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Seenotrettung im Mittelmeer
EU uneins über Mission "Sophia"

Die EU-Staaten können sich nach wie vor nicht einigen, wie aus dem Mittelmeer gerettete Menschen verteilt werden könnten - mit weitreichenden Folgen. Die europäische Anti-Schleuser-Operation Sophia muss künftig ohne Schiffe auskommen. Kommt doch noch eine Koalition der Willigen zustande?

Von Peter Kapern | 27.03.2019
Das Foto zeigt die Fregatte "Sachsen" nach ihrer Rückkehr von der Operation "Sophia" im Mittelmeer.
Die Fregatte "Sachsen" hatte bei der Operation "Sophia" Schleusernetzwerke aufgeklärt und zentrale Routen im Mittelmeer überwacht. (dpa-Bildfunk / Mohssen Assanimoghaddam)
Es brauchte einige Nachfragen, bis die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini doch noch durchblicken ließ, was sie und ihre Chefin vom dem Beschluss halten, den die Mitgliedstaaten da gerade in Sachen Mission Sophia getroffen hatten:
"Wir glauben nicht, dass Sophia in der Lage sein wird, ihr Mandat ohne Schiffe effektiv zu erfüllen", so die Kommissionssprecherin.
Und in der Tat: Diese Vermutung ist nicht abwegig. Denn Sophia ist eine maritime Mission der EU, mit dem Ziel, Schleusern, die Flüchtlinge aus Libyen über das Mittelmeer nach Italien bringen, das Handwerk zu legen und gleichzeitig in Seenot geratene Flüchtlinge zu retten. Ohne Schiffe dürfte das schwierig werden.
Mandat läuft aus
Seit die Mission Sophia 2015 ins Leben gerufen wurde, hat sie ihr Mandat durchaus erfolgreich umgesetzt. Die Zahl der Flüchtlinge, die sich von Libyen aus auf den Weg nach Norden machen, ist auch wegen Sophia drastisch gesunken. Gleichzeitig wurden in den vergangenen vier Jahren 50.000 Menschen vor dem Ertrinken gerettet und in italienischen Häfen abgesetzt. So, wie es das internationale Seerecht vorschreibt, dem zufolge Schiffbrüchige im nächsten erreichbaren Hafen angelandet werden müssen.

Neben den Patrouillenfahrten von Marineschiffen aus verschiedenen EU-Ländern in den Gewässern vor der libyschen Küste umfasst Sophia auch eine Überwachung der Fluchtroute aus der Luft und die Ausbildung der libyschen Küstenwache. Ende März läuft das Sophia-Mandat aus, seit Monaten feilschten die EU-Mitgliedstaaten um eine Verlängerung.
Brücke und Flugdeck der Cavour, Teil der europäischen Militärmission Sophia
Überwachung auf See und in der Luft (Karin Bensch)
Italiens Regierung, die bereits privaten Rettungsschiffen das Anlaufen italienischer Häfen untersagt, verlangte, die im Rahmen von Sophia geretteten Flüchtlinge auf die übrigen EU-Staaten zu verteilen. Doch insbesondere osteuropäische Mitgliedstaaten verweigern sich. Deutschland und Frankreich hatten versucht, eine größere Koalition der Willigen zu gründen, die die geretteten Flüchtlinge aufzunehmen bereit sind. Doch mehr als zehn Staaten waren es nie, die ihr Einverständnis signalisierten. Und so wurde das Vorhaben erst einmal auf die lange Bank geschoben.
Politisches Gezerre
Was zu dem jetzt gefassten Beschluss in Sachen Sophia führte: Das Mandat für die maritime Mission wurde für weitere sechs Monate verlängert, allerdings ohne den weiteren Einsatz der Patrouillenboote. Was bleibt, ist die Luftüberwachung und die Ausbildung der libyschen Küstenwache.
Ska Keller, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament: "Das Ende der Sophia-Mission erinnert uns daran, dass de facto keine Seenotrettung mehr stattfindet im Mittelmeer. Denn die Menschen, die gerne Menschen aus Seenot retten würden, dürfen es nicht mehr. Die NGO-Boote dürfen nicht auslaufen und von offizieller staatlicher Seite, also diejenigen, die eigentlich Seenotrettung betreiben müssten, da passiert nichts mehr."

In den letzten Monaten hatte die italienische Regierung, bei der die Sophia-Einsatzleitung lag, die Mission ohnehin ad absurdum geführt. Die Marineboote waren nur noch auf Patrouillenfahrt weit entfernt von der libyschen Küste entsendet worden. Aus Protest dagegen hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen entschieden, keine Schiffe der Bundesmarine mehr im Rahmen von Sophia einzusetzen.
Das Schiff liegt in der Nacht am Kai, darauf und davor sind viele Polizisten und weitere Personen. 
Besonders in Italien kommen viele Flüchtlinge aus Afrika an - Ein unangenehmes Problem für die Südeuropäer (Elio Desiderio/ANSA/AP/dpa)
Mit Blick auf dieses politische Gezerre um Sophia hat der CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler durchaus Verständnis für den jetzt von den Mitgliedstaaten gefassten Beschluss: "Ich glaube, unter solchen Umständen hat das dann wenig Sinn gemacht, leider, diese Missionen fortzusetzen. Und wir müssen jetzt sehen, wie sich die Lage dann dort weiter entwickelt."
SPD fordert Vorangehen von Staaten
Die Mission Sophia ist der nächste Beweis, dass die gesamte EU-Asyl- und Migrationspolitik mittlerweile durch den Streit um die Flüchtlingsverteilung gelähmt ist.
Dietmar Keller, Europaabgeordneter der SPD, sieht deshalb nur einen Weg, diesen gordischen Knoten zu durchschlagen, nämlich "dass die Staaten, die sich zu den Menschenrechten bekennen, endlich klar sagen, wir gehen voran und wir nehmen die geflüchteten Menschen auf.
Ob es aber so kommt, das scheint mehr als fraglich.