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Schwimmbäder in Deutschland
Kommt ein Masterplan zur Rettung der Bäder?

Die Schwimmbäder in Deutschland werden weniger, die Nichtschwimmer mehr. Darauf verweist die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft seit Jahren. In einer Petition im Bundestag hatte sie einen Masterplan gefordert. Nun wird im Sportausschuss des Bundestags über die Bäderinfrastruktur gesprochen.

Von Jessica Sturmberg | 12.01.2020
Gesperrter Startblock an einem Schwimmbecken
Wenn Bäder fehlen, wird es zunehmend schwieriger, schwimmen zu lernen. Davor warnt die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft schon länger. (imago)
In einem inszenierten, düsteren Video beschreibt die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) die Lage. In dunkel gefärbten Farben sind traurige Kinder, Familien, Senioren, Sportler zu sehen, die durch ein verlassenes Schwimmbad streifen - ein Querschnitt aller Menschen, die gern ins Schwimmbad gehen - nur das die Becken leer und vermodert sind, Startblöcke und Springturm verfallen. Dazu eine Statistik, wonach alle vier Tage ein Schwimmbad für immer schließe.
Rettet die Bäder - warnt die DLRG inzwischen schon seit Jahren und weist auf die stetig steigende Zahl von Nichtschwimmern hin, DLRG-Präsident Achim Haag beklagt, "dass am Ende der Grundschule drei von fünf Kindern keine sicheren Schwimmer sind." Also nicht mindestens die Schwimmfähigkeiten haben, die dem Freischwimmer oder Bronzeabzeichen entsprechen. Das Seepferdchen dokumentiert noch keine ausreichende Schwimmfähigkeit.
"Die Gründe dafür sind die sich verschlechternden Rahmenbedingungen für die Schwimmausbildung. Die Zahl der schließenden oder von akuter Schließung bedrohten Bäder nimmt zu und das ist für usn alamierend. Nur jede vierte Grundschule hat überhaupt Zugang zu einem Bad", mahnte DLRG-Präsident Achim Haag im Dezember im Petitionsausschuss des Bundestages und legte 120.000 Unterschriften zusammen mit seiner Petition vor und formulierte den Anspruch: "Wir fordern einen goldenen Plan."
Viele Kommunen mussten Bäder schließen
So wie es ihn schon mal in den 1960er Jahren gab, als von der öffentlichen Hand damals Milliarden in die Errichtung neuer Sportstätten flossen. Trotz guter Konjunkturlage mussten viele Kommunen in den vergangenen Jahren Bäder schließen. Besonders die Städte und Gemeinden, die keine Quersubventionierungen etwa durch Erträge der örtlichen Versorgungsunternehmen vornehmen können, seien betroffen, beobachtet Marc Riemann, Vorstandsmitglied der Internationalen Vereinigung Sport- und Freizeiteinrichtungen.
"Es gibt sehr viele kleine Kommunen, die haben die Möglichkeit nicht und die betreiben die Bäder eben selbst. Und das sind meistens auch die, die wirklich die Probleme haben mittlerweile, Bäder, die in die Jahre gekommen sind, weiterhin in Stand zu halten und zu finanzieren."
Marc Riemann ist Manager der Kölnbäder und Vorstandsmitglied der Internationalen Vereinigung Sport- und Freizeiteinrichtungen
Marc Riemann ist Manager der Kölnbäder und Vorstandsmitglied der Internationalen Vereinigung Sport- und Freizeiteinrichtungen. (Jessica Sturmberg / Deutschlandfunk)
Seine Vereinigung ist eine Organisation, die Wissen um Sportstättenbau bündelt. Riemann ist als Manager der Kölnbäder spezialisiert auf dem Gebiet der Schwimmbäder. Ein Fehler, der oft gemacht werde, sei die Instandhaltungskosten zu unterschätzen:
"Wenn man den gesamten Lebenszyklus eines Bades betrachtet von 50 Jahren, sind die Erstellungskosten gerade mal ein Viertel. 75 Prozent sind die Unterhaltskosten und die Betriebskosten eines Bades. Und letztlich geht es ja darum: ein Bad ist ein Sonderbau, bauphysikalisch sehr, sehr kompliziert durch Luftfeuchtigkeit, durch Wasser natürlich im Becken, was in den Beton hineindringt - und das macht die Sache so irre kompliziert."
Und teuer. Auch Riemann unterstützt den Gedanken eines neuen goldenen Plans, doch müsse dieser anders sein als in den 1960er Jahren, als Bäder errichtet wurden, deren langfristige Instandhaltung aber oft nicht ausreichend mitgeplant oder in klammen Jahren zu sehr vernachlässigt wurde. Jetzt brauche es Nachhaltigkeit und dauerhafte Finanzierung.
Nicht nur auf Spaßbäder fokussieren
Vor einem weiteren Fehler warnt DLRG-Sprecher Achim Wiese. Sich nicht, wie nach der Wiedervereinigung in den 90er Jahren häufig geschehen, auf Spaßbäder zu fokussieren.
"Denn in den meisten Spaßbädern, die geschaffen wurden, ist eine Schwimmausbildung nicht möglich. Sondern Spaßbäder, wie das Wort schon sagt, ist der pure Spaß und der kann natürlich nur dann betrieben werden, wenn ich auch sicher schwimmen kann. Nur dieses sichere Schwimmen dort zu lernen und auch zu lehren ist nicht möglich."
Damit ein Bad sowohl als Ausbildungsstätte als auch als Kultur- und Begegnungsstätte dienen kann, brauche es idealerweise eine Mischung aus allen Elementen: "Man soll auch diesen Erlebnisraum Wasser durchaus erleben und auch den Spaß darin erleben und es gibt gute Beispiele in Deutschland, dass eben alles unter einen Hut zu kriegen ist."
Wichtig auch für das soziale Leben
Zwar sind Schwimmbäder eine freiwillige kommunale Leistung, doch wie wichtig sie auch für den Sport und das soziale Leben vor Ort sind, sieht auch die Bundespolitik. Die Vorsitzende des Bundestagssportausschusses Dagmar Freitag von der SPD hält es für notwendig, angesichts der Entwicklung etwas zu unternehmen.
Zusammen mit Sachverständigen soll es im Sportausschuss darum gehen, wie das Thema am besten angegangen werden kann. Sieben verschiedene Organisationen sind dazu eingeladen. Dass der Bund Mittel dazu geben wird, da ist Dagmar Freitag nach einem Gespräch vor Weihnachten mit Innen- und Sportminister Horst Seehofer optimistisch:
"Er hat sich jedenfalls öffentlich sehr positiv zu einem bundesweiten Sportstättenförderprogramm geäußert und jetzt müssen wir sehen, ob das für den Haushalt 2021 mehrheitsfähig und darstellbar ist. Aber dieser Diskussion möchte ich an dieser Stelle nicht vorgreifen."