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Sendepause in Griechenland

Auf allen Sendern der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt ERT in Griechenland laufen Wiederholungen. Die Journalisten sind Ende Oktober in den Dauerstreik getreten. Ohne die nächste Kredittranche könnte der Staat nicht einmal die ERT-Angestellten bezahlen.

Von Eleni Klotsikas | 10.11.2012
    "Sie verhindern die Berichterstattung und das Recht des griechischen Volkes auf Information. Wir streiken, weil wir berechtigte Gründe dafür haben."

    Die Botschaft von Georgios Savvidis, Vorsitzender der griechischen Journalistenvereinigung POESY ist eindeutig. Zu erstem Mal sind Journalisten des öffentlich-rechtlichen Senders ERT in den Dauerstreik getreten. Ohne die nächste Kredittranche könnte der Staat nicht einmal die ERT-Angestellten bezahlen. Auf Net FM, dem griechischen Nachrichtsender, dudelt seit über einer Woche Jazzmusik. Auf allen TV-Sendern der ERT laufen seit Tagen nur noch Wiederholungen. Ein Ende des Streikes ist nicht in Sicht:

    "Wir werden nicht zu unserer Arbeit zurückkehren, solange unsere Forderungen nicht erfüllt werden!"

    Die Liste ihrer Forderungen ist lang, unter anderem verlangen die Journalisten, dass ihr Gehalt nicht weiter gesenkt wird. Viele der Angestellten mussten bereits Einbußen von 35 Prozent hinnehmen. Nun soll auch ihre finanziell gut ausgestattete Krankenkasse mit einer stark defizitären staatlichen Versicherung fusioniert werden. Doch die Hauptforderung der ERT-Journalisten ist das Recht auf freie, von politischen Kräften unabhängige Berichterstattung. Dieses Recht sehen die Journalisten seit den letzen Monaten immer mehr ausgehebelt, so Georgios Savvidis, Vorsitzender von POESY:

    "Die Beeinflussungsversuche sind nicht neu. In den letzten Jahren hatten wir es immerhin geschafft, eine sachliche und unabhängige Berichterstattung zu liefern. Seit dem letzten Monat jedoch, seitdem neue Chefredakteure von der Regierung eingesetzt wurden, hat sich das wieder radikal geändert."

    Zu spüren bekamen es unmittelbar die zwei Journalisten Kostas Arvanitis und Marilena Katsimi. Ihre Morgensendung wurde abgesetzt, weil sie über die Gewaltanwendung der Polizei gegenüber Demonstranten berichtet haben. Dabei hatten die Journalisten ihre Aussagen auf einen gerichtsmedizinischen Bericht gestützt, der die Recherchen der Zeitungen "Guardian" und "Kyriakis Avgis" über die Misshandlungen von Demonstranten bestätigte. Die Angelegenheit hatte in Griechenland für große Aufregung gesorgt. Der Minister für öffentliche Ordnung Nikos Denias hatte sogar öffentlich angedroht, den Guardian für seinen Bericht zu verklagen.

    Einschüchterungsversuchen kennt auch Kostas Vaxevanis. Er hat mit der Veröffentlichung einer geheimen Liste über potenzielle Steuersünder, die Regierungsvertreter lieber in einer Schublade verschwinden lassen wollten, sogar in der ausländischen Presse Aufsehen erregt. Von einem Staatsanwalt wurde er wegen Verletzung des Datenschutzes über Nacht verhaftet. Der inzwischen frei gesprochene Journalist ist Chefredakteur der wöchentlichen Investigativsendung bei ERT "To kouti ths Pandoras", zu Deutsch: "Die Büchse der Pandora". Fast jede Woche steht für ihn die Pressefreiheit auf dem Spiel:

    "Jede Woche haben wir dieselben Probleme, nicht etwa weil wir nicht sorgfältig arbeiten. Nein, wir müssen jedes Mal mit der ERT verhandeln, ob unsere Sendung überhaupt ausgestrahlt werden darf. Wir haben zum Beispiel die Namen von Ministern genannt, die im Visier der Staatsanwaltschaft stehen. Die Verantwortlichen bei ERT verlangten von uns, dass wir die Namen nicht nennen. Wir haben der Leitung mit einem Rechtsstreit gedroht, so wurde unsere Sendung doch noch ausgestrahlt. Wirkliche Pressefreiheit ist das aber nicht."

    Ob die Journalisten mit ihrem Dauerstreik wirklich etwas bewirken können, bleibt abzuwarten. Den Kampf gegen die Zensur möchten sie bis zu Ende führen, bis die zwei abgestraften Journalisten wieder auf den Bildschirm zurückkehren dürfen. Doch möglicherweise tun sie den Regierungsverantwortlichen mit ihrem Schweigen sogar einen Gefallen. Seit Freitag sind die Journalisten wenigstens für einen halben Tag an die Mikrofone zurückgekehrt, um die Bürger mit den nötigsten Informationen zu versorgen.