Donnerstag, 25. April 2024

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Senatswahlen in Albama
"Innere Spaltung der Republikaner ist deutlich geworden"

Die Niederlage der Republikaner in Alabama sei ein "Indikator für die abnehmende Popularität des US-Präsidenten", sagte Politikwissenschaftler Michael Dreyer im Dlf. Die Partei sei gespalten in einen Trump-Flügel und die Mainstream-Republikaner. Eine Reihe von Republikanern könnten nicht mehr von einer sicheren Wiederwahl ausgehen.

Michael Dreyer im Gespräch mit Philipp May | 13.12.2017
    Moore verlässt nach einer Wahlkampfrede die Bühne
    Vorwürfe von sexueller Belästigung haben den Republikaner Roy Moore, hier im Wahlkampf, den Sieg bei der Senatswahl in Alabama gekostet (AP/Mike Stewart)
    Philipp May: Am Telefon ist jetzt Michael Dreyer, Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt USA von der Universität Jena. Guten Tag.
    Michael Dreyer: Schönen guten Tag.
    May: 48,8 Prozent für einen Kandidaten, dem mehrfache sexuelle Belästigung Minderjähriger vorgeworfen wird. Ist das ein Grund zur Freude?
    Dreyer: Es ist der Staat Alabama, von dem wir hier reden. Und es ist in der Tat ein Zeichen dafür, wie zynisch man im politischen Prozess geworden ist, dass ich dieses Ergebnis eigentlich auch als Überraschung empfunden habe, so wie Ihr Bericht vorher gesagt hat. Wir hatten auf der einen Seite einen hoch angesehenen, persönlich völlig unbescholtenen Demokraten und auf der anderen Seite einen extrem konservativen und sehr glaubwürdig der Pädophilie beschuldigten republikanischen Kandidaten. Und trotzdem sind wir überrascht, dass der Demokrat gewonnen hat. Alabama ist ein sehr, sehr konservativer Staat für Republikaner. Dort zu verlieren, muss schon sehr, sehr viel zusammenkommen. Und das letzte Mal war das 1992. Seit 25 Jahren ist das der erste staatsweite Erfolg der Demokraten.
    "Normalerweise kriegt ein Republikaner in Alabama 70 Prozent"
    May: Sie haben es gesagt: ein konservativer Staat. Da könnte man doch eigentlich glauben, gerade jemand dort, der der Pädophilie beschuldigt ist, der hätte große Probleme, dort zu reüssieren bei den Wählern. Warum ist das trotzdem nicht so?
    Dreyer: Nun, es ist ja so. Er hat ja verloren.
    May: Aber er hat 48,8 Prozent bekommen.
    Dreyer: Ja, das ist richtig. Aber man muss das betrachten vom Ausgangspunkt her. Das ist ein Staat, den Donald Trump vor einem Jahr mit 28 Prozentpunkten Vorsprung gewonnen hat. Normalerweise kriegt ein Republikaner hier 70 Prozent oder so. Und die hat Moore eben nicht bekommen. Es sind jede Menge gerade Frauen, auch weiße Frauen abgesprungen von den Republikanern und haben diesen erstaunlichen Erfolg ermöglicht. Die Leute, die Moore gewählt haben, das sind ganz überwiegend Leute, die gesagt haben, dass sie den Anschuldigungen nicht geglaubt haben.
    May: Wir haben es angesprochen beziehungsweise es wurde auch schon angesprochen in dem Beitrag: Viele republikanische Abgeordnete, auch der andere republikanische Senator Richard Shelby, haben sich gegen Roy Moore ausgesprochen. Freut man sich jetzt bei der Republikanischen Partei?
    Dreyer: Nein, natürlich nicht. Einerseits hat man hier einen wichtigen Sitz verloren, der bei den sehr engen Mehrheitsverhältnissen im Senat für die anstehenden Gesetzesvorhaben, vor allem auch für die Steuerreform von zentraler Bedeutung sein könnte. Und zum zweiten ist einmal mehr die tiefe innere Spaltung der Republikanischen Partei deutlich geworden zwischen dem Trump-Flügel und den Mainstream-Republikanern. Schon in der Primary, in der Vorwahl der Republikaner, war es ja so, dass von den Mainstream-Republikanern, inklusive des Mehrheitsführers der Republikaner im Senat Mitch McConnell, eigentlich keiner auf Seiten von Moore stand. Auch Donald Trump übrigens nicht in der Primary. Das ist ein Kandidat, der so extrem gegen das Establishment auch der eigenen Partei steht, dass es nicht verwunderlich ist, dass die Republikaner über ihn sehr, sehr unglücklich waren. Aber da der Präsident sich jetzt so reingehängt hat in den Wahlkampf, was er ja nicht hätte tun müssen, ist natürlich das Ergebnis auch ein Indikator für die abnehmende Popularität des Präsidenten.
    May: Was bedeutet denn das persönlich für Donald Trump? Muss er jetzt auch Sorgen haben, dass seine sexuellen Verfehlungen, die ja letztes Jahr im Wahlkampf breit besprochen worden sind, noch einmal Thema werden könnten?
    Dreyer: Die sind im letzten Jahr nicht aufgebracht worden. Es kann sein, dass das wieder passiert. Aber das war schon ein Sonderfall hier mit Moore, denn hier ging es um wirklich sehr junge Mädchen. Frauen kann man kaum sagen in diesem Fall. Das ist schon ein etwas anders gelagerter Fall. Bei Donald Trump sind diese Verfehlungen ja auch alle bekannt gewesen und die Wähler, seine Wähler haben gesagt, dass es sie nicht stört, oder dass sie den Frauen nicht glauben. In diesem Fall war die Sachlage etwas anders.
    Bannon und Trump - "Leute, die in der Partei immer schon umstritten waren"
    May: Sie haben es gerade schon gesagt: Donald Trump hat zuerst Roy Moore nicht unterstützt im Vorwahlkampf, wohl aber Steve Bannon, der ja im Prinzip dafür gesorgt hat, dass Roy Moore diese Vorwahl gewinnt. Könnte man nicht auch so argumentieren als Republikaner, dieser Versuch der feindlichen Übernahme durch Steve Bannon und Breitbart ist vorerst abgewendet?
    Dreyer: Abgewendet – das wäre, glaube ich, etwas zu optimistisch. Denn in der Vorwahl haben sie ja innerhalb der Republikanischen Partei das sehr erfolgreich durchgefochten. Und der amtierende Senator Luther Strange, der ist ja deutlich rausgeflogen aus dem Rennen. Dass allerdings das keine Erfolgsgarantie ist für die General Election, das ist, glaube ich, deutlich geworden. Und es ist sicherlich zumindest für die Parteistrategen ein Anlass gewesen, noch skeptischer, als sie es ohnehin schon tun, auf Leute wie Bannon zu gucken. Ich meine, Bannon ist ja auch ein Rebell gegen das republikanische Establishment. Der kommt nicht aus der Gilde der Macher und Strategen der Partei. Und er kultiviert natürlich auf dieses Außenseiter-Image, genauso wie sein ehemaliger Chef Donald Trump. Aber das sind schon Leute, die auch innerhalb der Partei immer schon sehr umstritten waren.
    May: Könnte das jetzt das Startsignal sein innerhalb der Republikanischen Partei? Bisher hält man bis auf einige Senatoren, die mehr oder weniger auch am Ende ihrer politischen Karriere stehen, ja relativ still gegenüber Donald Trump. Könnte das jetzt tatsächlich das Startsignal sein auch für öffentlichen Widerstand gegen Trump und Bannon bei den Republikanern?
    Dreyer: Die Beziehungen gerade zum Senat und Mitch McConnell, dem Fraktionsführer der Republikaner, die sind ohnehin schon schlecht. Und das wird sicherlich die Sache nicht verbessern, zumal wenn tatsächlich wichtige Gesetzesvorhaben dadurch scheitern, dass der sicher geglaubte Sieg der Republikaner in Alabama jetzt verhindert ist und sie nur noch eine Stimme Mehrheit haben im Senat. Das könnte solche Auswirkungen haben. Es könnte vor allem auch die Auswirkung haben, dass eine ganze Reihe von Republikanern, die bislang sicher dachten, dass sie im nächsten Jahr ihre Wiederwahl feiern können, jetzt auf einmal bedenklich werden. Denn wenn ein Republikaner in einem Staat wie Alabama verlieren kann, dann kann er überall verlieren.
    Demokrat Jones "hatte am Ende viel mehr Geld zur Verfügung"
    May: Schauen wir noch mal auf Alabama. Vor allem die hohe Wahlbeteiligung unter den Frauen, vor allen Dingen unter den schwarzen Frauen hat da ja offenbar den Ausschlag zu Gunsten des Demokraten gegeben. Heißt das, Alabama, ein erzkonservativer Staat, hat das Zeug, möglicherweise auf Sicht zum Swing State zu werden?
    Dreyer: Nein. Das, glaube ich, geht zu weit. Aber es zeigt, was eine gut arbeitende Wahlkampagne machen kann. Ein großer Teil seines Erfolgs geht dann auch in die Operation der letzten Tage, "get out the vote". Also dass man die Leute zum Wählen bringt, sie motiviert, sie antreibt, auch ihnen technische Hilfe gibt, sie zum Beispiel zum Wahllokal fährt. Das ist sehr, sehr verbreitet in den USA. Die Kampagne von Doug Jones hat hier wirklich vorbildlich gearbeitet, was auch möglich war dadurch, dass jede Menge Geld in die Kampagne geflossen ist. Demokraten im ganzen Land haben hohe Summen für ihn gespendet. Und er hatte am Ende viel mehr Geld zur Verfügung als sein republikanischer Gegenkandidat. Das hat auch eine große Rolle gespielt.
    May: Überraschungserfolg für die US-Demokraten bei der Senatswahl in Alabama. Ihr Kandidat Doug Jones hat sich gegen den umstrittenen Republikaner Roy Moore durchgesetzt. Einschätzungen waren das vom Politikwissenschaftler Michael Dreyer von der Universität Jena. Herr Dreyer, vielen Dank für das Gespräch.
    Dreyer: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.