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Schwere Vorwürfe

Mitarbeiter von Wada-akkreditierten Doping-Kontroll-Labors sollen für Sportler Urin heimlich überprüft haben. Das behauptet der in Österreich angeklagte Doping-Dealer und Sportmanager Stefan Matschiner in einer ARD-Sendung. Der Leiter des Kölner Doping-Kontroll-Labors, Professor Wilhelm Schänzer, will dies nicht grundsätzlich ausschließen.

Von Heinz Peter Kreuzer | 16.08.2009
    Die 35 von der Welt-Anti-Doping-Agentur akkreditierten Doping-Kontroll-Labors sind unter Generalverdacht geraten. Weltweit analysieren sie im Auftrag der Wada die Urinproben der Sportler auf verbotene Substanzen. Jetzt behauptet der Doping-Dealer und Sportmanager Stefan Matschiner im ARD-Fernsehen: Athleten können in diesen offiziellen Labors ihr Urin heimlich auf Dopingsubstanzen vortesten lassen.

    "Wenn der Kontrolleur sagt, ja ich mach dir das für 150 Euro, für 300 oder 500 Euro, dann wird das halt bezahlt. Ist ja sowieso irrelevant für den Sportler, der auf Grund dieser Informationen dopen kann und dann an große Geldmengen herankommt."

    Bestechung von Mitarbeitern hält Professor Wilhelm Schänzer, den Leiter des Kölner Doping-Kontroll-Labors, für möglich. Aber die geringen Bestechungsgelder sind für ihn kaum glaubwürdig. Denn das berufliche Risiko für korrupte Mitarbeiter sei enorm.

    "Ein Mitarbeiter, der so etwas macht, der setzt ja seine ganze Karriere aufs Spiel. Das wäre ein Grund für eine fristlose Kündigung. Da müssten dann von Seiten der Leute, die einen bestechen, schon richtig Gelder fließen, damit jemand überhaupt so etwas wagt."

    Außerdem sei der Aufwand, die verschiedenen Sicherheitshürden zu überwinden, sehr hoch. Ein Kontrollsystem zeichnet alles auf, welcher Mitarbeiter wann im Institut ist, wer hat welche Zugangsberechtigung, die Messgeräte zeichnen alle Analysen auf und die Daten der Analysen können normalerweise nicht gelöscht werden. Dazu kommt: In der Regel arbeiten wenigstens zwei Mitarbeiter an einer Probe, alles muss gegengezeichnet werden. Jemand mit viel Hintergrundwissen könne diese Sicherheitchecks überwinden.

    "Grundsätzlich schließe ich nicht aus, wenn jemand sehr geschickt vorgeht, dass der an dem System vorbei möglicherweise eine Analyse für anabole Steroide hier durchführen könnte, mit entsprechenden Messungen. Man müsste dann geschickt die Mess-Sequenzen fälschen, man müsste ganz geschickt die Ausdrucke verschwinden lassen."

    Schänzer beschreibt, wie es funktionieren könnte. Voraussetzung dafür ist, dass der Mitarbeiter alleine arbeiten könne.

    "Wenn jemand ganz alleine in einem Labor arbeitet, kann er eine Urinprobe einschleusen. Er könnte die entsprechend vorbereiten, er könnte nachher für die Analyse so eine Probe tarnen mit einem Namen als Referenzprobe, als Blindprobe, als Kontrollprobe, er hat ja alle Möglichkeiten."

    Aber das sieht der Kölner Laborchef nur für Methoden machbar, die eine kurze Vorbereitungs- und Messzeit von beispielsweise ein oder zwei Stunden habe. Bei komplexen Analysen, die über Tage dauern, wäre das so gut wie nicht möglich.

    "Also Epo schließe ich grundsätzlich aus. Weil das ist sicherlich eine umfangreiche Technik wo im Grunde alles aufgezeichnet wird, wo wir auch entsprechende Ausdrucke immer haben. Das geht aus meiner Sicht überhaupt nicht."

    Deshalb wäre es einfacher, einen ehemaligen Mitarbeiter eines Wada-akkreditierten Labors zu finden, der jetzt in einem privaten Institut mit entsprechender technischer Ausstattung arbeitet. Bekannt ist so ein Fall aus dem US-Dopingskandal Balco. Dort untersuchte die Firma Qvest Diagnostics die Urinproben von Sportlern auf Dopingsubstanzen, damit diese so gedopt werden konnten, dass sie von den Kontrolleuren nicht erwischt worden. Das Know-how kam von Victor Uralets, einem früheren Mitarbeiter des Moskauer Doping-Kontroll-Labors. Schon 2004 hatte Balco-Chef Victor Conte behauptet, dass diese sogenannten Ausreisekontrollen auch in den Wada-akkreditierten Labors durchgeführt würden.