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Schweden
Bargeldloses Bezahlen entzweit die Gesellschaft

In Schweden sind heute viele Geschäfte und Restaurants nicht mehr auf Bargeld eingestellt. Selbst geringe Summen werden elektronisch bezahlt oder per Smartphone überwiesen. Es sind vor allem die Banken, die die Abkehr von Scheinen und Münzen forcieren - aus Eigeninteresse.

Von Klaus Betz | 15.08.2016
    Eine Frau zeigt ein Smartphone mit der App MyWallet neben einem Empfangsgerät an der Kasse eines Restaurants.
    Abgehängt durch Technik: Durch den Wandel hin zum bargeldlosen Bezahlen - etwa per Smartphone - wird Einkaufen für einen Teil der schwedischen Gesellschaft zur Herausforderung. (dpa / picture alliance / Oliver Berg)
    "Wir sind hier in Schweden völlig IT-fixiert. Wir wollen immer die Ersten sein und die Besten. Obwohl es viele IT-Lösungen gibt, die nicht oder nicht gut funktionieren, haben wir ein fast schon blindes Vertrauen in diese Technik. Und genau deshalb sagen wir: Wir müssen auch weiterhin Bargeld haben und damit arbeiten können."
    Viggo Lindgren ist Sprecher des Småföretagernas Riksförbund. In Deutschland entspräche das einem Bundesverband der Einzelhändler und Kleinunternehmer. Der erfahrene Anwalt äußert sich – für schwedische Verhältnisse – ungewöhnlich offen und direkt. Aus seiner Sicht hat er auch allen Grund dazu.
    "Wir haben bei unseren annähernd 30.000 Mitgliedern eine Untersuchung durchgeführt. Jeder vierte Befragte glaubt, seine Firma schließen zu müssen, falls es künftig kein Bargeld mehr geben sollte. Nicht überall in Schweden hat man die entsprechenden Kassen und die notwendige IT-Routine."
    Für Einzelhändler ein Problem
    Im Norden mangelt es an der Mobilfunk-Abdeckung, die nächste Bank ist weit und viele ältere Menschen haben weder ein Mobiltelefon, noch bezahlen sie online. Kurzum: ohne Bargeld stünden manche Einzelhändler auf dem Land vor dem Aus – es wäre wie ein K.O.-Schlag. Die schwedischen Einzelhändler, Restaurant- und Kioskbesitzer, Reparatur-Dienste, Frisöre und Bäckereien haben ein Problem: Sie passen nicht in die Bemühungen um eine bargeldlose Gesellschaft, die in Schweden vor allem durch die großen Banken des Landes betrieben werden – schon seit vielen Jahren und auf sehr subtile Weise.
    Die schwedischen Finanzinstitute besitzen und kontrollieren nämlich – anders als in Deutschland – durch eine gemeinsame und ausgelagerte Gesellschaft alle Geldautomaten des Landes. Ihre Bankomat Bolaget ist somit konkurrenzlos. Dadurch konnten die schwedischen Banken in den vergangenen Jahren die Anzahl der Geldautomaten um fast die Hälfte reduzieren und - ebenso landesweit - die Auszahlungssumme von einstmals 5.000 Kronen – etwas mehr als 500 Euro – auf häufig nur noch 1.000 Kronen begrenzen.
    Damit nicht genug: Inzwischen weigern sich die meisten Banken, überhaupt Bargeld anzunehmen. Logischerweise gibt es deshalb bei den Bankautomaten auch keine Deposit-Funktion. Es sind also - wiederum anders als in Deutschland - keine Einzahlungen möglich. Obwohl die Schwedische Krone unverändert ein gesetzlich gültiges Zahlungsmittel ist.
    Banknoten der schwedischen Währung Krone liegen am 19.02.2016 in Hamburg auf einem Tisch.
    Schwedische Krone (picture alliance / dpa)
    Für die Einzelhändler und Kleinunternehmer bedeutet dies: Sie werden ihre Tageseinnahmen kaum noch los. Es sei denn, sie unterziehen sich einem mühsamen Deklarations-Prozess, in dem sie die rechtmäßige Herkunft des Bargelds nachweisen und versichern, dass es sich nicht um Schwarzgeld handelt. Einen ähnlichen Prozess können auch Privatpersonen erleben. Etwa, wenn eine Großmutter ihrem Enkelkind 2.000 Kronen schenken möchte – 200 Euro – oder wenn ein Verein für den nächsten Ausflug sammelt oder das Geld bei der Bank deponieren möchte.
    Das Vorgehen der schwedischen Banken hätte in Deutschland vermutlich längst schon das Bundeskartellamt auf den Plan gerufen. In Schweden herrscht an dieser Stelle indes eine seltsame Funkstille und die Banken betreiben eine Politik der verschlossenen Auster: Sie äußern sich nicht und diskutieren nicht. Weder mit Medienvertretern noch mit dem schwedischen Bundesverband der Einzelhändler und Kleinunternehmer, weiß deren Sprecher Viggo Lindgren zu berichten.
    "Das Merkwürdige in Schweden ist: Wir haben die Banken zu unseren Treffen eingeladen. Und wir hatten ja zum Teil große Veranstaltungen. Aber die Banken kommen nicht; sie wollen nicht mit uns reden. Und das bestärkt uns in unserer Konspirationstheorie, dass die Banken vollständig vom Bargeld weggehen wollen, so dass man nur noch mit Karte bezahlen kann; um anschließend die Gebühren zu erhöhen – auf: so viel wie möglich."
    Der einzige Banker, der bei diesen Recherchen ansprechbar ist, arbeitet nicht als Banker im klassischen Sinn. Björn Segendorf ist bei der übergeordneten Schwedischen Reichsbank tätig. Sein Arbeitsschwerpunkt: "Finanzielle Stabilität". Die Svenska Riksbanken sieht sich unter anderem dazu verpflichtet, so heißt es in ihrer eigenen Beschreibung, "ein sicheres und effektives Bezahlwesen zu fördern." Nahe liegend bei Björn Segendorf nachzufragen, ob die schwedischen Banken mit ihrer restriktiven Bargeld-Politik überhaupt noch mit den Auffassungen der Reichsbank übereinstimmen. Segendorf antwortet ruhig und überlegt, während eine Pressesprecherin jede Frage und jede Antwort mitschreibt.
    "Die Banken formulieren stets ihre eigene Politik; es sind unabhängige, Profit maximierende Unternehmen. Es ist nicht Aufgabe der Reichsbank, die Politik der Banken festzulegen. Allerdings denken wir, dass es ein wachsendes Missverhältnis gibt - zwischen der Nachfrage und der Bereitstellung von Bargeld. Etwa 50 Prozent der Banken arbeiten inzwischen bargeldlos. In diesem Sinne dürften sie sich etwas zu schnell verändert haben, schneller als ihre Kunden. Das haben wir auch schon öffentlich erklärt."
    Die Schwedische Reichsbank in Stockholm
    Die Schwedische Reichsbank in Stockholm (picture alliance / dpa )
    Verändert hat sich dadurch bislang wenig. Im Gegenteil. Dort, wo der Druck, ohne Bargeld zu wirtschaften, besonders hoch ist, bei Einzelhändlern, Restaurant-Inhabern und Kiosk-Besitzern, dort versucht man möglichst häufig, die Kunden zur Zahlung mit der Karte zu bewegen. Was wiederum dazu führt, dass ausländische Besucher mitunter überraschende Erfahrungen machen. So zum Beispiel die Stockholm-Urlauberin Ute Villing aus Rottweil:
    "Sehr originell finde ich, dass man sogar die Toilettenhäuschen mit Mastercard bezahlt oder mit der Kreditkarte, das ist schon besonders. Und dass man in vielen Lokalen gar nicht mehr auf Bargeld eingerichtet ist. Heute Morgen wollte ich mit einem 500-Kronen-Schein bezahlen, was ja eigentlich nicht so ein ganz großes Problem ist, aber – also sie haben's mir gerade geschafft noch raus zu geben Ich mein' sie akzeptieren es dann und es geht, aber man merkt, man ist nicht geliebt mit Bargeld."
    "Mein Gott, da kommst du mit Bargeld nicht weit hier"
    In anderen Fällen ist förmlich vorgeschrieben, dass man gefälligst mit Karte zu bezahlen habe. Es ist nur höflicher formuliert: "Vi är kontantlös", lauten die drei Worte auf Hinweisschildern, die nichts anderes besagen als: "Wir nehmen kein Bargeld." Und diesen Grundsatz setzt man dann auch konsequent um – zum nicht geringen Erstaunen des Schweden-Besuchers Werner Kunz, aus Aschaffenburg.
    "Ich hab' hier nur festgestellt, dass mehrheitlich alles mit Karte bezahlt wird. Ob's jetzt ein Kaffee ist oder ein Bleistift oder sonst was - die wollen die Karte sehen. Ich war schon im ABBA-Museum zum Beispiel, die nehmen gar kein Bargeld; die schicken dich raus, und Du musst eine Giftkarte kaufen – ist lachhaft, aber es ist so; mein Gott, da kommst du mit Bargeld nicht weit hier."
    Was wie ein exotisches Urlaubserlebnis klingt, ist im schwedischen Alltag nicht nur gang und gäbe, man ist – neben dem ständigen Bezahlen per Karte - längst einen Schritt weiter: man "swisht". Was Besseres, so könnte man glauben, kann einer eiligen To-Go-Gesellschaft kaum passieren. Swish ist der Name einer Bezahl-App, die an ein Bankkonto gebunden ist und mit der man via Smartphone Geld überweisen kann. In Echtzeit. Von Smartphone zu Smartphone, zur Kasse eines Restaurants, eines Kaufhauses oder auch zu einem Autohändler, sofern man genügend Geld auf dem Konto hat und – solange es keinen Stromausfall gibt. Swish ist technisch hervorragend gemacht, funktioniert einfach und schnell und gehört wiederum - wen wundert's - den schwedischen Banken gemeinsam.
    Die Gründe, um mithilfe von Swish die zweite Stufe zur Durchsetzung einer bargeldlosen Gesellschaft zu zünden, liegen auf der Hand. Es sind die früher oder später profitablen Erträge aus den Transaktionsgebühren, die beim digitalen Bezahlen von den Banken berechnet werden können. Niklas Arvidsson, Autor einer Studie über die cashless society und Dozent an der Königlich Technischen Hochschule in Stockholm, mag dies nur bedingt einräumen.
    "Natürlich sind Transaktionsgebühren ein Bestandteil des Geschäftsmodells der Banken. Doch bis jetzt haben sie es bei den Swish-Aktivitäten noch nicht verwirklichen können. Einerseits, weil die Konsumenten es gewohnt sind, solche Dienste kostenlos zu bekommen, anderseits weil sie hier schon immer eine jährliche Pauschale an ihre Bank entrichtet haben. Das hat Tradition. So gesehen ist es schwierig, Transaktionsgebühren für Swish-Anwendungen durchzusetzen. Indirekt werden wir trotzdem dafür bezahlen müssen. Auch wenn die Banken betonen, es gehe ihnen mehr um die Einsparung von Kosten und weniger um die Erhöhung der Einnahmen."
    Tatsächlich gilt in ganz Skandinavien jede Tätigkeit, die ein Mensch ausübt, seit Jahrzehnten schon als der teuerste Kostenfaktor. Nicht von ungefähr gibt es in den nordischen Ländern eine "Selbstbedienungskultur" wie nirgendwo sonst. Dazu zählen folglich auch das Online-Banking und alle weiteren Formen des digitalen Bezahlens. Wer dabei nicht mitspielt oder nicht mitspielen kann, muss kräftig löhnen. Wie kräftig, das schildert eine Dame, die anonym bleiben möchte, weil sie mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg hält.
    "Wenn ältere Menschen – die keine Kreditkarte haben - ihre Rechnungen bezahlen wollen, dann sind sie gezwungen, zu einer jener Banken zu gehen, die unverändert Bargeld annehmen. Dort aber müssen sie für jede einzelne Rechnung 80 Kronen Gebühren bezahlen - mehr als acht Euro -, das ist für manchen Rentner viel, viel Geld. Bei fünf Rechnungen macht das 400 Kronen – also über 40 Euro - das ist Raub. Ältere Menschen wagen es kaum, anders vorzugehen – sie zahlen eben."
    Doch sind es nicht nur die älteren Menschen in Schweden und die sozial Schwachen, die den Anforderungen einer bargeldlosen Gesellschaft nicht gerecht werden können. Benachteiligt sind ferner die Bewohner von sogenannten Glesbyggd-Kommunen. Das sind jene dünn besiedelten Gemeinden im Inland von Schweden, wo auf einer Fläche des Saarlandes mitunter nur 8.000 oder 10.000 Menschen leben - während der Großraum Stockholm allein schon zwei Millionen Einwohner zählt, hinzu kommen noch die Großstädte Göteborg und Malmö.
    Während die Smartphone-Generation das Bargeld fast vollständig aus ihrem Leben verbannt hat und auf die finanzielle Privatsphäre zu pfeifen scheint, erfahren die Benachteiligten in diesem Wandlungsprozess kaum je die angemessene Berücksichtigung. Nach kurzem Zögern räumt auch Dozent Niklas Arvidsson ein, dass die cashless society, also die bargeldlose Gesellschaft, womöglich zu einem "Survival of the Fittest" führen könnte.
    "In gewisser Weise, ja. Der schwedische Durchschnittbürger hat einen Job, ein Bankkonto und einen Mobilfunkvertrag. Er lebt meistens in einer Stadt und wird daher keine großen Probleme haben. Aber jene Menschen, die das alles nicht haben, auch kein Bankkonto – das gibt es in Schweden - all diese Leute werden unter dieser Entwicklung zu leiden haben. Staat und Regierung sind in einzelnen Bereichen deshalb aktiv geworden. So kann man sein Arbeitslosengeld inzwischen auf elektronischem Wege bekommen. Es gibt also bereits bargeldlose Alternativen - aber ja, ein Risiko bleibt. Von daher sollten Staat und Regierung künftig eine größere Verantwortung übernehmen."
    Die Antwort überrascht und ist zugleich altbekannt. Besagt diese Denkweise doch: Der Staat möge sich bitte nicht in das Marktgeschehen einmischen, aber er darf sich durchaus der Probleme und Verwerfungen annehmen, die von diesem Marktgeschehen verursacht werden - es sei denn, der Markt findet ganz andere Lösungen.
    Ein Beispiel dafür ist ausgerechnet der wohnsitzlose Juhan. Er steht nahezu jeden Tag in der unterirdisch verlaufenden Fußgängerzone beim Stockholmer Hauptbahnhof. Dort versucht Juhan, sein Produkt an den Mann oder die Frau zu bringen. Er lebt vom Verkauf eines kritischen Stadtmagazins, für das ihm der Verlag eine Art Mitarbeiter-Konto eingerichtet hat, auf das man ihm Geld überweisen kann – per Swish natürlich.
    "Das Magazin heißt "Situation Stockholm" und kostet 50 Kronen. Ich stehe hier mitten im Hauptbahnhof-Tunnel und versuche, die Zeitung zu verkaufen – hier, wo jeden Tag viele, viele Personen vorbeikommen, mitten in Stockholm. Die meisten Menschen sind sehr angenehm; ich hatte bisher eigentlich nie mit unangenehmen Menschen zu tun."
    Juhan hat ein Schild umhängen, auf dem seine "Swish"-Nummer steht. Auf die Frage, ob es wirklich Leute gibt, die ihm per "Swish" Geld überweisen, meint der Mittdreißiger:
    "Ja, das geht und es ist ganz einfach. Man muss auf dem Smartphone nur meine Nummer eingeben, den Betrag und einen Code, dann bekomme ich das Geld auf mein Konto. Das sind eben die neuen Zeiten, weißt Du. Es wird immer weniger mit Bargeld bezahlt in unserer Gesellschaft und mehr und mehr mit Karte – tja, in der bargeldlosen Gesellschaft liegt das Geld eben auf dem Computer. So ist das. Neue Zeiten, neue Methoden."
    Wenige Schritte weiter liegt einer der modernsten Supermärkte Stockholms. Dort gibt es fast nur noch sogenannte Schnellkassen – Snabbkasserna –, die ausschließlich per Kreditkarte funktionieren. Direkt unter dem Hauptbahnhof gelegen – mit Zugang zu allen U-Bahn-Linien und Vorort-Zügen - liegt das hochmoderne Lebensmittelgeschäft mitten im Nervenzentrum des täglichen Pendlerstroms.
    "Jeden Tag kommen hier an unserem Supermarkt zwischen 250 und 400.000 Personen vorbei. Überwiegend Pendler. Und so haben wir im Schnitt zwischen 6.000 und 10.000 Kunden pro Tag – zahlende Kunden, mit Quittung. Eine Quittung, ein Kunde - so rechnen wir hier."
    Mikail Tanhan ist Schichtleiter des Supermarktes. Er spricht schnell, ist hoch konzentriert und irgendwie auch begeistert von dem, was hier vor sich geht. Er sieht und beschreibt nichts Geringeres als die Zukunft des Einkaufens. Sie findet statt in einem Warenlager, das vom Aussehen her einem perfekt gestalteten Supermarkt gleicht, doch die Kunden bedienen sich selbst; sie übernehmen alle Arbeiten mit großer Selbstverständlichkeit und - funktionieren. Genau darauf ist das Kassenareal des Supermarktes ausgerichtet."
    "Wir haben 21 unterschiedliche Kreditkarten-Kassen. Das sind Selbstbedienungskassen, wo die Kunden zuerst alles einscannen. Brot, Salat und solche Sachen wiegt man, dann bekommt man ein Etikett, das man einscannt. Der Rest ist alles im Computer einprogrammiert, so dass die Kunden nur noch auswählen und per Karte bezahlen müssen."
    Da es hier häufig zugeht wie bei Ikea zu Weihnachten, ist alles auf höchste Effizienz ausgerichtet. Hauptsache ist: schnelles Vorankommen, fast forward.
    "Die Durchschnittszeiten für das Bezahlen an der Schnellkasse liegen zwischen 15 und 45 Sekunden. Das geht hier sehr, sehr schnell. Selbst wenn es mal eine Schlange gibt, dann geht das trotzdem noch schneller als da drüben, bei unseren drei traditionellen Kassen."
    Mit Bargeld bezahlen ist also schon noch möglich, im Supermarkt der Zukunft. Doch die Kreditkarten-Kassen bilden eine erdrückende Übermacht. Wer von solchen Verhältnissen Tag für Tag umgeben ist und auch an anderen Orten andauernd vor Augen hat, dass selbst die geringsten Kleinigkeiten inzwischen per Karte oder per Swish bezahlt werden, der muss erkennen: Bargeld gilt hier nicht länger als geprägte Freiheit. Im Gegenteil. Bares wird als etwas Rückständiges betrachtet und unterschwellig auch noch mit einem negativen sozialen Image belegt. Von dieser Form von Bargeld-Bashing haben die älteren Schweden allmählich genug. Ende Juni hat der mitgliederstarke Schwedische Pensionärsverband PRO, Verbraucherminister Per Bolund eine fast 140.000 Unterschriften zählende Protestnote mit dem Titel "Kontanter behövs" übergeben – "Bargeld wird gebraucht". Wenn man das auf deutsche Verhältnisse überträgt, sind das so viele, als wenn bei uns gut eine Million Rentner ihre Forderung zum Ausdruck bringen würden. Unmissverständlich. Und bereits vor gut einem Jahr hat ausgerechnet der ehemalige Reichspolizeichef und Ex-Regierungspräsident Björn Eriksson, die Initiative "Kontant Upproret" gegründet. Wörtlich übersetzt: Der Bargeld-Aufstand. Björn Eriksson gilt in Schweden längst als der angry old man, als der wütende alte Mann. Nicht weil er gegen Kreditkarten wettert oder gegen Swish, sondern weil er gegen die bargeldlose Gesellschaft kämpft und die aus seiner Sicht absehbaren Folgen.
    "Es wird nun mal dazu führen, dass ein großer Teil der schwedischen Bevölkerung zurückbleibt. Manche behaupten ja, von den knapp zehn Millionen Einwohnern seien eine Million unnütz. Sollten wir diese Menschen sich selbst überlassen? Sollten wir uns nicht um sie kümmern? Es könnten Rentner sein, Leute, die auf dem Land leben, Flüchtlinge, die um Asyl bitten etc. – ist das anständig? Das wären jene, die wir zurücklassen würden. Doch das wäre nicht meine Gesellschaft."