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Seeheimer Kreis
Auf Spargelfahrt mit dem SPD-Hoffnungsträger

Einmal im Jahr lädt der Seeheimer Kreis der SPD-Bundestagsfraktion zu einer Spargelfahrt ein - einst über den Rhein, heute auf dem Wannsee. Damals wie heute ist das Treffen eine Bühne für die SPD-Führung und eine Gelegenheit Eckpfeiler einzuschlagen. Gesprächsstoff gab es nach den Personalrochaden, die der Rücktritt Erwin Sellerings als Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern ausgelöst hat, zur Genüge.

Von Frank Capellan | 31.05.2017
    Der SPD-Kanzlerkandidat und Parteivorsitzende, Martin Schulz, bei der traditionellen SPD-Spargelfahrt des konservativen Parteiflügels Seeheimer Kreis auf dem Wannsee
    Der SPD-Kanzlerkandidat und Parteivorsitzende, Martin Schulz, bei der traditionellen SPD-Spargelfahrt des konservativen Parteiflügels Seeheimer Kreis auf dem Wannsee (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    "Gleich kommt auch der Spargel mit dem Schnitzel und darunter steht der Eisbecher Würselen!"
    Na das kann ja heiter werden, die MS Havelqueen liegt noch fest am Wannseekai, als der Gastgeber dem König der SPD derart schmeichelt, dem 100-Prozent-Vorsitzenden.
    "Ein Eisbecher, den wir alle kennen, aber ein bisschen mit Lebkuchen. Wir wollen ja, dass Martin sich hier wohlfühlt. Man muss ja auch gewisse Heimatgefühle vermitteln."
    Langsam kommt der Dampfer in Fahrt
    Johannes Kahrs ist der Herr aller Spargelfahrten, Chef des Konservativen Seeheimer Kreises in der SPD. Langsam kommt der Wannsee-Dampfer in Fahrt und mit ihm auch die Spitzengenossen. Das Wasser ist still, die Unwetter sind am Mittag bereits über Berlin gezogen, hinter der SPD liegt wieder einmal ein Tag voller Turbulenzen.
    "Die SPD und insbesondere Martin Schulz haben gezeigt, dass sie in schwierigen Situationen sehr schnelle, eindeutige und klare Entscheidungen treffen können. Vielen Dank, lieber Martin!"
    Ruder fest in der Hand
    Fraktionschef Thomas Oppermann dankt dem Kapitän, der das Ruder an diesem Dienstag wieder einmal ganz fest in die Hand nehmen musste. Erwin Sellering schwer erkrankt – Rücktritt. Die Familienministerin geht nach Mecklenburg-Vorpommern; der Chef musste schnell entscheiden. Martin Schulz beginnt seine Rede nachdenklich.
    "Das was der Reinhard May in seinem Lied 'Über den Wolken' beschrieben hat, dass alles, was uns groß und wichtig erscheint, wird plötzlich nichtig und klein. Und deshalb ist es, glaube ich, gut, dass wir an den Erwin denken, und vielleicht ist ein Stück der Kraft und der Energie, die wir hier haben, auf für ihn eine Hilfe, dass er diesen Kampf besteht. Ich glaube, das wünsche ich ihm im Namen aller."
    Die Krebserkrankung von Erwin Sellering überschattet den Ausflug der Genossen und bringt einiges in Bewegung. Familienministerin Manuela Schwesig räumt ihren Posten, und für zwei Sozialdemokraten endet dieser Tag so, wie sie es kaum für möglich gehalten hätten.
    "Der beste Joke des Tages"
    "War übrigens der beste Joke des Tages, als der Hubertus Heil eben in der Fraktion gesagt hat, na Katharina, als wir heute morgen aufgewacht sind, haben wir auch nicht gedacht, was da auf uns zukommt. War 'ne interessante Neuigkeit."
    Der Hubi, wie die Parteifreunde ihren neuen, alten Generalsekretär rufen, und die Katharina sind natürlich auch an Bord. 2009 ging Hubertus Heil für Steinmeier in den Wahlkampf, wenig erfolgreich. Doch Martin Schulz brauchte wohl einen, der sich nicht lange einarbeiten muss.
    "Ich glaube, dass ich politische Erfahrung mitbringe, eine klare Überzeugung. Ich bin seit 28 Jahren Mitglied in der deutschen Sozialdemokratie. Ich kenne auch das Willy Brandt Haus, ich kenne Wahlkämpfe und ich glaube auch, dass ich einen Beitrag leisten kann zum Erfolg der SPD bei der Bundestagswahl."
    In schwerer See
    Der Spargeldampfer tuckert gemächlich Richtung Glienicker Brücke. In schwerer See sind wir schon genug, hoffentlich kommt das Gewitter nicht näher, meint Martin Schulz beim Blick auf den dunklen Himmel. Eine, die trotzdem ganz besonders viel strahlt, ist die künftige Familienministerin: "Ja, ein sehr aufregender Tag. Wie der verlaufen würde, konnte ich mir heute Morgen noch nicht träumen lassen."
    Katharina Barley muss ständig Hände schütteln, Glückwünsche zum neuen Amt. Nach den verlorenen Landtagswahlen war die Generalsekretärin in die Kritik geraten, jetzt steht sie vor einem Neubeginn. "Ich freue mich wahnsinnig, ich freue mich wirklich sehr. Es ist eine sehr gute Entscheidung, es ist nur bedauerlich, dass sie aufgrund von so traurigen Umständen jetzt so erfolgt ist."
    Kann diese Personalrochade wirklich neuen Schub in den Wahlkampf des Martin Schulz bringen? Der SPD-Vorsitzende lobt gerade seinen Vorgänger. Sigmar Gabriel lächelt, nickt kurz, als Schulz versichert, es gebe keinerlei Neid zwischen den beiden. "Donald Trump, das ist nicht die Vereinigten Staaten von Amerika. In den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es viele unserer Freundinnen und Freunde."
    Schulz schon bei der Nachspeise
    In ihren Attacken gegen den amerikanischen Präsidenten stehen die beiden sich gerade in nichts nach. Es gilt unsere Werte zu verteidigen, sagen sie unisono, und sich Mut zu machen für die Wahl, die noch nicht entschieden ist, wie Haushaltspolitiker Carsten Schneider – ebenfalls ein Seeheimer –versichert: "Auch ein bisschen die Wunden lecken aus den letzten Wahlergebnissen, die wir in den Landtagswahlen hatten – das gehört dazu. Und zweitens ist das der Kern der SPD, der auch Regierungsverantwortung haben will, möglichst an der Spitze."
    Martin Schulz ist derweil schon bei der Nachspeise, in Gedanken jedenfalls. "Der Höhepunkt des Essens ist das Dessert, wie heißt es noch, der Eisbecher Würselen". Stärkt Euch noch mal, lautet die Botschaft, in den kommenden Wochen werde ich Euch einiges abverlangen.
    Schulz macht klare Ansagen. "Ich sage Euch, wenn ich jetzt doppelt so viel kämpft, Genossinnen und Genossen, wie Ihr kämpfen wolltet, dann habt Ihr halb so viel gekämpft, wie der Kanzlerkandidat von Euch erwartet."
    Ärmel aufkrempeln, Helm aufsetzen und weitermachen, hat Martin Schulz nach der verkorksten Wahl in NRW gesagt, oder, um mit Johannes Kahrs zu sprechen. "Kämpfen, diskutieren, plakatieren und dann wird Martin Kanzler. Also: 'Dran! Drauf! Drüber!', sagte man früher in der Truppe."