge erneut und wiederholen die Prozedur. Zwei Monate brauchen sie für das 120 Quadratkilometer große Messgelände. Die eigentliche Auswertung der Daten benötigt dann noch einmal mehrere Monate. Und erst danach wissen die Geologen, ob es sich lohnt, ein neues Bohrloch zu platzieren:

    "Die Geologen studieren das Gebiet. Sie wissen, wie alles geformt wurde vor Millionen von Jahren und sie sagen: Wenn es Öl gibt unter Adelsried, das ist das Dorf in der Richtung. Das ist so verlaufen, dann sollte es hier auch sein. Das ist ein Wettgeschäft."

    Doch es ist auch ein Geschäft. Mehrere Millionen Euro kostet die seismische Messkampagne, nach deren Ende die Bohrmaschinen anrücken werden. Sie bohren in die Tiefe und werden dann horizontal abgelenkt in jedes der vermuteten kleinen Ölfelder. Solange wie der Ölpreis hoch bleibt, dürften die Einnahmen schnell die hohen Anfangskosten übertreffen und auch die angrenzenden Gemeinden mit zusätzlichen Steuereinnahmen versorgen.

    Und das kaum auf Kosten der Umwelt, beschwichtigt Steve Hurman. Denn die Öl- und Gasindustrie erscheint andernorts in einem schlechten Licht, weil Bohrmannschaften auf das Hydraulic Fracturing, kurz Fracking setzen. So muss das Gestein beim norddeutschen Schiefergas erst unter Hochdruck und mit eingepressten Chemikalien aufwendig aufgebrochen werden, bevor das Gas hervorströmt.

    "Aber das kann man hier nicht tun: Diese Ölfelder sind konventionell. Sie sind flüssig."

    Ein Tropfen auf den heißen Stein wird es dennoch bleiben: Im Jahr 1968 erreichte Deutschland sein Erdölfördermaximum und nun wird Jahr für Jahr weniger davon gefördert. Wenn Rhein Petroleum demnächst auch bei Karlsruhe, Heidelberg und Weinheim mit seismischen Messungen nach Erdöl suchen wird: Es sind nur kleine Ölmengen, die den Trend zurückgehender Förderung kaum aufhalten werden.