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Schwerpunktthema: Studentische Wohnungsnot
Bezahlbarer Wohnraum dringend gesucht

In vielen Hochschulstädten in Deutschland ist der Wohnungsmarkt angespannt - seit Jahren schon wegen der steigenden Zahl von Studierenden, derzeit aber zusätzlich durch die Flüchtlinge. Denn auch sie benötigen günstigen Wohnraum. Ein Bundestagsausschuss hat sich mit dem Problem befasst.

Von Christiane Habermalz | 23.09.2015
    Das Studentenwohnheim Weinbergweg der Martin-Luther-Universität in Halle.
    Das Studentenwohnheim Weinbergweg der Martin-Luther-Universität in Halle. Bundesweit fehlen Tausende solcher Wohnungen. (imago/Steffen Schellhorn)
    Bezahlbarer Wohnraum in Hochschulstädten wird für Studierende immer knapper. Darüber waren sich heute alle Sachverständigen im Bauausschuss des Bundestages einig. Die Zahlen sind schnell genannt: Die Zahl der Studienanfängerinnen und –anfänger ist seit 2008 um 50 Prozent gestiegen, studentischer Wohnraum dagegen nur um fünf Prozent. Und nur ein Zehntel der Studierenden findet einen Platz in Wohnheimen. Die weitaus meisten suchen also bezahlbaren Wohnraum in der Stadt und konkurrieren damit mit all denen, die ebenfalls auf billige Wohnungen angewiesen sind: Einkommensschwache Familien, Alleinerziehende, Arbeitslose und bald auch Flüchtlinge. Steffen Bockhahn, Senator für Jugend und Soziales in der Hansestadt Rostock, erläutert im Ausschuss die Situation in Rostock.
    "Wenn ein Studierender früher selber eine Wohnung hatte, eine kleine Einraum- oder Zweiraumwohnung, die er mit seinem Budget bezahlen konnte, dann geht das heute nicht mehr, statt dessen hat er das gleiche Geld, um sich dafür ein WG-Zimmer zu bezahlen. Das heißt, wir haben in einigen Quartieren durch diese WG-Bildung und durch die Möglichkeit, das am Markt durchzusetzen, die Situation, dass wir das Doppelte bis Zweieinhalbfache des sonstigen Mietniveaus erreichen."
    Nur Neubauten beheben den Mangel an bezahlbarem Wohnraum
    Was also tun? Um der studentischen Wohnungsnot zu begegnen, hat die Bundesregierung jetzt ein Förderprogramm für den Bau von Miniwohnungen für Studierende angekündigt: 22 Quadratmeter groß, maximale Miete 260 Euro. 120 Millionen Euro will die Koalition dafür in die Hand nehmen. Das sei begrüßenswert, aber bei Weitem nicht genug, sagt Achim Meyer auf der Heide, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks. Die Wohnsituation von Studierende sei "hochdramatisch", erklärt er den Bundestagsabgeordneten im Ausschuss. Der BAföG-Höchstsatz liege bei 670 Euro monatlich, ausländische Studierende hätten häufig weit weniger zur Verfügung. Daher würden günstige Wohnheimplätze dringend gebraucht, den Bedarf bezifferte er auf mindestens 25.000 Plätze bundesweit. Den Mangel an bezahlbarem Wohnraum kann man letztlich nur durch Neubauten beheben. Doch billig und schnell zu bauen, sei heutzutage in Deutschland kaum noch möglich, beklagten die Sachverständigen. Ein Problem seien die langen Genehmigungsverfahren. Allein der Planungsprozess dauere oft drei bis fünf Jahre, sagt Axel Gedaschko, CDU-Politiker und Präsident des Bundesverbandes der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen.
    "Ich habe gerade einen Fall, da versucht ein Unternehmen in der Stadt aufzustocken, das dauert vier Jahre, bis die Baugenehmigung da ist. Wenn Sie denn solche Zeiten im unglücklichen Fall noch dazu rechnen, dann sind Sie bei zehn Jahren, mit Bau, bis tatsächlich von der ersten Bauleitplanung bis zum Umdrehen des Schlüssels der Mensch einziehen kann, der da hin soll. Und das können wir uns in dieser Situation überhaupt nicht leisten. Wir müssen super schneller werden."
    Kommunen fordern eine Beschleunigung des Planungsrechts
    Auch die hohen Auflagen an Brandschutz, Schallschutz und Umweltauflagen wie Dämmung, um die CO2-Klimaziele zu erreichen, mache Bauen schlicht teuer. Das bestätigt auch Steffen Bockhahn für Rostock:
    "Weil Neubau unter 7,50, 8 Euro nettokalt ist schlicht ausgeschlossen im Moment."

    Kommunen und Bauwirtschaft fordern eine Beschleunigung des Planungsrechts und Zuschüsse des Bundes für Wohnungen mit Sozialbindung. Aber klar ist auch: Man will alte Fehler des sozialen Wohnungsbaus nicht wiederholen, keine Gettobildung, keine sozialen Brennpunkte schaffen. Ziel müsse es sein, in Neubauten von vorneherein eine soziale Mischung zu etablieren, etwa durch steuerliche Begünstigung von unterschiedlichen Standards in einem Haus. Gerade Rostock mit seinen Plattenbausiedlungen habe da schmerzliche Erfahrungen gemacht, sagte Bockhahn:
    "Das wäre in diesem Bereich der Supergau, den wir dann erleben würden, weil wir uns Quartiere schaffen, in denen ausschließlich sozial Benachteiligte und Migranten leben würden, und das kriegt keiner gehandhabt, das wäre für keine einzige Stadt in Deutschland ein Gewinn, und wir wären gut beraten, es nicht so weit kommen zu lassen."