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Sendereihe "Mission Erde"
Folge 7: Eismassen in Bewegung

Die eisigen Pole der Erde sind unwirtlich und schwer zu erreichen, daher sind Satelliten ein wichtiges Arbeitsgerät der Polarforscher. Vor über 30 Jahren begann der US-amerikanische Nimbus-7 damit, das Eis zu überwachen. Inzwischen gibt es Spezialsatelliten, die sich mit Eis beschäftigen.

Von Karl Urban | 19.02.2014
    Die Umgebung ist gleißend hell. Schon nach einigen Sekunden schmerzen die Augen. Der eisige Wind geht sofort unter die Haut. Kurz: Für einen Forscher sind die Pole der Erde nur schwer zugänglich, unwirtlich und vor Ort kaum zu überblicken. Das Festlandeis von Grönland und der Antarktis und das schwimmende Eis der Pole ist deshalb schon lange ein wichtiges Arbeitsfeld für Satelliten. Vor über 30 Jahren begann der US-amerikanische Nimbus-7 damit, das Eis zu überwachen.
    "Deswegen haben wir seit 1979 eine ununterbrochene Zeitreihe der Bedeckung des nördlichen und des südlichen Ozeans mit Meereis, inzwischen im Tagesrhythmus. Wir haben dabei entdeckt, wie rasch Meereis schwindet."
    Hartmut Grassl ist Meteorologe und Physiker - und er hat verfolgt, was Forscher seitdem über das Eis der Polgebiete gelernt haben. Zuerst konnten Satelliten vor allem erkennen, wie stark sich Jahr für Jahr das Meereis ausdehnt und zurückzieht. Grassl:
    "Inzwischen hat man auch Sensoren, die können den Höhenunterschied erfassen zwischen der Eisscholle und dem Meerwasser, weil ja Eis etwas leichter ist als Wasser, schwimmt die Scholle auf. Über diesen sogenannten Freibord kann man dann sagen, wie dick diese Eisscholle ist. Und das können die neuen Sensoren machen."
    Weißes Wasser
    Die neuen Sensoren befinden sich heute an Bord von Satelliten, die sich speziell mit Eis beschäftigen. Sie nutzen allesamt eine besondere Eigenschaft von gefrorenem Wasser: Es ist weiß - und reflektiert deshalb einfallende Strahlung besonders gut. Der US-amerikanische ICESat sendete Laserpulse zum Boden, wo sie von der Eiskante zurückgeworfen wurden. Seine Mission endete 2010. Der europäische Cryosat-2 startete im gleichen Jahr - und verwendet eine andere Form elektromagnetischer Strahlung.
    "Cryosat arbeitet mit einem Radar. Im Prinzip schicken wir damit immer einen Puls zum Boden und messen, wie lange es dauert, bis er zum Satelliten zurückgestreut worden ist."
    Nic Mardle steuert Cryosat im Europäischen Weltraumkontrollzentrum in Darmstadt. Für sie ergänzen sich beide Satellitentypen.
    "Der lasergestützte Satellit ICESat konnte das Eis noch etwas genauer vermessen. Unser Radar ist dafür weniger wetterabhängig, weil wir auch durch eine Wolkendecke hindurch arbeiten können und deshalb einfach sehr viele Daten sammeln."
    Die Satelliten erkennen dabei, ob sich etwa die Antarktis mit der Zeit verändert. Auf diesem größten Eisschild der Erde entdeckte der Glaziologe Malcolm McMillan von der Universität Leeds in England im letzten Jahr etwas Unerwartetes:
    "Wir haben eine riesige Mulde in der Eisoberfläche gefunden. Wir haben gesehen, dass sie auf einer Fläche von 260 Quadratkilometern um 17 Meter abgesackt war. So etwas ist bisher noch niemandem gelungen."
    Warum das Eis absank, war relativ schnell klar: Unter fast drei Kilometern Eis verbirgt sich an dieser Stelle Lake Cook E2 - einer von über 400 Seen am Grunde des Eispanzers. Manche dieser Seen sind offenbar nicht völlig isoliert und können zeitweise untereinander Wasser austauschen. An dieser Stelle sank der Eispanzer, weil tief darunter Wasser abfloss und Platz machte. McMillan:
    "Über zwei Jahre waren das fünf bis sechs Kubikkilometer. Das ist ein immenses Volumen - es entspricht gut zehn Prozent des gesamten Schmelzwassers der Antarktis."
    Fluss unter dem Eis
    Eines wissen die Forscher allerdings noch nicht: Ob es sich um eine seltene Ausnahme handelt oder ob sich unter dem antarktischen Eisschild ein aktives Flusssystem verbirgt, erklärt McMillan:
    "Das kann noch niemand sagen, aber vermutlich gibt es unterschiedliche Regionen: An manchen Stellen unter dem Eis ist es vielleicht etwas wärmer, wodurch das Wasser schnell von See zu See fließen kann. Anderswo könnte das Eis stabiler sein und die Seen wären über lange Zeiträume voneinander isoliert."
    Das wäre besonders beim größten dieser subglazialen Seen der Antarktis interessant: Bei Wostoksee, von dem Glaziologen bislang glaubten, er sei seit Jahrmillionen von der Außenwelt abgeschlossen. Hier könnte sich daher eine uralte Lebewelt erhalten haben. Ob der Wostoksee aber wirklich so isoliert ist, können wohl nur lang anhaltende Untersuchungen der Eisoberfläche belegen. Der Satellit Cryosat ist gerade drei Jahre im All - und soll laut seiner Steuerfrau Nic Mardle so lange wie möglich weitermachen:
    "Die wichtigsten unserer Ziele hat Cryosat schon jetzt erreicht. Aber wir wollen ja eine zeitliche Entwicklung erkennen. Es ist schwer, anhand von drei Messpunkten darauf zu schließen, wie sich das Eis in Zukunft entwickeln wird. Wir wollen deshalb so lange wie möglich weitermessen."
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