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Sender Rai Bozen

Er versteht sich als das Südtiroler Gesicht des italienischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks: der Sender Rai Bozen. Zielgruppe ist die deutschsprachige Minderheit im Norden Italiens. Aber auch die Ladiner haben ein eigenes Programmfenster.

Von Alfried Schmitz | 15.09.2012
    "Unser Auftrag ist es, das Land, unsere Heimat ins Radio und ins Fernsehen zu bringen. Wir sind ein Radio- und Fernsehprogramm mit Format, mit anerkanntem und hohem Format, aber wir müssen uns abgrenzen von den klassischen Formatradios, die überall zu finden sind. Die haben es relativ einfach, die spielen die Hitlisten rauf und runter. Die haben es einfacher, weil sie sehr gezielt auf eine bestimmte Hörerschicht zusteuern können. Wir haben den Auftrag, möglichst viele zu erreichen."

    Sagt Dr. Markus Perwanger. Seine Funktion bei Rai Sender Bozen lässt sich mit der eines Intendanten vergleichen. Er ist verantwortlich für 13 Stunden Radio- und zwei Stunden Fernsehprogramm, die täglich in deutscher Sprache aus der Landeshauptstadt Südtirols gesendet werden. Rund 120 Mitarbeiter arbeiten an der Piazza Mazzini in einem sechsgeschossigen schmucklosen Funktionsbau, der 1960 fertiggestellt wurde. Sie haben keine leichte Aufgabe.

    Mit nur einer Hörfunkwelle versucht das Team von Rai Sender Bozen, allen Altersschichten und allen Interessensgruppen der deutschsprachigen Minderheit im Norden Italiens gerecht zu werden. Gleichzeitig muss der öffentlich-rechtliche Auftrag erfüllt werden. Kultur, Bildung, Information, eingerahmt von Unterhaltungssendungen, die volkstümliche Blasmusik, Jazz, Pop und Klassik bieten. Ein manchmal sehr gewagter Programmmix, der aber scheinbar ankommt. Rai Sender Bozen kann sich gegen die flapsige private Radiokonkurrenz behaupten. Immerhin schalten zwei von drei Südtirolern Rai Sender Bozen ein. Über diesen Erfolg freut sich Chefredakteur Robert Asam. Nicht ganz so rosig beschreibt er den Fernsehmarkt.

    "Wir befinden uns in einer Region, wo wir von deutschsprachigen ausländischen Fernsehanstalten sozusagen umzingelt sind und die Nutzer automatisch das eine mit dem anderen vergleichen. Die großen deutschen oder der Schweizer Rundfunk oder auch der ORF haben andere Möglichkeiten wie wir. Das ist bei der Programmgestaltung die wichtigste Aufgabe, dass wir uns da unterscheiden. Dass wir nicht irgendwelche Krimiserien einkaufen, die man in fünf anderen Sendern gleichzeitig auch sieht. Sondern dass man Produktionen in Auftrag gibt, die für dieses Land gemacht werden."

    Aber Rai Sender Bozen hat nicht nur den Auftrag, die circa 350.000 deutschsprachigen Italiener in Südtirol mit einem öffentlich-rechtlichen Programm zu versorgen. In einigen Tälern wird auch das seltene Ladinisch gesprochen. Zu dieser anerkannten Sprachminderheit gehören gerade einmal 30.000 Menschen.

    "Für diese Menschen werden hier im Haus Kurznachrichten produziert, im Hörfunk zweimal täglich und eine fünfminütige Fernsehnachrichtensendung, die unmittelbar vor unserer Tagesschau in Sendung geht. Und dann gibt’s ladinischsprachige Programme, zweimal eine halbe Stunde im Hörfunk und im Fernsehen ein fixes Magazin einmal wöchentlich eine Viertelstunde. Die Ladiner gehören insofern zum Minderheitensender in Bozen."

    Die strengen Sparmaßnahmen, die von der Regierung in Rom beschlossen wurden, schließen auch die Finanzierung von Rai Sender Bozen ein. Statt 15 Millionen möchte die römische Regierung nur noch zehn Millionen im Jahr für die Minderheitenprogramme auf Deutsch und Ladinisch ausgeben. Die italienischsprachigen Sendungen, die ebenfalls aus dem Funkhaus in Bozen kommen, sind von diesen Sparmaßnahmen ausgeklammert. Die Südtiroler Landesregierung hat zwar sofort signalisiert, das Finanzloch zu stopfen, aber Rom tut sich schwer mit einer positiven Entscheidung für diese Rettungsaktion. Für die Belange der Sprachenminderheiten im Norden hat die römische Regierung noch nie viel Sympathie gezeigt. Und so witterten die Südtiroler auch zunächst einmal nichts Gutes, als ihnen Rom 1960 ein eigenes Funkhaus an den Bozener Mazziniplatz stellte.

    "… weil das so ein bisschen als aufgepfropft, als italienisch empfunden worden ist. Tatsache war, dass ja auch sehr viele bei der Eröffnung aus der politischen ersten Riege damals gar nicht gekommen sind, weil sie gedacht haben, das ist so ein Danaergeschenk, so eine Art Trojanisches Pferd aus Rom."

    "Es ging ja so weit, dass die ersten Nachrichten, wir durften ja nicht selbst Nachrichten produzieren, sondern die italienischen Nachrichten wurden wortwörtlich übersetzt. Die Ressentiments waren natürlich bis Ende der 1960er Jahre auf breitester Ebene da, und das hat in alle Gesellschaftsschichten, in alle Wirtschaftssparten und auch in die Medien hineingespielt."

    "Gottlob, im Laufe der Jahrzehnte hat sich das grundlegend geändert. Heute ist der Sender Bozen bei den weitesten Teilen der Bevölkerung als Heimatsender wahrgenommen und geschätzt, und ich bin sehr froh darüber."