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Schwimmen
Nominierung "kaum vorstellbar"

Ein ehemaliger Olympia-Schwimmtrainer hat trotz eines laufenden Verfahrens wegen sexuellen Missbrauchs einer schutzbefohlenen Athletin seit Mittwoch eine neue Anstellung als Landestrainer. Dazu hat der Deutsche Olympische Sportbund jetzt Stellung genommen. Der DOSB hatte den Trainer 2012 zu den Olympischen Spielen nach London entsandt.

Von Andrea Schültke | 03.10.2014
    Blick auf ein leeres Schwimmbecken.
    Blick auf ein leeres Schwimmbecken. (Deutschlandradio - Hendrik Maaßen)
    Formaljuristisch gelte die Unschuldsvermutung, schreibt der DOSB und reagiert damit nach acht Tagen auf eine Anfrage des Deutschlandfunks. Der Dachverband betont aber auch die "hohe Sensibilität, mit der im Fall von Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs vorgegangen werden muss."
    Im vorliegenden Fall hatte der DOSB den Schwimmtrainer 2012 zu den Olympischen Spielen nach London entsandt. Gleich nach seiner Rückkehr musste sich der Mann vor Gericht verantworten. Er hatte mit einer 16-jährigen Schwimmerin, die bei ihm trainiert hatte, mehrfach Geschlechtsverkehr gehabt. Ende November 2013 sprach das zuständige Amtsgericht den Trainer vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen aus Zweifelsgründen frei. Dieser Freispruch ist noch nicht rechtskräftig. Staatsanwaltschaft und Nebenklage legten Berufung ein. Wann das Berufungs-Verfahren beginnt, ist noch unklar. Der Trainer hat inzwischen einen neuen Job als Landestrainer. Der Deutsche Schwimmverband als Dachorganisation aller Landesschwimmverbände, hatte dazu für Freitag eine Pressemitteilung angekündigt. Die kam nicht. Und nach Aussage des Pressesprechers wird sich der DSV gar nicht äußern. Das sei Sache des zuständigen Landesverbandes.
    Der Landesverband hatte gegenüber dem Deutschlandfunk erklärt, man sei bei der Verpflichtung des neuen Trainers nicht blind drauflos gelaufen. Aber solange der Mann freigesprochen sei, müsse er auch die Chance haben, zu arbeiten. Ähnlich argumentiert auch der DOSB und schreibt, es dürfe kein vorauseilendes Berufsverbot geben. Verweist aber auch auf die Prävention: "Es muss sichergestellt werden, dass keine Gefährdung für die Sportlerinnen und Sportler im Schwimmverband besteht."
    Ehrenerklärung bei der Nominierung
    Der Deutsche Olympische Sportbund ist in sofern zuständig, als der Dachverband zum Beispiel Trainer zu Olympischen Spielen entsendet. Jeder Offizielle muss bei der Nominierung eine Ehrenerklärung unterschreiben. Vor den Olympischen Spielen 2012 war der DOSB nach eigenen Angaben nicht über das gegen den Schwimmtrainer laufende Missbrauchsverfahren informiert. Zwei Jahre später, vor den Winterspielen von Sotschi, hat der DOSB die Verpflichtungserklärung für Trainer um folgenden Passus erweitert: "Ich verpflichte mich, den Chef de Mission unverzüglich zu informieren, wenn gegen mich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet oder ein Strafverfahren eröffnet ist, das Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung betrifft. Das Gleiche gilt, wenn im Zeitraum der laufenden Olympiade eine Verurteilung wegen einer dieser Straftaten erfolgte."
    Auf Konsequenzen daraus will sich der DOSB nicht festlegen. Im Zusammenhang mit dem Fall des Schwimmtrainers antwortet der Dachverband dem Deutschlandfunk vage: "So wäre eine Berufung eines Trainers in eine Deutsche Olympiamannschaft bei einem laufenden Verfahren wegen der herausragenden Rolle von Offiziellen bei Olympischen Spielen kaum vorstellbar."
    Vor den Olympischen Winterspielen in diesem Februar hat der DOSB gehandelt - auch ohne laufendes Verfahren. Der Verband hat einen Eiskunstlauftrainer aus moralisch-ethischen Gründen nicht für Sotschi nominiert: Der Mann war vor knapp 20 Jahren wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen verurteilt worden.