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Selbstanzeigen
Schweizer legen Milliarden-Berg an Schwarzgeld offen

Die viel gepriesene überdurchschnittlich hohe Steuerehrlichkeit in der Schweiz scheint ein Mythos zu sein. Das belegen jüngste Zahlen der Schweizer Steuerbehörden. Demnach haben die Eidgenossen die stattliche Summe von 24 Milliarden Franken per Selbstanzeige offen gelegt.

Von Hans-Jürgen Maurus | 03.08.2017
    Eine Hand mit 1000-Franken-Scheinen aufgeblättert
    Mehr als 20 Milliarden Franken an Schwarzgeld sind seit Einführung der straflosen Selbstanzeige im Jahre 2010 den Steuerbehörden offengelegt worden. (imago / Geisser)
    Steuerfragen werden in der Schweiz diskret behandelt. Es gilt immer noch das Bankgeheimnis für Inländer, auch wenn das Bankgeheimnis für Ausländer seit der Vereinbarung über den automatischen Informationsaustausch tot ist. Daher gibt es nur wenig verlässliche Zahlen, wieviele Steuersünder die Schweiz selber hat und wieviele Milliarden dem Fiskus entgehen. Doch Emmanuel Lauber von der Eidgenössischen Steuerverwaltung in Bern kennt die einzige bisher veröffentliche Zahl über Schwarzgeld von Schweizern und die hat es in sich:
    "Seit 2010 wurden gesamtschweizerisch in allen Kantonen rund 24 Milliarden an Vermögen aufgedeckt mit der straflosen Selbstanzeige."
    Und wo sind die Milliarden gebunkert? "Dass der größte Teil im Inland liegt, ist anzunehmen, aber dass auch Auslandkonti betroffen sind, auch Liegenschaften im Ausland und andere Vermögenswerte, da fällt alles drunter."
    "Dunkelziffer ist höher"
    Der sozialdemokratische Nationalrat Cedric Wermuth geht aber von einer weit höheren Summe hinterzogener Steuern aus: "Das heißt, die Dunkelziffer ist höher. Es gibt verschiedene Schätzungen. Es gibt die konservativen Schätzungen, die schon vor ein paar Jahren davon ausgegangen sind, dass allen drei Staatsebenen Bund, Kanton, Gemeinden jährlich fünf Milliarden an Geldern verlorengehen. Wir haben unsere eigenen Schätzungen gemacht, ich komme mit meinen eher auf Zahlen zwischen 20 und 30 Milliarden jährlich, die auch in der Schweiz hinterzogen werden."
    Und jetzt immer häufiger deklariert werden, beobachtet der Chef der Abteilung Strafsachen und Untersuchungen der eidgenössischen Steuerverwaltung Emmanuel Lauber, er glaubt auch den Grund zu kennen:
    "Ja, wir stellen in den letzten zwei bis drei Jahren eine starke Zunahme fest, ich gehe davon aus, dass es dieses Jahr noch mehr zunimmt. Seit 2010 sind die Zahlen dauernd zunehmend, mehrere tausend Fälle werden gesamtschweizerisch pro Jahr nicht nur angezeigt, sondern auch erledigt. Es ist nur eine Vermutung, aber es liegt doch glaube ich nahe, dass der automatische Informationsaustausch die Leute dazu bringt, sich hier anzuzeigen. Ich denke, das ist eine Erscheinung, die man wahrscheinlich andernorts auch macht."
    Ein Drittel mehr Selbstanzeigen in 2016
    Denn: Wer Geld im Ausland gebunkert hat, wird künftig automatisch gemeldet. Auch im Kanton Zürich registriert man eine deutliche Zunahme an straflosen Selbstanzeigen, die bedeuten, dass man für Schwarzgeld keine Busse, sondern lediglich Nachsteuern bezahlt, erläutert Marina Züger, Leiterin des Steueramts des Kantons Zürich:
    "2016 hatten wir 2.100 Selbstanzeigen, das waren doch ein Drittel mehr als in den Vorjahren. Insgesamt konnten Kanton und Gemeinden 70 Millionen Franken im Kanton Zürich einnehmen und für den Bund waren es nochmal 16 Millionen, die anfielen."
    Eine Gesamtaufstellung aller Kantone über Selbstanzeigen, Schwarzgeld, Geldbussen und Nachsteuern gibt es nicht. Der Kanton St Gallen listet immerhin auf, dass 2016 fast 170 Millionen Franken verheimlicht wurden, davon waren 72 Millionen allein in Liechtenstein geparkt, 30 Millionen davon in Stiftungen. Also auch Schweizer bunkern Schwarzgeld im Ausland. Und deklarieren jetzt verstärkt, wie Gemeindepräsident Bernhard Elsener bestätigt, hat er deshalb Steuerfahnder im Einsatz:
    "Nein, das Prinzip in der Schweiz mit der Steuererklärung beruht darauf, dass man dem Bürger prinzipiell vertraut. Also das, was ich in eine Steuererklärung reinschreibe und mit der Unterschrift bestätige, ist wahr. Und wenn jemand schummelt, dann kann er natürlich erwischt werden, aber es gibt dazu keine spezifischen Steuerfahnder, sondern das macht das Steueramt des Kantons aufgrund gewisser Unstimmigkeiten und dann fragen sie nach."
    Steuerfahnder gibt es nicht
    Doch auch im Kanton Zürich gibt es keine Steuerfahnder, bestätigt Steueramtschefin Marina Züger: "Nein, Steuerfahnder, wie man das in Deutschland kennt, gibt es in der Schweiz nicht. Alle unsere Mitarbeiter der Steuerverwaltung, auch wenn sie Steuerhinterziehungen ahnden, haben keine Zwangsmassnahmen zur Verfügung, sie können also keine Hausdurchsuchungen vornehmen oder irgendetwas beschlagnahmen."
    Das ist beim Bund anders. Die Spezialabteilung Strafsachen und Untersuchungen wird bei Verdacht auf schwere Steuerwiderhandlungen wie Steuerbetrug aktiv, so Abteilungsleiter Emmanuel Lauber, von den 1.300 Mitarbeitern der Steuerverwaltung ist aber nur eine kleine Zahl auf Steuerfahndung spezialisiert:
    "Auf Stufe Bund verhält es sich so: hier sind es in meiner Abteilung 23 Personen und beim Strafdienst Mehrwertsteuer, der sich um Mehrwertsteuerstraftaten kümmert, sind es acht Personen."
    Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren möglich
    Nationalrat Cedric Wermuth beklagt zuwenig Steuerbeamte, lasche Kontrollen und fehlender politischer Wille, hart durchzugreifen: "Auf nationaler Ebene gibt es nur einen sehr beschränkten Durchgriff, es ist für den Bund heute nicht wirklich möglich, im Detail zu schauen, ob die Kantone wirklich systematisch ihren Steuersündern hinterhergehen. Es ist sogar so, dass gewisse Kantone damit auch ein Modell gemacht haben in den letzten Jahren, dass man sehr bewusst sehr lax ist in der Steuerkontrolle. Wir wissen heute, dass ein Kontrolleur in der Mehrwertsteuerkontrolle im Durchschnitt eine halbe Million an Nachsteuern zusätzlich bringt für den Bund, aber die Mehrheit im Parlament hat bisher die Aufstockung dieser Stellen immer verweigert. Man will ganz bewusst diesen Teil der Politik im Dunkeln behalten."
    Steuerhinterziehung wird in der Schweiz juristisch als "Übertretung" behandelt, die einzige Sanktion ist eine Geldbuße, wobei die Summe zwischen 33 Prozent und bis zu 300 Prozent der hinterzogenen Steuern betragen kann. Steuerbetrug, der bei Urkundenfälschung vorliegt, kann dagegen mit Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bis zu maximal eine Million Franken geahndet werden.