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Sendereihe "Mission Erde"
Folge 3: Auf der Spur des Wassers

Satelliten. - 71 Prozent der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt. Über diese gewaltigen Areale einen Überblick zu gewinnen, ist herausfordernd. Satelliten sind dafür die geeigneten Instrumente. Der europäische SMOS spürt dem Wasser in den Weltmeeren ebenso nach wie in den Böden der Kontinente.

Von Karl Urban | 07.02.2014
    Wasser: Quell des Lebens. Kühles und erfrischendes Nass. Es ist ein Segen – und manchmal ein Fluch. Unwetter und Überschwemmungen sind die häufigsten aller Naturkatastrophen. Tropenstürme wie Taifun Haiyan oder Hurrikan Sandy forderten in den letzten Jahren viele Todesopfer und verursachten immense Sachschäden. Auch wenn regnerisches Wetter – wie im Frühjahr 2013 in Europa – für Wochen anhält und Flüsse über die Ufer treten, ist der Mensch scheinbar völlig machtlos.
    "Nehmen Sie das Hochwasser in Deutschland, in Österreich und in Tschechien. Es ist fast kein Mensch zu Schaden gekommen."
    Hartmut Grassl hält uns nicht für hilflos. Der Physiker und ehemalige Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie verfolgt seit Jahrzehnten, wie Wettersatelliten und -Vorhersagen immer weiter verfeinert werden, um für künftige Katastrophen besser gewappnet zu sein. Aber gerade bei schlechtem Wetter gab es bis vor kurzem noch Lücken: Was unter den dicken Wolkenschichten passiert und wie sich die Böden während lang anhaltender Regenfälle mit Wasser vollsaugen, darüber gab es kaum adäquate Satellitendaten. Seit 2009 umkreist allerdings SMOS die Erde: Der Esa-Satellit für Bodenfeuchte und Ozeansalinität sieht das Wasser der Erde aus einer neuen Perspektive.
    "Für den Ozean ist das noch nicht gemacht worden. Für Bodenfeuchte gibt es auch andere Sensoren, die etwas Ähnliches machen. Die haben aber nicht die Genauigkeit, die SMOS hat."
    Matthias Drusch ist Missionswissenschaftler von SMOS. Dieser Esa-Satellit betritt technisches Neuland: Seine Sensoren nutzen eine besondere Eigenschaft von Wasser, das aufgrund seiner eigenen Temperatur Mikrowellen abstrahlt. Diese Mikrowellenstrahlung ändert sich, je nachdem wie viel Wasser im Boden steckt, wie salzhaltig die oberste Schicht der Ozeane ist – und wie aufgewühlt und schaumig während eines Sturmes.
    "Wir sehen fast alle großen Flutereignisse, so wie in Deutschland diesen Sommer, aber auch in Pakistan. Wir sehen über dem Ozean zum Beispiel den Süßwassereinfluss in den Atlantik vom Amazonas. Wir sehen über den Polgebieten die Dicke von Eis – auch eine Anwendung, von der wir vorher gar nicht unbedingt wussten."
    Der schmale Frequenzbereich für die Wasserbeobachtung, den SMOS nutzt, ist schon lange geschützt und seine kommerzielle Nutzung eigentlich illegal. Mit Problemen hatten die Forscher daher gar nicht gerechnet – doch es kam anders. Zu ihrer Überraschung sah SMOS über Land häufig etwas ganz anderes als wassergesättigte Böden oder ausgetrocknete Ebenen.
    Da auch viele moderne Funksysteme im selben Teil des Spektrums arbeiten, wimmelte es nur so von Störsignalen von Radargeräten, Fernsehstationen und Radiosendern: Um die Störenfriede loszuwerden, mussten die Wissenschaftler zunächst jeden einzelnen von über 300 unerlaubten Sendern weltweit ausfindig machen. Meist trafen sie dabei weder auf kriminelle Energie noch auf richtige Piratensender, erzählt die Missionsmanagerin Susanne Mecklenburg.
    "Zum Beispiel: Radiostationen. Das ist kein böser Wille, sondern das ist einfach ungenau eingestellt. Das kann technische Gründe haben."
    Aber die Forscher gerieten auch an eher unangenehme Frequenzüberschreiter – das Militär.
    Mecklenburg: "Das prominenteste Beispiel war eigentlich das in Nordamerika, die sogenannte DEW Line. Die ist sogar noch aus dem kalten Krieg: eine Radarlinie zwischen Kanada und den USA in die Richtung von Russland."
    War der große oder kleine Störenfried ausgemacht, musste er irgendwie dazu gebracht werden, den Wissenschaftlern künftig nicht mehr dazwischen zu funken. Weil die Esa aber keine hoheitlichen Rechte hat, waren ihre Druckmittel begrenzt. Ihre schärfste Waffe: vernünftige Argumente.
    Mecklenburg: "Dann schreiben wir ihm im einen höflichen Brief und sagen: Schalten Sie bitte Ihre Quelle aus. Und das wird dann meistens auch gemacht."
    Gut vier Jahre nach dem Start hat der Satellit nun beinahe einen ungestörten Blick auf das, wofür er ursprünglich ins All geschickt wurde. SMOS konnte zeigen, dass er gegenüber gewöhnlichen Wettersatelliten einen Vorteil hat: Bei einem Tropensturm gelingt es denen nämlich meist nicht mehr, die Windgeschwindigkeit aus dem All zu bestimmen. Denn solche Messungen werden durch die dicke Wolkendecke und Starkregen behindert. Die Mikrowellenkamera von SMOS behält dagegen den Durchblick.
    Matthias Drusch: "Es kann durch die Atmosphäre durchgucken. Es ist sozusagen ein Allwetter-Werkzeug."