Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Schweiz
Koks-Stadt Zürich

In Europa wird nur in London und Antwerpen mehr Kokain geschnupft als in der größten Stadt der Schweiz: Zürich. Pro Tag sollen dort 1,6 Kilogramm des weißen Pulvers durch die Nasen gezogen werden. Tendenz steigend. Die Konsumenten kommen aus allen Gesellschaftsschichten.

Von Ingo Bötig | 20.04.2017
    Die Limmat in der Abenddämmerung in Zürich.
    Das Geschäft mit dem Koks haben vor allem Dealer aus Süd- und Mittelamerika in der Hand. (picture-alliance/ dpa / Friso Gentsch)
    Die Nase ist leicht geschwollen und tropft. In Zürich - so sagen Insider - grassiert die "Züri-Grippe".
    Pro Tag sollen hier im Durchschnitt 1,6 Kilogramm Kokain geschnupft werden. So haben es Wissenschaftler für eine Studie herausgefunden. Sie haben Abwässer auf Drogen-Rückstände hin untersucht. Christian Kobel vom Drogeninformationszentrum Zürich:
    "Man kann wahrscheinlich, wenn man das so hochrechnet, für die Stadt Zürich, irgendwo zwischen 15.000 und 30.000 Konsumierenden rechnen. Das heißt aber nicht, dass das regelmäßig Konsumierende sind, sondern das sind Personen, die vielleicht eben angeben: Im letzten Jahr habe ich auch mal Kokain konsumiert."
    Platz 3 in Europa
    Für Zürich heißt das Platz 3 in Europa - nach London und Antwerpen. Christian Kobel:
    "Ich denke, Zürich ist in der Schweiz die größte Stadt, ist eine Stadt der Wirtschaft, ein Banken-Platz. Es ist sicher auch ein Zentrum der Leistungsgesellschaft. Und das mag mit ein Faktor dafür sein, dass Kokain, das eben auch leistungssteigernd ist, öfter verwendet wird. Es ist wirklich in allen Gesellschaftsschichten eigentlich anzutreffen."
    Also unter Handwerkern genauso wie unter Bankern, Lehrern oder Rechtsanwälten. Kobel sagt: Die, die Koks nehmen, wollen ihr Durchhaltevermögen steigern oder einfach nur mehr Selbstvertrauen gewinnen. Das wissen auch die Ermittler. Allen voran Erwin Brühlmann. Er leitet die Fahndung der Stadtpolizei Zürich.
    "Der Drogenfluss, es ist so, die Herkunftsländer sind klar Südamerika großmehrheitlich. Und die Einfuhrwege sind im Prinzip auch bekannt. Sie kommen per Flugzeug, per Schiff, per Fahrzeug über die entsprechenden Grenzen."
    Das Geschäft mit dem Koks haben Brühlmann zufolge vor allem Dealer aus Süd- und Mittelamerika in der Hand. Es gebe aber auch Händler aus Afrika und vermehrt aus den Balkan-Staaten.
    "Es ist so, dass die Stadt Zürich wahrscheinlich tatsächlich schon eine Zentrumsfunktion innehat und in der Schweiz leider die Nummer eins ist. Das ist leider so."
    Kokain verengt die Blutgefäße
    Ein Vergleich belegt das ganz deutlich. Drogen-Experten gehen davon aus, dass von den Schweizern landesweit 0,5 Prozent schon mal Koks genommen haben. Nur auf Zürich gerechnet ist es das 15-fache. Für einige Konsumenten mit zum Teil harten Konsequenzen. Kokain verengt die Blutgefäße. Herzinfarkt, auch Hirnschläge sind möglich, sagt Professor Dagmar Keller, die das Institut Notfallmedizin am Universitätsspital Zürich leitet.
    "Wir haben eigentlich alle Facetten von Intoxikationen bei uns auf der Notfallstation. Und reine Kokain-Intoxikationen, die können wir in unseren Akten auch nachschauen. Und wir sehen da auch schon eine Zunahme. Also, 2014 hatten wir 46 dokumentierte reine Kokain-Intoxikationen, 2015 waren es 52. Und im letzten Jahr waren es bereits 74 Patienten."
    Wenn in Zürich pro Tag 1,6 Kilogramm Kokain geschnupft werden, sind es aufs Jahr gerechnet fast 600. Eine Zahl - jenseits der Bilanz der Drogenfahnder. Sie konnten im vorigen Jahr gerade mal 16,5 Kilo sicherstellen.