Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Seeheimer Kreis bekräftigt Wunsch nach bundesweitem Mindestlohn

Vor dem Treffen der Spitzen der Großen Koalition hat der Sprecher des Seeheimer Kreises der SPD, Johannes Kahrs, den Willen seiner Partei zu einem bundesweiten Mindestlohn bekräftigt. Die SPD habe den Wirtschaftsaufschwung hinbekommen. Da die Firmen wieder gut verdienten, müssten nun auch die Gehälter steigen. Ein Mindestlohn würde darüberhinaus den Menschen helfen, denen man zuvor im Namen des Aufschwungs Opfer abverlangt hätte, sagte Kahrs.

Moderation: Gerd Breker | 18.06.2007
    Gerd Breker: Ein Geben und Nehmen, so wie in einer guten Beziehung. So sollte es auch in einer Parteienkoalition sein und allem Anschein nach will die Große Koalition in Berlin auch nach diesem Prinzip handeln. Der SPD soll gegeben werden, und zwar ein Entgegenkommen in Sachen Mindestlohn. Es ist nicht "der" gesetzliche Mindestlohn, der es sein sollte, aber es ist ein akzeptabler Ersatz für den Übergang. So zumindest will das die amtierende Sozialdemokratie ihrer Klientel und auch ihren Wählern verkaufen, nachdem die Koalitionsrunde heute Abend oder heute Nacht den Weg dafür dann auch frei gemacht hat. Die Ampel aber, die steht auf Einigung.
    Am Telefon bin ich nun verbunden mit Johannes Kahrs. Er ist der Sprecher des so genannten Seeheimer Kreises innerhalb der SPD. Guten Tag Herr Kahrs!

    Johannes Kahrs: Guten Tag!

    Breker: In Sachen Mindestlohn wird es am Abend also einen klassischen Kompromiss geben. Dennoch aus Sicht der SPD, Herr Kahrs, eher eine halbe Sache denn etwas Ganzes?

    Kahrs: Ja, genau so ist das!

    Breker: Sie hätten sich mehr gewünscht?

    Kahrs: Ja. Wir sind der Meinung, dass es einen bundesweiten Mindestlohn geben muss, mindestens aber ein Mindestgehalt. Bei uns wird das diskutiert zwischen 6,50 Euro oder 7,50 Euro. Das hat einfach was damit zu tun, dass wir gesagt haben, unter Gerhard Schröder und auch jetzt Franz Müntefering, auch in der Großen Koalition haben wir die Dinge gemacht, die notwendig waren, um Wirtschaftsaufschwung hinzubekommen, die Arbeitslosigkeit zu senken. Jetzt verdienen die Firmen wieder gut. Jetzt heißt es aber auch gerade in der Marktwirtschaft, der sozialen Marktwirtschaft, in der wir ja leben oder leben sollten, dass natürlich wenn die Firmen gut verdienen jetzt auch wieder die Gehälter steigen. Deswegen sind wir auch für höhere Tarifabschlüsse. Aber deswegen sind wir auch für einen Mindestlohn, damit die Menschen dann auch was davon haben, denen wir Opfer abverlangt haben, damit es uns allen wieder gut geht.

    Breker: Sie sind dafür, aber Sie müssen Kompromisse schließen. Da hat es die Linkspartei viel einfacher. Sie regiert nicht und kann daher die Interessen der Unterschichten klarer vertreten.

    Kahrs: Na ja, die machen Jahrmarkt im Himmel. Die machen das, was jede Protestpartei macht. Sie fordern immer mehr und das wird natürlich alles nicht finanzierbar und wird, wenn wir 7,50 Euro durchgesetzt haben, bei denen bei 8,50 Euro liegen. Ich glaube nicht, dass die Linkspartei irgendwas bewegt. Das ist das Problem, was sie mit sage ich mal Linksaußen und Rechtsaußen immer haben. Die sind populistisch ohne Ende, aber im Ergebnis kommt für die, die sie vertreten wollen, nichts herum. Wir Sozialdemokraten tun eben was, und das ist der Unterschied.

    Breker: Die Linke hat sich bilden können, weil die Sozialdemokratie Platz gelassen hat. Können Sie mit dieser These, Herr Kahrs, irgendwas anfangen?

    Kahrs: Das halte ich für Unsinn. Die Linkspartei hat sich gebildet, weil die PDS mit den verrückten Linken in Westdeutschland sich zusammengetan hat und weil sie jetzt ein bisschen PR und Stimmung macht. Wir haben - und das ist richtig - als Sozialdemokraten das wirtschaftlich Notwendige getan, um die Sozialsysteme zu sichern, eben auch um diese Klientel nach vorne zu bringen. Das ist auch richtig gewesen. Und jetzt muss es eben aber auch für diese Klientel was geben. Das gehört auch dazu. Die Linkspartei hätte weder die Kraft zu Reformen, noch könnte sie was durchsetzen für diese Klientel. Das ist eine reine Protestpartei. Das hat viel mit Gefühlen und wenig mit Handeln zu tun.

    Breker: Dennoch die Linke tummelt dort und räubert dort, wo die SPD ihre Wähler hat.

    Kahrs: Das ist so, aber ich glaube auf Sicht werden die Leute einfach merken, wer was für sie tut und wer nicht. Die SPD ist eine Partei, die in ihrer 140-jährigen Geschichte immer für Zukunft stand, dafür, dass sich Menschen verbessern können, Karriere machen können, nach vorne kommen können, sich bilden können, und nach vorne schaut. Die Linkspartei ist so ein Zusammenschluss aus der alten SED und den eher links Verrückten hier in Westdeutschland, die etwas abgedreht sind. Die sind rückwärts gewandt. Die wollen immer nur verhindern, blockieren und versprechen viel, aber im Ergebnis werden die nichts gestalten. Schlecht für die Republik, schlecht für die Menschen!

    Breker: Viele Beobachter, Herr Kahrs, fühlen sich daran erinnert, als damals die Grünen aufkamen. Ist da irgendwas mit der SPD-Strategie nicht in Ordnung?

    Kahrs: Ich glaube als die Grünen aufkamen, gab es ein Thema, nämlich das Umweltthema, was die SPD wirklich in Teilen verschlafen hat. Das ist richtig! Damals war das aber eben nicht nur dieses eine Thema, sondern sie haben einen Zusammenfluss von vielen alternativen Initiativen gehabt. Was sie jetzt haben mit der Linkspartei ist einfach die alte SED, die mit dem entsprechenden Vermögen, was sie hat, umgewandelt in die PDS.Linkspartei plus sage ich mal der ewig Unzufriedenen und Nörgler und Gescheiterten sich zusammengeschlossen hat. Das ist glaube ich nicht zu vergleichen. Ich glaube auch, dass es auf Dauer keine Perspektive hat. Das einzige wo es funktioniert ist da, wo es ein bisschen Lokalkolorit gibt, nämlich im Osten. Da ist aber auch die Linkspartei, sage ich mal die ehemalige PDS, sehr viel pragmatischer, als Sie das hier im Westen erleben können, wo sie nun die Gescheiterten auf der Linken alle zusammengeschlossen haben.

    Breker: Allerdings finden sich dort auch einige Gewerkschafter. Hat die SPD vielleicht die Beziehungen zu den Gewerkschaften, die traditionellen Beziehungen ohne Not schleifen lassen?

    Kahrs: Das glaube ich auch nicht. Wenn Sie sich das mal angucken, ob das nun die Eisenbahnergewerkschaft ist, die Polizeigewerkschaft, ob sie nun mit Nahrung und Genussmittel und anderen Gewerkschaften zusammen sind. Mit denen kommen wir gut klar! Es gibt Probleme mit einzelnen Personen bei der IG Metall und bei ver.di. Das ist so. Das ist auch nicht schön. Das hat aber mit dem Gewerkschaftsapparat zu tun. Wenn Sie in die Betriebe gehen, dann wissen die Menschen, was wir getan haben, sowohl unter Rot-Grün zum Thema Betriebsverfassungsgesetz. Dann wissen die Menschen, dass wir jetzt verhindert haben was gelaufen wäre, wenn es zum Beispiel eine Koalition CDU/FDP gegeben hätte. Dann wäre nämlich der Kündigungsschutz geschliffen worden. Dann wären die Überstunden versteuert worden und Ähnliches. Das alles gibt es nicht, weil wir Sozialdemokraten uns auch als Schutzmacht der kleinen Leute da hinstellen.

    Breker: Kann man denn überhaupt in der Mitte gewinnen als Sozialdemokrat, was man am linken Rand nun wohl verlieren wird?

    Kahrs: Für jedes Prozentpunkt, was sie vielleicht sage ich mal am äußeren linken Rand gewinnen, verlieren sie zwei, drei Prozentpunkte in der Mitte. Deswegen ist es eine vollkommen abstruse Veranstaltung. Wenn man die Linkspartei will und die Linkspartei wählt, garantiert man die dauerhafte Vorherrschaft der CDU. Dann kriegt man wieder die CDU mit der FDP als Regierungspartei. Das ist wie in Weimar. Die Linke spaltet sich selber, die Rechten, die Bürgerlichen werden stark. Das kann nicht Sinn der ganzen Veranstaltung sein. Deswegen glaube ich, dass man, wenn man sich das genau anguckt, auch auf der Sachebene feststellt, dass die SPD die Partei der Arbeitnehmer ist. Und ich glaube auf Sicht wird man auch dahin kommen, denn alles das, was wir an Reformen gemacht haben, haben wir ja gemacht, um den Sozialstaat und die Sozialsysteme für die Menschen zu sichern, denen es nicht so gut geht.

    Breker: Allerdings steht man in der Mitte in heißer Konkurrenz zur Union, Herr Kahrs, denn die wird ja, glauben wir Herrn Westerwelle, immer sozialdemokratischer.

    Kahrs: Na ja, Herr Westerwelle glaubt viel, wenn der Tag lang ist. Das haben wir in der Vergangenheit ja gesehen. Der glaubt auch, dass er regiert. Im Ergebnis ist es so, dass die Union, wenn sie denn dann allein regierte, das tun würde, was sie auf dem Leipziger Parteitag beschlossen hat. Jetzt muss sie mit uns regieren. Jetzt muss sie sich in vielen Teilen sehr sozialdemokratisch gerieren. Das ist so. Aber ohne die SPD hätten sie wieder die CDU in Reinkultur und wenn man jetzt sieht, wie die CDU kämpft gegen Mindestlöhne, gegen vernünftige Tarifabschlüsse, obwohl die Wirtschaft läuft, dann weiß man, wer die Schutzmacht der kleinen Leute ist. Das ist die SPD, das ist Franz Müntefering, Kurt Beck und Peter Struck.

    Breker: Sie haben Namen genannt. Galionsfiguren, Persönlichkeiten sind für Wähler immer sehr wichtig, die sie mit irgendeiner Politik verbinden können. Muss die SPD, um etwas gegen Angela Merkel aufstellen zu können, vielleicht neue Persönlichkeiten suchen? Vielleicht Frank-Walter Steinmeier, den Außenminister?

    Kahrs: Wir werden jetzt ja drei stellvertretende Parteivorsitzende kriegen: Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Frau Nahles. Und ich sage mal mit den beiden Bundesministern haben sie ja zwei neben Kurt Beck. Die drei sind alle dazu da, dass sie Perspektive sind und auch entsprechend nach außen vertreten. Ich glaube, dass das auch Personen sind, die die SPD dann in den nächsten Jahren führen werden.