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"Sehr viel versöhnlichere, konziliantere Töne"

In seiner Rede vor der UN-Vollversammlung betonte der neue iranische Staatspräsident Hassan Rohani die friedlichen Zwecke seines Atomprogramms. Das sei schon deutlich mehr, als "unter Ahmadinedschad möglich war", findet Katajun Amirpur, Professorin für islamische Studien an der Universität Hamburg.

Katajun Amirpur im Gespräch mit Friedbert Meurer | 25.09.2013
    Friedbert Meurer: Immer Ende September geht die UNO-Vollversammlung in New York in ihre entscheidende Phase. Präsidenten, Regierungschefs, Außenminister rücken an aus aller Welt, unter anderem diesmal auch wieder Guido Westerwelle, allerdings zum letzten Mal bei einer UNO-Vollversammlung.

    Im Blickpunkt stand in der Nacht die Rede des neuen iranischen Staatspräsidenten Hassan Rohani. Er gilt als Reformer, im harten Gegensatz zum Hardliner Mahmud Ahmadinedschad. – Die Deutsch-Iranerin Katajun Amirpur ist Professorin für islamische Studien an der Universität Hamburg. Mit ihr will ich mich über die Rede des Präsidenten unterhalten. Guten Morgen!

    Katajun Amirpur: Guten Morgen.

    Meurer: Der erste große internationale Auftritt des iranischen Staatspräsidenten Rohani. Welchen Eindruck hat er auf Sie gemacht?

    Amirpur: Nun, verglichen mit seinem Amtsvorgänger – und das ist ja der Vergleich, den man meistens anlegt -, waren das einfach sehr viel versöhnlichere, konziliantere Töne, die wir da in New York gehört haben. Das ging schon aus der Art und Weise hervor, wie er gesprochen hat.

    Was die Inhalte anbelangt, war das jetzt nichts ganz anderes als das, was man erwartet hatte. Auch da schlägt er konziliantere Töne an, aber das sind wir ja schon gewohnt gewesen in den letzten Wochen. Er hat noch einmal betont, dass Iran nur zu friedlichen Zwecken Atomenergie wolle und dass von Iran keine Bedrohung ausgehe.

    Meurer: Was ist der Vorteil darin, wenn der iranische Präsident mit einem moderaten Ton auftritt, aber in der Sache offenbar nicht mehr anbietet als bisher, wenn er zum Beispiel sagt, er ist zu politischen Gesprächen über das Atomprogramm bereit?

    Amirpur: Nun, er bietet ja durchaus mehr an, als noch unter Ahmadinedschad möglich war. Da kommt ja schon einiges. Zum einen sind es im Moment die Iraner, die Tempo machen bei den Gesprächen, die wirklich sagen, der nächste Termin sollte möglichst schnell anberaumt werden, und die deutliche Signale aussenden, dass sie einen Kompromiss finden wollen. Das nimmt man eigentlich Rohani auch ab, weil der ja nun gerade zwischen 2003 und 2005, als man schon mal einen Kompromiss gefunden hatte mit Iran, der Chefunterhändler in Sachen Atom war.

    Auch Leute wie Ex-Außenminister Joschka Fischer beispielsweise haben vor der Wahl Rohanis in einem Beitrag für die "SZ" geschrieben, dass Rohani sich durchaus als jemand gezeigt hätte, der kompromissbereit ist, mit dem man reden kann, der weiß, wie das Spiel funktioniert, und der auch die Deckung von oben hat, wirklich das durchzusetzen oder umzusetzen, was er da in den Gesprächen verspricht. Insofern ist das schon deutlich mehr als das, was in den letzten Jahren unter Ahmadinedschad möglich war.

    Meurer: Ein Zitat wird von den Nachrichtenagenturen wiedergegeben: "Der Westen setzt den Kalten Krieg fort", hat Rohani gesagt, in New York vor der Vollversammlung, "wenn er der Welt seine Werte überstülpen will." Ist das so ein üblicher Topos in einer solchen Rede, oder doch bedenklich, wenn er das mit dem Kalten Krieg vergleicht?

    Amirpur: Von iranischer Seite aus, denke ich, ist das ein relativ üblicher Topos. Man geht zwar durchaus auf den Westen zu, jetzt im Moment in allem, was wir hören von Rohani, aber es gibt natürlich auch diese Sätze zur Abgrenzung. Die werden immer kommen. Ich glaube nicht, dass man da zu einer vollkommenen Umarmung in der Lage sein wird.

    Es wird immer noch Dinge geben, wo man sagt, bis hierhin und nicht weiter, und wo man einfach immer wieder hinweisen wird auf die Fehler, die die westliche Welt begeht, die sie speziell im Nahen Osten, in der Nahostpolitik begeht, was man ja auch andererseits nicht bestreiten kann, dass es tatsächlich so ist.

    Meurer: Rohani hat hinterher noch ein Interview dem amerikanischen Fernsehsender CNN gegeben – ich weiß nicht, ob Sie das auch mitbekommen haben -, wurde da nach dem Holocaust gefragt, und die Antwort lautete ungefähr, den Umfang des Holocaust kann er nicht abschätzen, aber er verurteilt alle Verbrechen. Ist es unmöglich für einen iranischen Präsidenten, den Holocaust zu verurteilen?

    Amirpur: Ich glaube ehrlich gesagt nicht. Mich wundern diese Äußerungen Rohanis auch. Mohammad Khatami hat das, glaube ich, ganz deutlich verurteilt seinerzeit, der Vor-Vorgänger von Rohani. Insofern finde ich diese Äußerungen – er hat ja auch in einem anderen Interview mit NBC vor einigen Tagen auf die Frage der amerikanischen Journalistin gesagt, ich bin Politiker, ich bin kein Historiker -, da hätte man sich durchaus eine deutlichere Stellungnahme erwartet. Und natürlich können auch iranische Politiker sagen, das ist eine Tatsache, und da kann nicht dran gerüttelt werden.

    Das ist auch ein sehr wunder Punkt, den die iranischen Juden immer wieder angesprochen haben. Wir kennen ja diese Geschichte von Ahmadinedschad, der gesagt hat, das ist ein Mythos, und das war der Punkt, wo die iranischen Juden aufgesprungen sind und an ihn gerichtet gesagt haben, was ist das denn jetzt, das kann ja wohl bitte niemand leugnen, das kann niemand sagen, hier fühlen wir uns wirklich betroffen, wenn er so was sagt.

    Meurer: Frau Amirpur, in den letzten Tagen ist ja viel spekuliert worden, ob es zu einem Treffen von US-Präsident Barack Obama und dem iranischen Präsidenten kommt. Das wird nicht der Fall sein. Die Außenminister werden sich immerhin morgen treffen. Sind Sie enttäuscht?

    Rohani: Nun, ich glaube, das ist schon mal ein ganz großer Schritt. Das ist, glaube ich, auch die höchste Begegnung, die stattfindet seit der Revolution von 1979. Insofern sollten wir da wirklich auch erst mal mit kleinen Schritten sehr, sehr zufrieden sein. Man hat ja nicht erwartet, dass es ein offizielles Treffen geben würde zwischen Obama und Rohani, …

    Meurer: Aber vielleicht ein Händeschütteln, das dann als Foto doch um die Welt geht.

    Amirpur: …, sondern dass es sein könnte, dass es auf dem Flur zu einem Händeschütteln kommen könnte. Vielleicht ist dazu wirklich die Zeit noch nicht reif. Aber dass dieses Außenministertreffen stattfindet, ist schon mal ein sehr, sehr großer Schritt.

    Meurer: Kurz noch. Dass das Treffen nicht zustande kommt, sagt unser Korrespondent in Washington, es war die iranische Seite, die es nicht wollte. Obama wäre bereit gewesen für ein Treffen. Glauben Sie das?

    Amirpur: Ob Obama das wollte, oder dass die Iraner das nicht wollten?

    Meurer: Im Prinzip beides.

    Amirpur: Das ist sehr gut möglich. Ich glaube, Rohani muss natürlich auch nach innen immer wieder verteidigen, was er macht, und da wäre vermutlich ein solcher Schritt ein zu großer gewesen. Es ist natürlich in Iran dann direkt gesagt worden, das kann so jetzt nicht sein, und vermutlich muss er da auch erst mal wirklich mit kleinen Schritten vorangehen.

    Meurer: Dass er dem, der noch vor ein, zwei Jahren als Satan bezeichnet wurde, die Hand reicht, das wäre der iranischen Öffentlichkeit zu viel zugemutet?

    Amirpur: Na ja, das ist natürlich immer eine Steilvorlage für seine innenpolitischen Gegner, und Rohani versucht einfach, da sehr, sehr langsam und sehr taktisch klug voranzugehen. Er weiß, dass er nicht ungefährdet ist in dieser Position, auf der er jetzt sitzt, und es gibt natürlich nach wie vor sehr, sehr radikale Gegner einer Politik, die eine Aussöhnung, eine Annäherung an die USA bedeuten würde, und da muss er wirklich sehr gut und sehr taktisch lavierend vorgehen.

    Meurer: Hat die Opposition im Iran, die grüne Bewegung, irgendetwas von dem neuen Reformerpräsidenten? Es gab schon mal einen, der hieß Khatami und hat eigentlich für die Opposition nichts getan.

    Amirpur: Na ja, zum einen würde ich nicht sagen, dass er für die Opposition nichts getan hat. Er hat einiges versucht, womit er nicht durchgekommen ist. Was diesen Präsidenten hier jetzt anbelangt: Es gibt zum Beispiel ein Statement, das vor zwei, drei Tagen rausgekommen ist. Das war ein offener Brief von 500 iranischen Intellektuellen, der im "Guardian" veröffentlicht worden ist, wo diese Intellektuellen sagen, bitte, Obama, nimm diese Chance wahr, dieser Mann stellt für uns eine Chance dar, es ist nicht perfekt, aber es ist das, was wir jetzt im Moment haben, und er bietet die Chance auf eine Annäherung gegenüber dem Westen.

    Ich finde, man sollte immer auf das hören, was die Leute sagen, die in Iran sitzen, iranische Intellektuelle, die es mit den Gegebenheiten dort zu tun haben, und das schien mir doch ein sehr deutliches Zeichen zu sein, dass man tatsächlich Hoffnungen in ihn setzt und nicht sagt, das ist sowieso jemand, der kann nichts bewegen, das ist nur ein Wolf im Schafspelz etc., was wir häufig hier in den Medien hören. Ich glaube, dass die iranische Zivilgesellschaft durchaus Hoffnungen auf ihn setzt, und da müssen wir einfach mal abwarten, was passieren kann und was nicht.

    Meurer: Die Deutsch-Iranerin Katajun Amirpur, Professorin für islamische Studien an der Universität Hamburg, über die Rede, die heute Nacht der neue iranische Staatspräsident Hassan Rohani in New York bei der Vollversammlung der UNO gehalten hat. Vielen Dank und auf Wiederhören, Frau Amirpur.

    Amirpur: Gerne!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.