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Schwimmsport
Revolution gegen den Weltverband

Top-Trainer aus dem Schwimmsport haben sich vom Weltverband FINA losgesagt und wollen einen neuen Verband gründen. Einer der Initiatoren ist John Leonard aus den USA. Im Gespräch mit dem Dlf nennt er die FINA eine "korrupte Organisation". Sie nehme Doping-Kontrollen nicht ernst genug und Athleten kämen bei ihr an letzter Stelle.

John Leonard im Gespräch mit Marina Schweizer | 03.09.2017
    Eine Wettkampfbecken, aus dem die Gischt aufsteigt,nachdem sie Sportler ins Wasser eingetaucht sind.
    Schwimmsport-Trainer aus mehreren Ländern sagen sich vom Weltverband FINA los. (imago sportfotodienst)
    Marina Schweizer: Erinnern Sie sich noch an den Zeitpunkt, an dem Sie entschieden haben: Ich kann mit der FINA nicht mehr zusammenarbeiten?
    John Leonard: Das war, als der Schwimmer Fran Crippen bei einem Freiwasserwettkampf starb. Die FINA war hauptverantwortlich für seinen Tod.
    Schweizer: Warum?
    Leonard: Es war ein miserabel organisierter Wettkampf, die Sicherheit der Schwimmer wurde nicht berücksichtigt. Es ging nur darum, Geld zu verdienen.
    Schweizer: Und das war für Sie der ausschlaggebende Grund, einen neuen Verband zu gründen?
    Leonard: Auf jeden Fall. Es gibt hunderte Verstöße, die mir zeigen, dass die FINA korrupt ist und sich nur für Geld und die Menschen in ihrer eigenen Organisation interessiert, die keine Athleten sind. Athleten kommen an letzter Stelle. Und der Tod von Fran Crippen brachte das Fass zum Überlaufen.
    Schweizer: Sie haben schon an anderer Stelle einmal gesagt, die FINA ist eine zerrüttete Organisation, die gar nichts bewirkt außer sich um die eigenen Funktionäre zu kümmern. Also sind es vor allem die Funktionäre, von denen sie die Nase voll haben?
    Schlag gegen korrupte Funktionäre
    Leonard: Ich habe vor allem die Nase voll von den Leuten, die sich hinter eine korrupte Organisation stellen. Wenn sie von den Funktionären sprechen, die den Betrieb am Laufen halten, das sind nicht die mächtigen Menschen, viele von ihnen sind kompetente Menschen. Es sind eher die Funktionäre, die den Verband führen. Die Leiter der diversen internationalen Verbände, die das korrupte Verhalten mitmachen. Die Mitglieder der Organisation, der Personalchef, ich sage nicht das Personal, weil es dort viele gute Leute gibt. Aber der Direktor ist eher eigennützig als selbstlos. Die Mitglieder der Verwaltung sind auch so. Sie sind also primär die Schuldigen, weil sie die Organisation leiten.
    Schweizer: Lassen Sie uns über Ihre neue Organisation sprechen. Was ist am Freitag genau passiert?
    Leonard: Wir haben uns mit Vertretern aus 61 Nationen getroffen und Zeile für Zeile an einer neuen Satzung gearbeitet. Eine international anerkannte Anwaltskanzlei hat uns im Vorfeld einen Entwurf erarbeitet, den wir dann fünf Stunden Zeile für Zeile durchgearbeitet haben. Es gab einige Änderungsvorschläge – ein Abschnitt wurde ganz gestrichen. Am Ende eines fünfstündigen, etwas chaotischen aber produktiven demokratischen Prozesses, haben wir nun eine Satzung und Statuten, mit denen alle zufrieden sind. Wir werden jetzt alle Änderungen einarbeiten und den Entwurf wieder an unsere internationale Kanzlei geben, damit wir sicher gehen können, dass alles korrekt ist. Danach werden wir die Sache zum Laufen bringen und einen Vorstand berufen.
    Schweizer: Wer genau war in diesem Treffen involviert? Sie sprachen von 61 Nationen.
    Leonard: Ich kann Ihnen die führenden Schwimm-Nationen nennen, allerdings nicht alle, weil ich keine Liste dabei habe, aber natürlich sind die USA dabei, Großbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland, Brasilien, Russland...
    Schweizer: War Deutschland auch dabei?
    Leonard: Es waren einige deutsche Trainer dabei, allerdings nicht aus der ersten Riege.
    Schweizer: Waren bei dem Treffen mehr Trainer dabei oder auch Athleten oder Vertreter der Verbände?
    Leonard: Nein. Das Treffen war für Trainer und nicht für Athleten gedacht. Rund 95 Prozent der Anwesenden waren Trainer, es gab vielleicht einige andere, die keine Trainer waren, sondern einfach aus Interesse teilgenommen haben.
    Schweizer: Würden sie sagen, dass die Trainer nun eine neue FINA gründen?
    Leonard: Das ist keine neue FINA. Das ist der Welt-Schwimm-Verband (WSA) und es wird auch keine Beziehung zur FINA geben. Wir werden nichts nach der Facon der FINA machen. Der Welt-Schwimmtrainerverband war so etwas wie der erste Begleiter und Anführer der WSA.
    In Kürze wird ein Vorstand aus Trainern der vier führenden Schwimm-Nationen in der Welt, Vertretern außerhalb der Top Vier und Athleten einer noch zu gründenden Organisation mit dem Namen "Professional Swimmers Association" zusammengestellt. Wir werden mit der Gründung im Januar nächsten Jahres beginnen. Entschuldigung, ich muss mich korrigieren. Ich sagte vier. Es werden drei Trainer, drei Athleten und ein Vertreter der großen "Open Water Swimming Association" (WOWSA) sein. Daraus wird sich der Vorstand zusammensetzen.
    Schweizer: Also die Athleten sind bald mit dabei. Eine Frage dazu: Athleten sind nicht gerade bekannt dafür, sich in politsche Dinge einzumischen, die meisten wollen sich aus diesen Themen eher raushalten und sich auf Training und Wettbewerbe konzentrieren. Warum glauben Sie, dass Athleten jetzt das Risiko eingehen und sich ihrem Verband anschließen?
    Athleten sollen mitverdienen
    Leonard: Diese Einschätzung teile ich nicht! Ich glaube, dass die FINA und ihre verschiedenen Nationalverbände Athleten entmutigt haben, sich für ihre Rechte einzusetzen. Athleten hatten in der Vergangenheit keine Unterstützung, um sich eigenständig zu organisieren. Ich glaube aber, dass sie sich organisieren wollen. Jetzt werden wir ihnen helfen, ihre eigene Organisation auf die Beine zu stellen, die sie selbst führen werden.
    Auf meiner Liste von Leuten, die mir gesagt haben, dass sie interessiert sind, dabei zu sein, ist ein großer Teil der Medaillen-Gewinner der vergangenen Olympischen Spiele und zahlreiche andere professionelle High-Level-Athleten.
    Schweizer: Über Namen wollen Sie aber nicht sprechen?
    Leonard: Ich kann nicht über Namen sprechen aber ich kann Ihnen einige Prinzipien nennen. Und diese Prinzipien, über die wir sprechen, um eine "Professional Swimmer Association" zu gründen beginnen mit absolut doping-freiem Sport. Wir haben herausragende Technologie, um Doping zu verhindern. Das heißt hochsensible Bluttests mit multidimensionalem Screening.
    Das bedeutet, alles, was sich im Blut und im Urin befindet, kann in einem Test identifiziert werden. Natürlich wollen die FINA und das IOC und andere untergeordnete Gremien diese Methoden nicht nutzen, weil sie keine Betrüger erwischen wollen. Und in der "Professional Swimmers Association" wird es dann einen verpflichtend doping-freien Sport geben, um an den Events teilzunehmen.
    Die zweite Sache ist die, dass die Athleten die PSA besitzen werden. Sie haben eine Eigenkapitaldecke. Es wird keine Organisation, der sie beitreten, sondern sie werden sie besitzen und sie werden für den Rest ihres Lebens damit Geld verdienen.
    Schweizer: Also wird jeder ein Mitspracherecht haben?
    Leonard: Jeder der mitmacht. Aber es wird ein Leistungslevel für Athleten geben, und das wird sehr hoch angesetzt. Sie werden alle eine Eigenkapitaldecke haben und sie werden für den Rest ihres Lebens zusätzliches Geld verdienen.
    Außerdem ist an dem Konzept einzigartig, dass die internationalen Richtlinien, nach denen Athleten bezahlt werden, von der "National Basketball Association" hier in den USA kommen. Die Regel sagt, dass 49 Prozent von jedem Dollar, den die NBA einnimmt – egal aus welcher Quelle, Ticketverkäufe, Fernsehen, Verkauf von T-Shirts – jede Form von Einnahmen. 49 Prozent von diese Einnahmen müssen in den Taschen der Athleten landen. Nach diesem Prinzip werden wir auch in der PSA vorgehen. In Bezug auf die Vergütung wird das der absolute Welt-Standard werden.
    Schweizer: Ok, ich verstehe, was die Sache für Athleten attraktiv machen soll. Um nun eine echte Alternative zur FINA zu werden, müssen Sie Athleten auch die Möglichkeit bieten, an den wichtigsten Wettbewerben teilzunehmen. Was wollen Sie tun, damit sie vom IOC anerkannt werden?
    Leonard: WOSA und PSA werden eine eigene Tour aufbauen und es gibt schon einige Ideen zu Wettbewerben, über die ich jetzt noch nicht sprechen kann. Aber wir haben einen der besten Organisatoren der Welt, der sich zurzeit den pazifischen Raum anschaut. Wir glauben, dass wir in 2018 eine Serie von vier, fünf oder sechs Wettbewerben haben werden, die dann für unsere professionellen Athleten zu den lukrativsten Wettbewerben der Welt gehören werden.
    IOC Bedingungen diktieren
    Schweizer: Also Sie wissen noch nicht, ob sie das IOC anerkennen wird?
    Leonard: Ich habe kein Interesse daran, vom IOC akzeptiert zu werden. Das IOC die eine der korruptesten Organisationen in der Welt.
    Schweizer: Aber dann müssten Sie den Athleten sagen, dass sie keine Möglichkeit haben, an den Olympischen Spielen teilzunehmen.
    Leonard: Nein. Wenn sie an den Olympischen Spielen teilnehmen wollen, können sie das tun. Aber wenn sie sieben, acht, neun oder zehn der bekanntesten Athleten der Welt nehmen, und dann die Athleten, die das Fernsehen will. Die zusammen werden die Möglichkeit haben, dem IOC zu sagen, unter welchen Bedingungen sie an den Olympischen Spielen teilnehmen werden. Zum Beispiel: Richtige Doping-Tests. Wir werden neue Standards für Doping-Test aufstellen und wenn Athleten an sauberen Wettbewerben teilnehmen wollen, werden sie dem IOC sagen, dass sie diese Standards einhalten müssen, sonst werden sie vielleicht nicht teilnehmen.
    Schweizer: Gab es nach Ihrem Treffen schon Reaktionen der FINA?
    Leonard: Ich glaube, wir können die Reaktion der FINA nicht voraussagen, aber sie werden das Ganze noch nicht ernst nehmen. Sie werden das Ganze so lange nicht ernst nehmen, bis wir die besten Athleten der Welt haben, die bei der PSA-Tour starten. Wir werden es auf jeden Fall machen und wir machen alles transparent, weil es gibt überhaupt keine Chance, dass die FINA Athleten an Events teilhaben lässt, ihnen 49 Prozent der Einnahmen zugesteht oder ehrliche Doping-Tests anbietet. Wir machen hingegen alles transparent. Alle Finanzen, unser Scheckbuch. Sobald wir ein Scheckbuch haben, wir es online veröffentlicht, so dass jeder unsere Ein- und Ausgaben sehen kann. Vollständige Transparenz.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.