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Sensible Räume

Am Montag gab es eine erste Anhörung im Bundeslandwirtschaftsministerium zum Regierungsentwurf für ein neues Gentechnikgesetz. Und dabei zeigte sich: Die Umweltverbände und CDU/CSU sind sich bei der Bewertung des Entwurfs aus dem Hause Künast wenigstens in einem Punkt einig: Der Begriff der "ökologisch sensiblen Räume” ist ihnen zu schwammig. Es handelt sich um jene Räume, in denen der Anbau genmanipulierter Pflanzen grundsätzlich verboten bleiben soll. Heike Moldenhauer vom Bund Umwelt- und Naturschutz, BUND, und Helmut Heiderich, Gentechnik-Experte in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion:

Von Ludger Fittkau | 02.02.2004
    Moldenhauer: Was uns außerdem als Umwelt- und Naturschutzorganisation gar nicht gefällt, ist, dass zwar drin steht, zum Schutz ökologisch sensibler Gebiete, dass das Ganze aber so wachsweich gefasst ist, dass es für die Praxis überhaupt keine Relevanz haben dürfte. Was dann bedeutet, dass selbst in Naturschutzgebieten gentechnisch veränderte Pflanzen ausgebracht werden dürfen.

    Heiderich: Also, es gibt im Gesetz insgesamt eine Reihe von wenig definierten Begriffen. Da gibt es also einen Begriff der sogenannten " sensiblen Räume”. Da wird gesagt, der Landwirt müsse sich dann bei der unteren Naturschutzbehörde melden, müsse seine Absichten dort erklären, und dann steht da sehr diffus: In bestimmten Fällen könne die Behörde dann auch den Anbau untersagen. Das ist sehr schwammig formuliert.

    Zu vermuten ist: Regierung, Opposition und Verbände werden sich bei dieser Frage in den anstehenden parlamentarischen Beratungen des Gesetzentwurfes noch einigen können. Schon deswegen, weil im Grunde niemand genmanipulierte Pflanzen in Naturschutzgebieten wachsen lassen will.

    Das ist beim Thema Gentechnik in der Landwirtschaft ganz anders. Hier enden dann die Gemeinsamkeiten von Umweltverbänden und Union sehr schnell:


    Wir hätten uns gewünscht, dass im Zweck des Gesetzes verankert ist: Sicherung der gentechnikfreien Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Das ist nicht der Fall.


    Der Gesetzentwurf bietet der Gentechnik noch zu viel Spielraum, meint etwa die Umweltschützerin Heike Moldenhauer. Doch das sieht CDU-Gentechnik-Fachmann Helmut Heiderich ganz anders. Seine Position: Die Gentechnik auf dem Acker hat keine Chance mehr, wenn das Gesetz in Kraft tritt:

    Ich fürchte, dass das Ergebnis dieses Entwurfes sein wird, dass man zwar aus Übersee nach Deutschland diese Produkte importieren wird und dann in den Regalen verkaufen kann, dass aber der Einsatz oder die Herstellung oder die Produktion auf den Höfen der Landwirte, aber auch im Bereich der Forschung, durch diese rigiden Regelungen unterbunden wird.

    Weil die Union aber die Gentechnik grundsätzlich fördern will, wird man die Novelle des Gesetzes im Bundesrat stoppen, kündigt Heiderich an. Man wolle Wahlfreiheit statt Bevormundung für die Bauern. Die sollten selber entscheiden, ob sie auf Gentechnik setzen oder nicht:

    Und das, was Frau Künast in den letzten Jahren gemacht hat, war eigentlich eine Bevormundung, zumindest in ihren öffentlichen Aussagen, die sie getroffen hat.

    Mit ihrer kritischen Haltung zur Gentechnik in der Landwirtschaft hat die grüne Agrarministerin Renate Künast
    nicht nur die Opposition auf den Plan gerufen, sondern auch einige sozialdemokratische Kabinettskollegen wie Wirtschaftminister Wolfgang Clement und den Kanzler selbst. Denn Gerhard Schröder hatte sich bereits im Jahr 2000 eindeutig für einen großflächigen Versuchsanbau von Mais, Weizen oder Raps mit gentechnisch verändertem Erbgut ausgesprochen. Politisches Programm der Grünen ist es hingegen, den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelproduktion zu verhindern.

    Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein klassischer Koalitionskompromiss. Winfried Herrmann, umweltpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, musste deshalb am Informationsstand seiner Fraktion auf der diesjährigen Grünen Woche in Berlin einräumen:

    Aus grüner Sicht hätten wir uns natürlich gerne mehr gewünscht, das Verhindern der grünen Gentechnik. Jetzt kommt es drauf an, unter dem Zwang, dass man es erlauben muss, so strenge und scharfe Regeln zu finden und gleichzeitig mit der Haftungsfrage zu verbinden, dass diejenigen, die auf Gentechnik setzen, auch das Risiko übernehmen, was sie damit allen zumuten.

    Wenn der Gesetzentwurf der Regierung so bleibt, wie er ist, haben vor allem die Bauern das Nachsehen. Sie müssen die Risiken tragen, die mit dem Anbau genmanipulierter Pflanzen verbunden sein können. Gerd Sonnleitner, der Präsident des deutschen Bauernverbandes, kennt die Sorgen an der Basis:

    Der Anbau gentechnisch veränderter Organismen trifft ja nicht nur das Verhältnis zwischen Öko-Bauern und konventionellen Bauern, sondern mindestens so stark - wenn nicht sogar stärker - das Verhältnis zwischen konventionellen Bauern, die ja auch verschiedene Märkte beschicken, in denen Gentechnikfreiheit gefordert wird.

    Bisher weigern sich die Hersteller gentechnisch veränderten Saatgutes beharrlich, einen Haftungsfonds einzurichten. Mit diesem könnten die wirtschaftlichen Risiken jener Landwirte abgesichert werden, die Gentechnik einsetzen wollen.

    Ein solcher Risikofond war in den letzten Monaten immer wieder von verschiedenen Seiten gefordert worden, um nicht alles auf die Bauern abzuwälzen. Dass die Saatgutindustrie, die ja ihre neuen Laborkreationen verkaufen will, da bisher nicht mitzieht, kritisiert auch der CDU-Politiker Helmut Heiderich, der selbst aus der Landwirtschaft kommt:

    Ja gut, die Position aller Beteiligten ist, dass niemand Verantwortung auf sich nehmen will. Ich glaube, wir müssen alle einbeziehen: die Industrie, die Wissenschaft, die Lebensmittelwirtschaft ganz entscheidend.

    Ein solcher Haftungsfonds ist schon angesichts der Haltung der Versicherungswirtschaft unverzichtbar. Diese weigert sich nämlich, Gentechnik-Schäden in der Landwirtschaft zu versichern. Der Schaden, der entstehen könnte, wenn beispielsweise Pollen gentechnisch veränderter Pflanzen auf die Felder der Nachbarbauern fliegen, ist für die Versicherungsbranche bislang kaum zu berechnen – es fehlen einfach die Erfahrungen. Gerd Sonnleitner beschreibt die Konsequenzen für die Praxis:

    Und unter diesen Kriterien hat sich keine Versicherungsgesellschaft in Deutschland bereit erklärt, gentechnisch anbauende Bauern zu versichern, so muss ich meinen Kollegen in meiner Verantwortung als Bauernpräsident, allen nur raten, in dieser Konstellation den Anbau zu unterlassen.
    An der Empfehlung des Bauernverbandes, auf den Anbau genmanipulierter Pflanzen vorerst zu verzichten, dürften auch die Rechtsverordnungen nichts ändern, die den Gesetzentwurf des Künast-Ministeriums noch ergänzen sollen. In ihnen soll vor allem der Sicherheitsabstand festgeschrieben werden, der zwischen Äckern mit gentechnisch-veränderten Pflanzen und Feldern mit herkömmlichem Anbau gelten soll.

    Des weiteren sollen genaue Regeln für die wissenschaftliche Beobachtung der gentechnisch-veränderten Pflanzen auf den Feldern festgeschrieben werden – das so genannte Monitoring. Ein mögliches Ergebnis dieses Monitorings fürchten die Bauern seit langem: den Streit, der zwischen Nachbarn entstehen kann, wenn es zu Auskreuzungen gentechnisch veränderter Pflanzen kommt. Die Rede ist von einem möglichen "Krieg in den Dörfern”, der ausbrechen könnte, wenn eine unkontrollierte Ausbreitung genmanipulierter Pflanzen die Existenz von Landwirten in der Nachbarschaft vernichten sollte. Gerd Sonnleitner:

    Da fürchte ich sehr große Konflikte, weil eben zum einen die Gesetzeslage dann nicht klar ist, weil zum einen keine Erfahrungswerte da sind, wie weit wird ausgekreuzt, wie sollen die Abstandsregeln sein und zum anderen die Haftungsfrage, das ist ja die alles entscheidende Frage, mit dem Nachbarschaftsrecht geklärt werden soll. Die ist aber dann gesamtschuldnerisch verschuldensunabhängig. Das heißt, wenn ein Bauer dann einen Schaden erleidet, muss er nicht den Schuldigen suchen, sondern nur den, der gentechnisch veränderte Pflanzen angepflanzt hat und der ist automatisch haftbar.

    Auch der Frankfurter Agraringenieur Robert Hermanowski sieht erhebliche Probleme aufkommen – vor allem zwischen Bauern, die Genpflanzen anbauen und denen, die auf Biolandbau setzen:

    Und das ist eine nicht erträgliche Situation. Denn der konventionelle Landwirt, von denen ja auch sehr viele gar keine Gentechnik einsetzen wollen und der Biolandwirt sind wirklich nicht diejenigen, die den Konflikt austragen sollten, der um die Gentechnik ausgetragen wird. Und deswegen ist es ungemein wichtig, dass man diese Situation nicht sich selbst überlässt. Denn dies wird bedeuten, dass der Ökolandwirt keine Mittel mehr in der Hand hat, er müsste dann sozusagen mit Rechtsinstrumenten wild um sich schlagen und daran kann die Politik kein Interesse haben.

    Der Bauernverband lehnt die im Gesetz vorgeschlagene Regelung ab, dass im Schadensfall der Besitzer des nächstgelegenen Ackers mit genmanipulierten Pflanzen haftbar gemacht werden kann – unabhängig davon, ob es wirklich seine Pollen waren, die auf das Nachbarfeld geflogen sind. Die Umwelt- und Naturschutzverbände hingegen halten genau eine solche Haftung für notwendig. Nur so könnten die Bauern geschützt werden, die ihre Feldfrüchte weiterhin ohne Gentechnik verkaufen wollen, argumentiert Heike Moldenhauer vom BUND:

    Uns gefällt sehr gut, dass eine gentechnische Kontamination als Schaden definiert ist. Das heißt, dass, wenn ein Bauer eine Schädigung hat durch eine Einkreuzung, dass er einen Anspruch auf Haftung hat. Aber dann wird es kompliziert im nächsten Schritt, weil der geschädigte Bauer dann selbst beweispflichtig ist, dass er von seinem Nachbarn einen Schaden erlitten hat.

    Der geschädigte Bauer müsse grundsätzlich mit einem langwierigen Verfahren rechnen, um zu seinem Recht zu kommen. Und der Imageschaden, den zum Beispiel ein Bio-Betrieb hat, der plötzlich Gen-Pflanzen auf seinem Acker findet, dieser Schaden sei ohnehin kaum zu ermessen:

    Das kann wirklich Jahre dauern, bis der kontaminierte Bauer eine Entschädigung bekommen hat. Und dann kann es sein, dass er inzwischen pleite gegangenen ist, weil ja auch die Kapitaldecken von den Betrieben nicht so hoch sein dürften.

    Auch das neue Gentechnikgesetz wird diese Folgen der sogenannten "Koexistenz” der verschiedenen Anbauformen kaum kalkulierbarer machen können – weder die Technik noch das langfristige Verbraucherverhalten bieten dazu genug sichere Anhaltspunkte. Für die herrschende Unsicherheit macht der CDU-Politiker Heiderich vor allem die Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin Renate Künast verantwortlich:

    Und da ist eben das große Problem, dass Frau Künast – ich sage mal fahrlässig – versäumt hat, entsprechende Anbau-Erfahrungen in Deutschland zu machen. Wir haben das seit dem Jahr 2000 immer wieder vorgetragen. Der Kanzler hat es ja schon mal selber angekündigt. Das ist von ihr ständig blockiert worden. Und da fehlen uns diese praktischen Detailerfahrungen, die wir an der Stelle sehr gut gebrauchen könnten.

    Solche Detailerfahrungen sollen jetzt vor allem auf Äckern in Sachsen-Anhalt gesammelt werden. Dort plant die Saatgutindustrie gemeinsam mit Genforschern einen großflächigen Testanbau von gentechnisch-veränderten Pflanzen. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner begrüßt das im Grundsatz:

    Da geht es sehr stark darum, dass manche innovative Produkte ausprobieren wollen, um dann Erfahrungen zu sammeln. Wir haben immer wieder angeregt, zusammen mit Politik, mit Wirtschaft, mit den einzelnen Gruppierungen pro und contra gemeinsam unter wissenschaftlicher Begleitung einen großflächigen Erprobungsanbau zu machen, um aus diesen Erfahrungen dann ein Gesetz zu schaffen, das eben allen Ansprüchen gerecht wird.

    Dieser Großversuch in Sachsen-Anhalt hat aber nicht nur Befürworter. Vor allem bei den Bauern vor Ort ist die Skepsis groß. In der fruchtbaren Magdeburger Börde, wo die Landesregierung von Sachsen-Anhalt den Großversuch starten will, haben viele Agrarbetriebe Angst, in der Öffentlichkeit als künftiger Gentechnikstandort abgestempelt zu werden - bei Strafe durch den Verbraucher. Susanne Brandt vom Bauernverband Sachsen-Anhalt:

    Wir als Landesbauernverband und die Bauern in Sachsen-Anhalt wollen, das mit diesem Thema sehr vorsichtig umgegangen wird. Wir wollen einen Erprobungsanbau auf kleineren Flächen, der wissenschaftlich begleitet wird und auf dem bestimmte Koexistenzfragen untersucht werden.

    Die Experimentierfreude in Sachen Gentechnik ist bei den Landwirten auch deswegen bundesweit sehr begrenzt, weil sich in allen Umfragen der letzten Jahre konstant 70-80 Prozent der Verbraucher gegen Gen-Nahrung aussprechen. Um den aktuellen Verbraucherwünschen nachzukommen und auch künftig gentechnik-freie Nahrungsmittel anbieten zu können, entstehen zur Zeit vielerorts neuartige Bündnisse zwischen Bauernverbänden und Umweltschützern. Das Ziel dieser neuen Bündnisse ist die Einrichtung so genannter gentechnik-freier Zonen. Gerd Sonnleitner:

    Der deutsche Bauernverband hat ja die erste gentechnik-freie Zone initiiert - in Mecklenburg-Vorpommern mit über zehntausend Hektar - und jetzt kommen reihenweise auf ganz Deutschland verteilt weitere gentechnik-freie Zonen hinzu.
    Dafür werden neben den Bauern auch die Umweltschützer sorgen. Die Dortmunder Greenpeace- Mitarbeiterin Gisela Richter hat bereits auf der grünen Woche für diese Idee geworben:

    In Dortmund geht es auch los (...) gentechnikfreie Zonen, so wie früher atomwaffenfreie Zonen, später atomstromfreie Zonen, so fangen wir jetzt auch an.
    Der Bund Umwelt- und Naturschutz will Bauern, die auf Gentechnik langfristig verzichten wollen, konkrete Rechtsberatung geben – unter dem Motto "faire Nachbarschaft". BUND-Mitarbeiterin Heike Moldenhauer:

    Und wir geben ihnen dann auch einen Mustervertrag in die Hand, wo sie sich dann zusammenschließen mit Nachbarn und sich selbst verpflichten, in einem bestimmten Gebiet keine gentechnisch-veränderten Pflanzen auf den Acker zu bringen.

    Der CDU-Abgeordnete Heiderich aus Osthessen glaubt allerdings, dass es neben der Bewegung für gentechnikfreie Zonen auch eine Gegenbewegung geben wird – von Bauern, die sich von der Gentechnik bestimmte Anbauvorteile versprechen:

    Es wird über die Regionen hinweg sehr unterschiedlich sein. Ich kenne das jetzt aus dem Oderbruch, wo es seit einigen Jahren Versuche gibt. Dort ist natürlich ein Mais, der insektenresistent ist, ein Riesenvorteil, weil der Befallsdruck sehr hoch ist. Bei einer höheren Fläche, die gut im Wind liegt, wird der Befallsdruck gen Null gehen. Das ist für den Landwirt uninteressant. Also das muss man dann jeweils abwägen.

    Die bisher größte gentechnik-freie Zone in Deutschland, die auf den klangvollen Namen "Schorfheide-Chorin" hört, wurde in diesen Tagen in der brandenburgischen Uckermark ausgerufen. Dort haben zwanzig Landwirte eine freiwillige Verzichtserklärung auf den Einsatz von Gentechnik unterschrieben. Damit sind 50.000 Hektar Fläche, davon 12.500 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche garantiert gentechnikfrei. Bauernverbandschef Gerd Sonnleitner sieht allerdings im wahrsten Sinne des Wortes die Grenzen, die auf diese Idee stoßen könnte:

    Was ist mit der Haftungsfrage, wenn ein französischer oder ein polnischer oder ein tschechischer Bauer gentechnisch veränderte Produkte aussät? Über die Auskreuzung erleiden wir dann Schaden. Und deswegen meine große Kritik an Brüssel, die sich sonst um jeden Schleppersitz, um jede Krümmung einer Gurke kümmern, dass sie bei dieser entscheidenden Zukunftstechnologie Leitlinien, aber keine Gesetze und keine strengen Vorgaben gemacht haben.

    Der Bauernverband betont also eher die Risiken, die der heimischen Landwirtschaft trotz nationaler Regelungen durch die Anbaupraxis in den Nachbarländern drohen könnten. Die Umweltverbände dagegen sehen in den Nachbarländern Verbündete für eine grundlegende Strategie der Gentechnikfreiheit in der Nahrungsmittelproduktion. Nämlich dann, wenn diese zu einem Weltmarktvorteil werden könnte. Heike Moldenhauer:

    Wir haben in ganz Europa, das gilt dann auch für die erweiterte EU, so gut wie überhaupt keinen kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. Das ist natürlich im Moment ein ganz, ganz großer Weltmarkt-Vorteil. Und da ist natürlich ganz klar, dass unsere Bauern diesen Markt bedienen sollten: Den europäischen Markt, die Nachfrage nach gentechnik-freier Ware und natürlich auch den nordamerikanischen Markt und natürlich auch den asiatischen Markt, die auch eine Nachfrage nach gentechnikfreier Ware haben. Und da gibt es im Moment einen ganz, ganz großen Vorteil auf dem Weltmarkt.

    Diesen Vorteil sieht der Gentechnikexperte der CDU, Helmut Heiderich, nicht. Ganz im Gegenteil: Er glaubt, dass das Gentechnikgesetz der Bundesregierung sowie die Politik der Umweltverbände mittelfristig das Ende der hiesigen, noch weitgehend mittelständisch organisierten Saatgutindustrie bedeuten werde:

    Ja, die Gegner haben uns ja immer vorgeworfen, wir seien die Handlanger der internationalen Konzerne, wenn wir das hier fordern. Das ist natürlich Blödsinn. Denn mit der Blockade haben wir gerade die deutschen Saatgutunternehmen ins Hintertreffen gebracht, weil sie nicht entwickeln konnten, weil sie dann nicht mehr wettbewerbsfähig sind gegenüber den Internationalen. Und wenn wir das noch weitere zwei, drei Jahre verhindern, sind die deutschen Saatgutunternehmen aus dem Wettbewerb raus und das ist eine Riesen-Benachteiligung für die Zukunft.

    Auch Bauernpräsident Sonnleitner will die Option, in Zukunft gentechnisch-verändertes Saatgut auf die Äcker bringen zu können, grundsätzlich offen halten:

    Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir noch Produkte bekommen werden, die einen Nutzen eben für den Verbraucher und für die Umwelt bringen. Es laufen ja Forschungen in Richtung Krankheitsresistenzen, zum Beispiel bei den Äpfeln, hier ist der Feuerbrand eine fürchterlich gefährliche Krankheit, die nicht bekämpft werden kann, da wünschen wir uns resistente Bäume, das geht aber genauso bei Weizen oder bei anderen Produkten, wo wir uns mehr Stabilität erwarten. Zum Beispiel auch Trockenresistenz oder Stressfähigkeit bei Nässe oder Trockenheit bei den einzelnen Pflanzengruppierungen.

    Ein noch größeres Potential sieht Sonnleitner außerhalb des sensiblen Lebensmittelbereichs - nämlich bei den sogenannten nachwachsenden Rohstoffen:

    Das wir zum Beispiel mit Maisstärke, mit Kartoffelstärke, Plastikersatz oder Rohstoffe oder Komponenten kreieren. Oder auf dem Sektor von Fetten, von Schmiermitteln, von Ölen, von Treibstoffen, das wir hier mit gentechnisch-veränderten Pflanzen Werkstoffe und Rohmaterialien liefern, die im Wirtschaftskreislauf äußerst umweltfreundlich sind, da sehe ich noch große Chancen.

    Dass gentechnisch-veränderte Schmiermittel für Maschinen auf mehr Akzeptanz stoßen könnten als Gen-Nahrungsmittel – dies ist möglicherweise der Hoffungsschimmer für die Gentechnik auf dem Acker. Doch der Metzger Dieter Stock aus Beuna in Sachsen-Anhalt macht mit seiner Philosophie der Lebensmittelproduktion den Befürwortern der Gentechnik in diesem Bereich nur wenig Mut:

    Wir als Fachmetzger, der eigentlich die Urprodukte vermarkten will, halten nicht viel von der Gentechnik. Wir sind der Meinung, wenn normale Futtermittel hergestellt werden, wie wir sie haben - wir haben ein Markenfleisch von Burgentaler, das ist eine durchgehende Kette, eigene Futtermittelherstellung in der Landwirtschaft, die Tiere werden auf dem kürzesten Weg zum Schlachthof gebracht, dort werden sie für uns geschlachtet, wir holen sie eine halbe Stunde später ab, da ist das Fleisch und die Wurst beim Kunden auf dem Brot -, und dann brauchen wir keine Gentechnik, wenn die Tiere ordentlich gehalten werden und ordentliche Futtermittel gewonnen werden, ist das für mich einfach nicht notwendig.