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Scoringsoftware für Schufa und Co.

Wirtschaftsauskunfteien wie Schufa oder Creditreform sollen transparenter werden. Seit dem vergangenen Donnerstag müssen sie ihre geheimen Daten über die Kreditwürdigkeit von Abermillionen Bundesbürgern offen legen. Neue Regelungen im Bundesdatenschutzgesetz schreiben das vor. Aber die Transparenz hat enge Grenzen.

Von Peter Welchering | 06.04.2010
    Eine Studie über Auskunfteien, die die sogenannte Kreditwürdigkeit von Verbrauchern beurteilen, schlug im August vergangenen Jahres ein wie eine Bombe: Knapp die Hälfte der gespeicherten Eintragungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bundesbürger waren unvollständig oder falsch. Verbraucherministerin Ilse Aigner, deren Haus die Studie in Auftrag gegeben hatte, ließ das nicht ruhen. Sie wollte die im Mai 2009 verabschiedeten Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes zur Regulierung von Auskunfteien noch einmal verschärfen. Die Bürger sollten genau aufgeklärt werden, wie ihre persönliche Kreditwürdigkeit erhoben und berechnet wird.

    Diese Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Kreditwürdigkeit heißen Scoringmethoden. Doch die Scoringmethoden bleiben auch nach dem 1. April, ab dem das neue Bundesdatenschutzgesetz gilt, geheim. Einen kleinen Blick, wie Kreditwürdigkeit eigentlich berechnet wird, erlaubt aber die Risikoanalystin Ingrid Tunsch von Dun & Bradstreet:

    "Da steckt ein System dahinter. Man erstellt ein Sample, ein repräsentatives Beispiel, und darauf basierend macht man Untersuchungen und leitet daraus entsprechend die einzelnen relevanten Merkmale ab, wo man sagt, das war in der Vergangenheit so und das kehrt in der Regel immer wieder. Normalerweise geht man ein Jahr zurück und betrachtet die, die vor einem Jahr insolvent waren, welche Merkmale hatten die zu diesem Zeitpunkt, und betrachtet die, die vor einem Jahr solvent waren und geht dann zu der Gegenwart und guckt, was ist aus den Solventen geworden, hatten die ähnliche negative Merkmale oder Merkmale wie die vor einem Jahr."

    Hört sich kompliziert an. Dahinter steckt aber ein einfaches und vor allen Dingen fehleranfälliges Berechnungsschema. Jedes sogenannte Merkmal wird mit einer Wahrscheinlichkeit versehen. Damit wird zum Beispiel festgelegt, wie hoch das Insolvenzrisiko für einen Verbraucher ist, der einen Immobilienkredit für sein Reihenhaus aufgenommen hat. Oder das Insolvenzrisiko eines Verbrauchers, der mehrere Handyverträge abgeschlossen hat. Auch die Straße, in der ein Verbraucher wohnt, ist ein Merkmal. Wohnen dort viele Pleitiers, rutscht seine Kreditwürdigkeit ab. Daten für diese Merkmale werden unter anderem von Banken, Kaufhäusern, Kreditkartengesellschaften und Konsumforschungsinstituten zugeliefert. Das passiert natürlich anonym. Aber zum Zeitpunkt der Datenerhebung ist der Verbraucher schon ziemlich gläsern. Der Data-Mining-Experte Karl-Heinz Land hat da ein anschauliches Beispiel:

    "Der Kunde kaufte auf einmal, bezahlte auch kleinere Beträge mit Kreditkarte, zahlte dann immer noch, aber schon zögerlicher. Und der ging von seinem Markenbewusstsein weg, der kaufte irgendwelche No-Name-Anzüge, die nicht 800 kosteten, sondern 300 und so weiter. Und jetzt in dieser Phase hat man bei der Chase-Bank ein Beratungsprogramm aufgesetzt. Man ist nämlich aktiv auf die Kunden zugegangen und hat gesagt: Hör mal Kunde, Du hast Dein Kaufverhalten geändert, können wir Dir irgendwie helfen."

    Berechnet eine Auskunftei die Kreditwürdigkeit eines Verbrauchers, werden möglichst viele Merkmalsdaten von möglichst vielen Verbrauchern in einer ähnlichen Situation für die Wahrscheinlichkeitsberechnung herangezogen, zum Beispiel: verheiratet, Kinder noch in Ausbildung, auf dem Reihenhaus ein Kredit. Daraus ergibt sich die Kreditwürdigkeit der Risikovergleichsgruppe. Zeigt das Kaufverhalten des zu bewertenden Verbrauchers keine Auffälligkeit, wird dessen Kreditwürdigkeit aus dem Verhalten seiner Risikovergleichsgruppe direkt abgeleitet. Auffälligkeiten im Kaufverhalten führen zum Punktabzug. So kann der potenzielle Kunde, dessen Kreditwürdigkeit überprüft werden soll, nie besser sein als seine Risikovergleichsgruppe. Wohl aber kann er eine schlechtere Kreditwürdigkeit haben, zum Beispiel wegen auffälligen Kaufverhaltens. Genau diese Berechnungsformeln aber bleiben nach wie vor das Betriebsgeheimnis der Auskunfteien.