Freitag, 19. April 2024

Archiv

Schwedisches Sexualstrafrecht
Verschärfungen und höhere Strafen geplant

Höhere Strafen und eine engere Auslegung des Staftatbestands: Das sieht ein neuer Gesetzesentwurf zum Sexualstrafrecht in Schweden vor. Kritiker bemängeln, ein solches Gesetz werde vor Gericht nichts ändern, und sprechen von politischen Aktionismus. Doch die Zustimmung in der Bevölkerung ist groß.

Von Carsten Schmiester | 19.12.2017
    Eine junge Frau hält ein Smartphone mit dem Hashtag "#MeToo" in der Hand
    Auch Tausende Schwedinnen haben im Zuge der #MeToo-Kampagne öffentlich über sexuelle Belästigung und sexuellen Missbrauch berichtet (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Seit #MeToo ist Schweden irgendwie nicht mehr cool, nicht mehr ruhig oder gelassen, also so, wie man und frau das Land eigentlich kennt. Und es scheint auch nicht mehr so sehr von sich überzeugt zu sein. Was helfen die angeblich einzig feministische Regierung der Welt und das immer wieder gepredigte Gleichheitsgebot der Geschlechter, wenn Tausende Schwedinnen im Zuge der #MeToo-Kampagne öffentlich über sexuelle Belästigung und sexuellen Missbrauch berichten? Erst gestern hat die Polizei in Malmö die Aufforderung an Frauen, sie möchten nach der Vergewaltigung einer 17-Jährigen im Stadtzentrum nachts nicht mehr alleine auf die Straßen gehen, zurückgezogen. Wohl aus Angst, die aktuell extrem gereizte Stimmung im Land weiter anzuheizen, Wut und Verunsicherung zu schüren.
    Sex muss freiwillig sein
    Oder auf Druck der Politik? Die ist nämlich selbst unter Druck geraten und reagiert mit einem angeblich schon lange vorbereiteten Gesetzentwurf zur Verschärfung des Sexualstrafrechts. Stefan Löfven, Chef der rot-grünen Minderheitsregierung, hat ihn vorgestellt.
    "Dies ist ein historischer Gesetzesvorschlag, der immer die Zustimmung beider Sexualpartner einfordert. Er regelt das, was eigentlich selbstverständlich ist, dass Sex freiwillig sein sollte. Ist er es nicht, dann ist er strafbar."
    Das Gesetz soll noch vor der Wahl im Herbst vom Reichstag verabschiedet werden und möglichst zum 1. Juli in Kraft treten. Sex wäre dann nur nach der ausdrücklichen Zustimmung aller Beteiligten erlaubt. Bisher wird erst im Fall nachgewiesener Androhung oder Anwendung körperlicher Gewalt etwa in Sachen Vergewaltigung verurteilt.
    Ein Jahr länger Haft
    Auch das Strafmaß soll zum Sommer erhöht werden. Mindestens fünf statt bisher vier Jahre Haft zum Beispiel für schwere Vergewaltigung.
    "Alle Mädchen und Frauen, die sexueller Belästigung oder Gewalt ausgesetzt sind, sollen wissen, dass wir kompromisslos gegenüber Sexualverbrechen sind. Die Gesellschaft steht auf eurer Seite."
    Das sagen auch die Parteien der bürgerlichen Opposition.
    Problem der Beweisführung
    Kritik kommt unter anderem von Rechtsexperten: Die schwedische Anwaltskammer spricht von politischem Populismus und bezweifelt, dass sich vor Gericht wirklich etwas ändern würde. Das Problem bei sexuellem Missbrauch sei und bleibe die Beweisführung. Wenn, dann könne ein schärferes Sexualstrafrecht allenfalls das öffentliche Bewusstsein schärfen und mehr als bisher zeigen, dass die Gesellschaft derlei Fehlverhalten und Straftaten nicht akzeptiert. So sehen das auch die meisten Schweden.
    "Es klingt vernünftig, auch wenn es schwer wäre, vor Gericht etwas zu beweisen. Aber ich stehe absolut dahinter."
    Sagt dieser junge Mann aus Stockholm und er spricht für die Mehrheit seiner Landsleute. Nach einer Umfrage des schwedischen Radiosenders P3 haben sich etwa drei Viertel von gut 1.000 Befragten im Alter zwischen 18 und 29 Jahren positiv zur Gesetzesinitiative geäußert. Allerdings haben laut derselben Umfrage zwei Drittel Zweifel daran, dass damit die Zahl der Sexualverbrechen im Land verringert werden kann.