Samstag, 20. April 2024

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Bernhard-Wicki-Friedenspreis an Volker Schlöndorf

Beatrix Novy: Das 22. Münchener Filmfest ist zu Ende gegangen. Josef Schnelle ist uns zugeschaltet. Die Bilanz hört sich ja gut an, das Publikum kam zahlreich, die Gesprächsrunden mit Regisseuren und Schauspielern auch rege besucht, also Herr Schnelle, der neue Leiter des Festivals, kann zufrieden sein.

Moderation: Beatrix Novy | 03.07.2004
    Josef Schnelle: Ja er kann zufrieden sein, obwohl er nicht sehr viel verändert hat. Er hat die ganze Sache ein bisschen gestrafft und als Publikumsfestival funktioniert das. Was er aber immer noch nicht so wirklich geschafft hat, ist, dem Festival ein Profil zugeben, dass sich das so in die deutsche Festivallandschaft als Ereignis auch einordnet. Die Filme sind auch alle da, die bedeutende Höhepunkte sein könnten, aber irgendwie geht das in dieser Stadt ein bisschen unter.

    Novy: Einen Höhepunkt gab es gestern, der Bernhard-Wicki-Friedenspreis wurde verliehen und zwar an Volker Schlöndorff, gleichzeitig gab es die Uraufführung des Films von Schlöndorff "Der Neunte Tag". Das war gestern Abend.

    Schnelle: Ja und ich habe heute morgen mit Volker Schlöndorff, der noch ganz trunken war von dieser Veranstaltung - der Film wurde zum ersten Mal einem Publikum gezeigt, auch er und die Schauspieler sahen den zum ersten Mal nach der Arbeit - und er hat dann erzählt, warum ihn dieser Preis, der so benannt ist nach Bernhard Wicki, besonders berührt:

    Die Bernhard Wicki Friedenspreisauszeichnung ist insofern etwas Besonderes, als ich natürlich den Bernhard Wicki noch gekannt habe. Es war einer der ersten, als damals der junge deutsche Film anfing, der von einer anderen Generation war - sozusagen der Vätergeneration -, den wir auch akzeptiert haben und vor allen Dingen, der uns gleich akzeptiert, der uns sozusagen zur Brust genommen und mit seinen mächtigen Armen umfangen hat.

    Das könnte ja jetzt mit der nächsten Generation auch passieren, die ist ja da. Es gibt neue deutsche Kinofilme. Volker Schlöndorff, zu dem Film muss man vielleicht noch sagen – "Der neunte Tag" - das ist die Geschichte eines Abbés der nach neun Tagen aus dem KZ entlassen wird, um zu kollaborieren mit den Nazis in Luxemburg und der dem Gewissenskonflikt dann ausgesetzt ist zurückzukehren oder abzuhauen, dann würden seine Gefährten im Pfarrer-Block umgebracht werden. Also das ist so ein klassisches Drama, ist auch so gebaut mit Ulrich Matthes in der Rolle des Abbé Henri Kremer, den es tatsächlich gegeben hat. Es ist also eine wahre Geschichte und die ist wirklich ganz ordentlich. Insofern ist der Film, der ja in Cannes nicht gezeigt wurde, in Venedig dann auch abgelehnt wurde, aber doch einer der Höhepunkte dieses Festivals. Der Film ist politisch korrekt und passt zu dem Preis, der ja Berhnard-Wicki-Filmpreis - Die Brücke, Friedenspreis des deutschen Films, heißt. Damit soll auch ein bisschen der richtige Inhalt prämiert werden und da hat Volker Schlöndorff sich ja eigentlich nie vergriffen.

    Novy: Aber es geht ja hier auch um den Nachwuchs, auf den müssen wir zu sprechen kommen, denn der Regie-Förderpreis beim Münchener Filmfestival ist ja besonders hoch dotiert. Wer hat den bekommen?

    Schnelle: Ja, der ist mit 40.000 Euro dotiert und den bekamen "Die fetten Jahre sind vorüber". Die Zuhörer werden sich vielleicht an den Titel erinnern, das war der erste deutsche Film, der nach elf Jahren wieder in Cannes war, der ist eben hier auch gelaufen, zusammen mit 20 anderen Filmen. Und die Jury hat sich dann doch auf diesen Film geeinigt, der jetzt sozusagen seine Erfolgsgeschichte dann weiterschreiben kann, im Herbst wird er ins Kino kommen. Andere Filme sind ein bisschen übersehen worden. Die Bruchstelle zwischen Filmen und Fernsehfilmen ist hier besonders deutlich zu sehen, weil hier gibt es einen extra Fernsehfilmwettbewerb, der ist abgespeckt, der war früher sehr umfangreich, das hat auch mit der Nähe des Bayrischen Rundfunks hier zu tun. Und da konnte man sehen, dass es eigentlich einen tiefen Graben dazwischen gibt, und man weiß auch nicht genau, warum man sich Fernsehfilme auf einem Festival ansehen soll. Also dieses Problem ist nicht wirklich gelöst, und eigentlich ist der Graben hier tiefer geworden.

    Novy: Was hat Ihnen denn am besten gefallen, von den Filmen, die da gezeigt wurden? Wenn Sie schon sagen Bruchstelle, da ist einmal der Fernsehfilm, da ist aber auch der alte und der neue, oder der junge Film. Wo lagen denn Ihre Vorlieben?

    Schnelle: Also interessanterweise handelt es sich um einen Film, der fürs Fernsehen gedreht war und vielleicht gibt es die Bruchstelle anders herum nicht. Der Film heißt "Sarabande" und ist von Ingmar Bergmann. Die letzten Vorstellungen des Films sind abgesagt worden, weil die Produktion Wind davon bekam, dass er hier im Kino gezeigt wurde. Ingmar Bergmann hat ausdrücklich gesagt: "Diesen Film habe ich fürs Fernsehen gedreht." Es ist 32 Jahre nach "Szenen einer Ehe" eine Wiederbegegnung von Erland Josephson und Liv Ullmann und es ist ein wirklich schöner Film, die "Szenen einer Ehe" noch mal als entspanntes weises Ritual wiederaufgenommen. Das passt eigentlich dazu, dass die Altmeister hier in dem Konglomerat von 60 Filmen des internationalen Programms doch die Nase vorne hatten, auch Volker Schlöndorff hatten wir am Anfang schon erwähnt, der andere Altmeister ist Jacques Rivette mit "Die Geschichte von Marie und Julien", einer sehr schönen Liebesgeschichte, die Ende August ins Kino kommen wird. Also die Altmeister haben dann doch hier gesiegt.

    Novy: Ein schönes letztes Wort. Vielen Dank Josef Schnelle, Szenen vom Münchener Filmfestival waren das, das heute zu Ende gegangen ist.