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Schweres Erbe

Am 1. März werden im österreichischen Bundesland Kärnten ein neuer Landtag sowie die örtlichen Gemeinderäte gewählt. Seit 1999 stand Jörg Haider, Chef des regierenden rechtspopulistischen Bündnisses Zukunft Österreich (BZÖ), an der Spitze der Regierung. Und auch für die neue Legislaturperiode sahen Umfragen seinen erneuten Sieg voraus. Doch seit seinem Tod im Oktober letzten Jahres kämpft das von Haider gegründete BZÖ ums Überleben.

Von Susanne Lettenbauer | 12.01.2009
    Pompös, bewusst siegessicher und kitschig begann gestern Vormittag der Wahlkampf in Kärnten. In der komplett in oranges Licht getauchten Messehalle 2 der Landeshauptstadt Klagenfurt versuchten sich die Anhänger des rechtspopulistischen BZÖ mit Feuerakrobaten und einem halbnacktem Artistenpärchen Mut zuzusprechen. Mut zu einem Wahlkampf, der nicht richtig in Fahrt kommen will, draußen auf der Strasse.

    Wahlplakate sucht man vergebens in Klagenfurt. Am liebsten würden sich Kärnten vor diesem Urnengang drücken. Charismatische Spitzenkandidaten wie - bei aller Kritik Jörg Haider einer war - sind nicht in Sicht. Der im Oktober auf den Posten des Landeshauptmannes nachgerückte Vize Gerhard Dörfler, ebenfalls BZÖ versucht mit den alten Themen zu retten, was zu retten ist. Denn die ersten Parteimitglieder wandern jetzt zu den Freiheitlichen ab, aus der sich das BZÖ einst ausgegründet hatte. Also wettert Dörfler zum Wahlkampfauftakt wieder einmal gegen zweisprachige Ortsschilder, ein Lieblingsthema für die Anhänger der Rechtspopulisten:

    "Wenn man hört, dass der Herr Bundeskanzler ankündigt, dass nach der Landtagswahl die Ortsschildfrage gelöst, dazu sagt er: Mit der Einigung Kärntens. Wie die Einigung bei den Roten ausschaut, das kann ich mir schon vorstellen. Dann müssen wir wahrscheinlich Spezialtrupps für die Aufstellung der Ortsschilder anstellen. Wir sagen nein, nein."

    Der Übergang zur neuen Legislaturperiode soll möglichst nahtlos vollzogen werden, heißt die Devise im BZÖ. Auch ohne den im Oktober tödlich verunglückten Landeshauptmann Jörg Haider will die Partei 40 Prozent plus schaffen. Mit gleich drei Kandidaten zieht das BZÖ in den Wahlkampf. Sicher ist sicher. Ein Trio, das Erheiterung bei den anderen Parteien auslöst, die darauf verweisen, mit einem Spitzenkandidaten auskommen zu können. Derweil punkten bei den rund 2000 BZÖ-Anhängern in der Messehalle vor allem die alten Themen: Die ungelöste Ausländerpolitik, die für Schlagzeilen sorgt, seit Landeshauptmann Dörfler eine Einrichtung für kriminell gewordene Ausländer durchsetzte. Kurz vor Weihnachten brachen die Insassen kollektiv aus. Seitdem sind die Grünen Kärntens auf Herbergssuche für die geflohenen Asylanten. Ein gefundenes Fressen für die anderen Parteien. Gerald Passegger, Landesgeschäftsführer der SPÖ in Kärnten:

    " Da hat er das Problem nur noch verschärft. Das Ergebnis ist jetzt, dass das Quartier leersteht und die straffällig gewordenen Asylanten irgendwo in Kärnten unterwegs sind. Unser Ansatzpunkt ist nicht dieser. Unser Ansatzpunkt ist der einer vernünftigen Lösung. Uns geht es vor allem eine Beschleunigung des Asylverfahrens."

    Dieser Punkt steht im Wahlprogramm der SPÖ Kärnten, das heute Vormittag präsentiert wird, erst an einer der hinteren Stellen. Die SPÖ hofft vor allem beim Thema "Bekämpfung der Arbeitslosigkeit" die Wähler am 1. März aus dem Haus zu locken. Erste Umfragen lassen den SPÖ-Landesgeschäftsführer hoffen:

    Landesgeschäftsführer Passegger setzt bei diesen Umfragewerten auf ein Wahlkampf-Novum: Seine SPÖ lädt in den kommenden acht Wochen nicht wie alle anderen Parteien zu Wahlkampf-Veranstaltungen ein, sondern bietet heute Vormittag zur Wahlkampferöffnung eine Internetübertragung der Pressekonferenz an. Weitere Wahlveranstaltungen im herkömmlichen Sinne sind nicht geplant, so Passegger. Lieber gehen die Roten gezielt in Firmen und zu fremden Veranstaltungen, um für sich zu werben. Eine Lachnummer für die Vertreter des BZÖ, die der SPÖ "Meidung des Wählers" vorwerfen. Das Publikum in der Messehalle ist entzückt:

    ""Klar, wir gewinnen. Wir haben alle Chancen. Auch nach dem Tod von Jörg Haider. Das BZÖ hat doch noch mehr Persönlichkeiten, hat man doch heute gesehen.

    Ja also ich sehe für Kärnten schon Chancen, dass der Landeshauptmann der richtige ist.

    Ich glaube auch, das BZÖ wird erhalten bleiben. Freilich, die führende Rolle von Landeshauptmann Jörg Haider fehlt sicher für Kärnten aber der Dörfler macht das auch gut. "

    Draußen im Stadtzentrum zeichnet sich Wahlmüdigkeit ab. Das Wahlvolk ist entnervt. Davon, dass nach der Nationalratswahl vom September wieder nur eine Neuauflage der schwarz-roten Koalition in Wien regiert. Dass Kärnten das einzige Bundesland Österreichs ist, das nicht von ÖVP oder SPÖ regiert wird, darauf ist man aber stolz hier, bei aller Skepsis gegenüber den Orangenen, wie sich das BZÖ auch nennt.

    Achill Rumpold, Landesparteisekretär der Österreichischen Volkspartei ÖVP, die blamable 11 Prozent bei den Landratswahlen 2004 einfuhr, weiß denn auch, das seine Partei die 20 Prozent Marke nicht erreichen wird.

    Die ÖVP setzt im Wahlkampf alle Karten auf die längst überfällige Stärkung der lokalen Wirtschaft. Bei einer Pro-Kopf-Verschuldung Kärntens von 4000 Euro und einer Arbeitslosigkeit von 11 Prozent ein wenig innovatives Konzept.

    Die fehlenden Ideen versuchen die Spitzenkandidaten mit Schuldzuweisungen zu kompensieren. Eine Schlammschlacht zeichnet sich ab in Kärnten.

    Dennoch müssen die einzelnen Parteien zerknirscht zugeben, dass es am 1. März wohl nicht mehr zu einem klaren Sieger reichen wird. Koalitionen mit allen politischen Seiten werden daher nicht ausgeschlossen. Ein Grund mehr für die Wähler, ihre Stimme am 1. März zu verweigern.