Freitag, 19. April 2024

Archiv

Seerecht in der Straße von Hormus
Das Ringen um die Freiheit der Meere und des Öltransports

Täglich werden mehr als 20 Millionen Fass Rohöl durch die Straße von Hormus verschifft. Doch die Angst wächst, der Iran könne die Meerenge blockieren und die Energieversorgung großer Teile der Welt gefährden. Das Seevölkerrecht soll so etwas verhindern. Völkerrechtler halten es für stark genug.

Von Marc Engelhardt | 08.10.2019
Blick aus der Luft auf den Tanker, an dessen Seite sich ein großer Brand gebildet hat. Dichter schwarzer Rauch steigt auf.
Der Öltanker "Front Altair" brennt am 13.6.2019 im Golf von Oman nach einem mutmaßlichen Angriff. (AP / ISNA / dpa)
Am 13. Juni dieses Jahres wendet sich UN-Generalsekretär António Guterres mit einer Warnung an die Weltöffentlichkeit. Gerade sind im Golf von Oman, in der Einfahrt zur Straße von Hormus, zwei Tankschiffe attackiert worden. Das eine, die "Kokuka Courageous" einer Hamburger Reederei, treibt mit zwei Löchern in der Bugwand in der Meerenge zwischen dem Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der andere Tanker, die unter der Flagge der Marshallinseln fahrende "Front Altair", steht in Flammen. Bilder des iranischen Staatsfernsehens zeigen eine schwarze Rauchsäule, die in den wolkenlosen Himmel zieht. Und der UN-Generalsekretär sieht die Gefahr eines neuen Kriegs am Golf heraufziehen:
"Ich sehe die Vorfälle in der Straße von Hormus mit tiefer Sorge. Ich verurteile jeden Angriff auf zivile Schiffe scharf. Die Fakten und die Verantwortlichkeiten müssen geklärt werden. Wenn es etwas gibt, was die Welt sich nicht leisten kann, dann ist es eine größere Konfrontation in der Golf-Region."
Die US-Regierung legt sich schon einen Tag später fest: Der Iran stecke hinter den Anschlägen. Es ist der vorläufig dramatischste Punkt einer Krise, die seit Mai die Golfregion erschüttert. Obskure Sabotageakte, festgesetzte Schiffe, abgeschossene Drohnen lassen die Angst vor einer militärischen Konfrontation am Golf wachsen. Auf der einen Seite: Der Iran, dessen Regierung die USA unter anderem mit einem Exportverbot für iranisches Öl zu Fall bringen wollen. Auf der anderen: Saudi-Arabien und seine Verbündeten.
Die Straße von Hormus mit Rohölexporten angrenzender Länder 2016.
Die Straße von Hormus (picture-alliance/ dpa-infografik)
Alle dreiviertel Stunde ein Supertanker
Fast vier Monate später hat sich die Lage nicht entspannt. Wer die Region beobachtet, fürchtet weiter jeden noch so kleinen Zwischenfall. Seerechtsexperten wissen: Der Ort des Konflikts, die Straße von Hormus, ist nicht irgendein Seeweg. Durch die Meerenge, die das Arabische Meer mit dem Golf von Oman und den Weltmeeren verbindet, wird ein Fünftel des weltweit verbrauchten Rohöls transportiert - dazu ein Viertel des globalen Bedarfs an Flüssiggas. Alle dreiviertel Stunde passiert im Schnitt ein Supertanker den Seeweg, der an seiner engsten Stelle nur knapp 38 Kilometer breit ist. Im Norden: der Iran, im Süden: die zum Oman gehörende Halbinsel Musandam. Für Staaten wie Saudi-Arabien ist die Straße von Hormus der einzige Seeweg, um Öl zu verschiffen.
US-Präsident Donald Trump schüttelt die Hand des saudi rabischen Verteidigungsministers Prinz Mohammed bin Salman im März 2017 im Speisesaal des Weißen Hauses in Washington.
USA und Saudi-Arabien - Geschichte einer undurchsichtigen Beziehung
USA und Saudi Arabien - zwei Länder, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Dennoch sind die Beziehungen zwischen den beiden Mächten eng. Und undurchsichtig, besonders im Hinblick auf die Geschäfte zwischen der saudischen Königsfamilie und US-amerikanischen Ölfirmen. Doch wer dominiert wen?
Im internationalen Seerecht genießen solche Seestraßen einen besonderen Schutz. Eine vom Iran immer wieder angedrohte Blockade wäre deshalb illegal, weiß der frühere Richter am Internationalen Seegerichtshof, Professor Rüdiger Wolfrum:
"Eine Sperrung der Straße von Hormus, ein wichtiger Seeweg, wäre ein Verstoß gegen das Seerechtsübereinkommen. Und wenn man die bisherigen Verlautbarungen des Sicherheitsrates auf ähnliche Fragen ernst nimmt, wäre das ein Fall, der auch vor dem Sicherheitsrat zu verhandeln wäre. Ich beziehe mich darauf: Der Sicherheitsrat hat die Einschränkung der Schifffahrt durch Piraten für ein Sicherheitsrisiko qualifiziert - mit der Möglichkeit eines Einschreitens des Sicherheitsrats. Das wäre hier für diesen Fall zweifelsohne auch gegeben."
Rüdiger Wolfrum gilt als einer der bedeutendsten Experten in Seerechtsfragen weltweit. 21 Jahre lang war er Richter am Internationalen Seegerichtshof in Hamburg, von der Gründung im Jahr 1996 bis 2017. Vier Jahre davon saß er als Präsident dem Gerichtshof vor, bis heute entscheidet er in Schiedsgerichten über Seerechtsstreitigkeiten.
Internationales Seerecht ist oft Auslegungssache. Und Wolfrums Wort hat dabei Gewicht. So glaubt er, dass die seit Ende August operierende Militärflotte unter US-Führung in der Straße von Hormus legitim ist - solange sie dem Schutz des Schiffverkehrs dient.
"Ein Staat hat das Recht, Schiffe unter seiner Flagge - also für Deutschland: Schiffe unter deutscher Flagge oder Schiffe, die deutsche Waren transportieren - zu schützen, damit diese die Freiheit der Seeschifffahrt wahrnehmen können. Das geschieht ja auch beispielsweise im Kampf gegen Piraterie. Also insofern: Ein Verband, der diese Handelsschiffe begleitet, wäre ohne weiteres möglich. Kriegerische Aktionen deswegen einzuleiten, wie, sagen wir, die Bombardierung bestimmter Punkte an Land, wäre völkerrechtswidrig", sagt Wolfrum.
Der Iran protestiert gegen US-Militär
Solche Vorfälle hat es bislang nicht gegeben. Doch seit den Anschlägen auf die beiden Tanker "Kokuka Courageous" und "Front Altair" scheint alles möglich. Die USA sind unter anderem mit dem Flugzeugträger "Abraham Lincoln" und dem Landungsschiff "Boxer" vor Ort, das 4.500 Marinesoldaten an Bord hat.
Der iranische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Madschid Takht-Ravanchi, fordert Ende Juni einen Abzug der US-Amerikaner: "Die Vereinigten Staaten haben große Flottenverbände in unsere Region verlegt, eine ganze Armada. Um die Lage zu entspannen, sollten die USA diese Armada abziehen und den Wirtschaftskrieg gegen unsere Bevölkerung beenden."
Er wird nicht erhört. Stattdessen stoppt die britische Marine Anfang Juli einen Tanker vor Gibraltar und beschlagnahmt das Schiff. Die "Grace 1", so der Vorwurf, soll iranisches Öl nach Syrien transportieren. Das ist einem EU-Embargo zufolge verboten. Wolfrum hält das Festsetzen des Tankers für rechtens:
"Er ist in der Nähe von Gibraltar festgenommen worden auf der Basis von EU-Sanktionen. Und da es sich zumindest im EU-Küstenmeer befand, gilt europäisches Gemeinschaftsrecht, und insofern konnten EU-Sanktionen durchgesetzt werden. Das sieht der Iran anders, er ist ja nicht Mitglied der EU, aber das Seerechtsübereinkommen gibt diese Möglichkeit. Ich gebe aber zu, das ist nicht unumstritten."
Der Iran protestiert - und reagiert. Zwei Wochen später beschlagnahmen iranische Revolutionsgarden den britischen Tanker "Stena Impero" und nehmen die 23 Besatzungsmitglieder fest. Auch diese Maßnahme hält Wolfrum potentiell für legitim:
"Die Festnahme des britischen Tankers durch die Revolutionsgarden war eine Gegenmaßnahme. Die sind generell im Völkerrecht zulässig. Außerdem wurde vorgetragen, der britische Tanker habe Seerecht verletzt und auch ein Schiff oder Boot gerammt. Wenn das so wäre - wir kennen den Sachverhalt nicht - wäre eine Festnahme und eine Untersuchung auch zulässig."
Inzwischen sind Schiffe und Besatzungen wieder frei. Doch beide Vorfälle und die Krise in der Straße von Hormus haben die See als potentiellen Austragungsort von Konflikten wieder in den Blickpunkt gerückt - und damit auch das UN-Seerechtsübereinkommen, das Rechte und Pflichten aller Nationen in den Ozeanen und Meeren der Welt regelt. Als es 1982 nach zehn Jahren Verhandlung beschlossen wurde, galt es als das umfassendste UN-Abkommen überhaupt. Und doch dauerte es noch einmal zwölf Jahre, bis das Seerechtsübereinkommen in Kraft trat. Einige Staaten, auch die USA und der Iran, haben es bis heute nicht ratifiziert. Dennoch gelten viele Regeln als Völkergewohnheitsrecht auch für sie. Über die Einhaltung wacht der Internationale Seegerichtshof in Hamburg.
Iranische Revolutionsgarden patrouillieren in der Straße von Hormus um den britischen Tanker Stena Impero 
Im Juli hatten iranische Revolutionsgarden den britischen Tanker Stena Impero festgesetzt (AFP/Hasan Shirvani)
21 Richter für ein Verfahren
Matthias Füracker leitet die Rechtsabteilung des Seegerichtshofs. Dessen modernes, mit viel Glas und Stahl entworfenes Gebäude, liegt im Westen Hamburgs direkt an der Elbe. Im ersten Stock ist das Herzstück des Seegerichtshofs, der Gerichtssaal. Füracker öffnet die Tür, es herrscht Stille. "Der Sall ist kreisrund angelegt", sagt Füracker. "Vorne sind die Sitzplätze für die Richter. Wir haben hier 21 Richter. Wenn Staaten hier ein Verfahren haben, aber kein Richter ihrer Nationalität sich unter den Richtern des Seegerichtshofs befindet, dann können diese Staaten sogenannte Ad-hoc-Richter wählen. Das heißt, die Zahl der Richter kann dann schon mal 23 erreichen."
Diese Richter aber sind nur dann in Hamburg, wenn verhandelt wird. Das können auch Eilverfahren sein, in denen das Gericht binnen Wochen entscheiden muss: Wie im Frühjahr etwa im Streitfall zwischen der Ukraine und Russland, dessen Marine drei ukrainische Kriegsschiffe vor der Krim aufbrachte und beschlagnahmte. Zu Unrecht, wie der Seegerichtshof im Eilverfahren feststellte. Über die Hauptsache verhandelt derzeit ein Schiedsgericht. Die ukrainische Besatzung ist zwar frei, doch der Verbleib der ukrainischen Schiffe ist weiter unklar.
"Sewastopol – Vorposten der russischen Zukunft" steht auf einem großen Plakat auf der Krim, auf dem auch Putin zu sehen ist.
Fünf Jahre Krim-Annexion - Leben unter russischer Flagge
Im Februar 2014 übernahmen russische Soldaten und pro-russische Milizen die Macht auf der Krim. Fünf Jahre später sind die verbliebenen Kritiker kalt gestellt: gefoltert, gefangen, verschleppt oder im Justizapprat verstrickt. Der Rest lebt Alltag.
Das ist eine Crux des Seegerichtshofs: Über Zwangsmittel, um ihre Urteile durchzusetzen, verfügen die Richter nicht. Stattdessen müssen sie überzeugen, weiß Matthias Füracker:
"Urteile müssen die Argumente, die die Parteien vorbringen, aufnehmen und den jeweiligen Staaten auch den Eindruck geben, dass sie mit ihren Argumenten in voller Gänze gehört und gewürdigt wurden. Und dann muss darauf eine adäquate, gut begründete juristische Antwort gegeben werden. Die Urteile müssen ausgewogen sein, müssen die Argumente beider Seiten berücksichtigen, und dort, wo es geht, dann vielleicht auch Kompromisse aufzeigen."
Im Streitfall zwischen der Ukraine und Russland ging es auch um eine prinzipielle Frage: Russland berief sich darauf, dass es sich bei der Blockade und Beschlagnahmung der ukrainischen Kriegsschiffe um eine militärische Aktion handelte. Über solche darf der Seegerichtshof nicht entscheiden. Die Richter waren mehrheitlich anderer Ansicht. Doch das Beispiel zeigt, dass Seeblockaden ein rechtlich schwieriges Feld darstellen, wie Matthias Füracker ausführt:
"Eine der großen Freiheiten dieses Seerechtsübereinkommens, das ist die Freiheit der hohen See. Das heißt vor allem, dass alle Staaten ihre Schiffe unter ihrer Flagge auf der hohen See fahren lassen können und sie von anderen Staaten nicht drin begrenzt werden dürfen. Der Seegerichtshof hatte verschiedene Urteile in der Vergangenheit zu fällen, in Fällen, in denen Küstenstaaten Schiffe von Drittstaaten vor allem in der ausschließlichen Wirtschaftszone festgenommen haben. Das ist dort, wo dann eben in der Regel die Interessen der Küstenstaaten und schifffahrenden Nationen besonders stark aufeinander prallen und wo es dann zu solchen Konflikten kommt."
Kann der Seegerichtshof Frieden sichern?
Könnte also der Seegerichtshof einen drohenden Konflikt wie den in der Straße von Hormus lösen? Generell schon, glaubt der frühere Richter am Seegerichtshof, Rüdiger Wolfrum. Die beste Lösung sei das aber nicht unbedingt:
"Ich persönlich bin allerdings der Meinung, es wäre besser, so einen Fall politisch zu lösen, durch Verhandlungen, möglicherweise durch eine Vermittlung oder einen Vergleich. Derartige sicherheitssensible Fragen erzeugen vor Gericht nur größere Spannungen gelegentlich, und deswegen wäre es besser, da die diplomatischen Formen der Konfliktbeilegung einzusetzen."
Der Persische Golf, die Straße von Hormus und der Golf von Oman in einer Satellitenaufnahme (undatiert).
Eine Satellitenaufnahme vom Persischen Golf, der Straße von Hormus und dem Golf von Oman (picture alliance / dpa)
Allerdings heißt das nicht, dass der Seegerichtshof keine politisch brisanten Fälle lösen könnte oder sollte. Gerade bei den Fragen von Seegrenzen, über die die Richter in Hamburg regelmäßig entscheiden, geht es für die beteiligten Staaten um viel - politisch, aber auch wirtschaftlich.
"Der Streit zwischen Bangladesch und Myanmar ging um X Ölquellen. Der Zugriff auf diese Ölquellen ist für beide Staaten lebenswichtig, viel wichtiger, als die Durchfahrt durch die Straße von Hormus für den Iran ist. Und trotzdem wurde das einem Gericht, einem Schiedsgericht anvertraut", sagt Wolfrum.
Dass der Seegerichtshof Frieden sichern kann, ist für Wolfrum generell ein hoher, vielleicht zu hoher Anspruch. Lieber spricht der Jurist von der Sicherung der Rechtsstaatlichkeit - der Basis von friedlicher Koexistenz. Als größte Errungenschaft des Seegerichtshofs sieht Wolfrum, zwei neue Elemente in die Rechtsstaatlichkeit auf See eingebracht zu haben: die volle Geltung der Menschenrechte auch auf den Meeren und den Umweltschutz. Letzteres ein Thema, in dem Wolfrum eine der größten Herausforderungen für die Zukunft des Seerechts sieht:
"Die neue Problematik, das sind die Probleme, die durch den Klimawandel eintreten. Verschiebung von Seegrenzen, Überflutung von Inseln: Was passiert mit der Bevölkerung von Vanuatu, wenn diese Insel verschwindet? Das ist eine Frage, die völlig ungeklärt ist. Eine weitere große Frage ist: Gibt es die Möglichkeit einer Harmonisierung des Umweltschutzes bei der wirtschaftlichen Nutzung des Festlandssockels unter nationaler Kontrolle?"
Bisher dürfen Nationalstaaten darüber alleine entscheiden, obwohl die Auswirkungen alle betreffen. Ähnlich problematisch sieht Wolfrum den Tiefseebergbau, der sich negativ auf das Weltklima auswirken könnte. Auch hier gibt es bislang noch keine seerechtlichen Regelungen. Ohne diese, so befürchtet der ehemalige Richter, könnten auf hoher See bald schon neue Konflikte und Krisen entstehen. Konflikte, von denen bislang noch kaum jemand etwas ahnt. Und die dann vor dem Seegerichtshof landen könnten.
Die Bedeutung des Seegerichtshofs steigt
Obwohl im Schnitt noch immer nur ein Hauptsacheverfahren pro Jahr in Hamburg verhandelt wird, wenden sich Staaten häufiger an das internationale Gericht. Gerade erst haben die Malediven und Mauritius die Einsetzung einer Kammer erbeten, die eine Grenzstreitigkeit klären soll. Schnell fallen solche Entscheidungen allerdings nicht, wie der Matthias Füracker, der Leiter der Rechtsabteilung des Seegerichtshofs einräumt: "Die Hauptsacheverfahren, die dauern ihre gewisse Zeit, da können Sie auf jeden Fall mit so etwa drei Jahren rechnen."
In einer Krise wie der am Golf, wo Torpedos und Tweets den Takt vorgeben, erscheint die Langsamkeit des Seegerichtshofs absurd. Doch dafür halten die in Hamburg getroffenen Grundsatzentscheidungen lange vor und verhindern so womöglich Krisen, noch bevor sie beginnen. In der Straße von Hormus ist eher der UN-Sicherheitsrat am Zug. Doch auch dort bezog sich die Kabinetts-Chefin des UN-Generalsekretärs, Maria Luiza Ribeiro Viotti, bei einer Krisensitzung Ende August ausdrücklich auf das Seerechts-übereinkommen:
"Die Serie von Vorfällen in der Straße von Hormus und den angrenzenden Seewegen hat Spannungen in einem gefährlichen Ausmaß verursacht. Es ist ganz entscheidend, dass die Rechte und Pflichten der Seeschifffahrt im Einklang mit dem Völkerrecht respektiert werden. Wir brauchen dringend mehr Zurückhaltung und Dialog, um zu vermeiden, dass eine winzige Fehlkalkulation unbeabsichtigt zu einer größeren Konfrontation führt, mit Auswirkungen weit über die Region hinaus."
Bisher ist es ein fragiles Gleichgewicht, das einen Krieg verhindert. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und ihre Verbündeten am Golf sind auf Öleinnahmen angewiesen. Weil über 90 Prozent ihrer Exporte durch die Straße von Hormus verschifft werden, können sie Krieg nicht brauchen. Auch der Iran, der unter dem Ölembargo leidet, dürfte in einem Krieg nichts gewinnen. Öl ins Feuer schüttet dagegen US-Präsident Donald Trump, der auf das Rohöl vom Golf schon lange nicht mehr angewiesen ist.
Das Symbolbild zeigt das Modell eines Panzers und eines Militärjets sowie Geldscheine.
Militärausgaben 2019 auf neuem Höchststand
Im vergangenen Jahr wurde weltweit so viel Geld ins Militär investiert wie seit 1988 nicht mehr, meldet das Friedensforschungsinstitut SIPRI. Vor allem die USA und China gaben deutlich mehr aus, was im Falle Chinas nicht nur militärische Gründe hat.
Irans Präsident Hassan Rohani hofft, die Krise zum eigenen Vorteil nutzen zu können. Vor der UN-Vollversammlung bot er in verklausulierten Worten an, die völkerrechtlich verbriefte Durchfahrt der Straße von Hormus zu garantieren - allerdings nur, wenn sein Land das gleiche Recht auf Ölexporte bekomme, sprich: das Ölembargo zurückgenommen würde.
"Sicherheit und Frieden am Persischen Golf, im Golf von Oman und der Straße von Hormus könnten unter Beteiligung aller regionalen Staaten garantiert werden, ebenso der freie Ölexport und der Export anderer Energieträger. Vorausgesetzt, wir garantieren die Sicherheit übergreifend in allen Ländern der Region", sagte Rohani.
Die aggressiven Töne aus New York stützen jene, die den Multilateralismus in Gefahr sehen. Doch Matthias Füracker vom Seegerichtshof in Hamburg lässt sich davon nicht beeindrucken. Er sieht im Gegenteil ein wachsendes Interesse an der geordneten Lösung von Konflikten durch sein Gericht:
"Wir haben seit einigen Jahren doch einen konstanten Zulauf von Fällen, und ich würde auch sagen, das ist ein gutes Zeichen, dass Staaten internationale Gerichte nutzen, um ihre Streitigkeiten friedlich und auf einem geordneten rechtlichen Weg beizulegen."
Seerecht muss sich weiterentwickeln
Der langjährige Richter Rüdiger Wolfrum ist skeptischer. Er ist überzeugt: Das Seerecht muss sich weiterentwickeln, um den Multilateralismus zu stärken:
"Es gibt hinreichend Bestrebungen, dieses durch Unilateralismus aufzulösen. Das kommt von den Großmächten, aber leider auch von anderen Staaten. Die verkennen dabei völlig, dass es nicht um Teilaspekte geht, sondern dass man die Nutzung und Verwaltung der See generell multilateral machen muss. Für die See liegt dies bei der Staatengemeinschaft, und ich sprach vorher die Gemeinschaftsinteressen an. Wenn wir dieses Konzept nicht ernst nehmen und stärker verfestigen, dann werden wir bei der Meeresnutzung auf Dauer ein Problem bekommen."
Das Meer betrifft alle Staaten. 70 Prozent der Erde sind von Wasser bedeckt. Kein Staat, egal wie mächtig, kann diese Fläche allein kontrollieren oder verwalten. Multilateralismus ist im Seerecht deshalb ein Muss - und garantiert damit nicht zuletzt geregelte und damit friedliche Beziehungen an Land.